Als wir mit Maite Kelly für die Coverstory unserer Magazinausgabe im Austausch gewesen sind, waren wir sehr angetan von ihrer offenen und herzlichen Art sowie von der Botschaft, die sie in die Welt bringt. Mit dem Album „Die Liebe siegt sowieso“ trägt Maite Kelly noch immer eine Botschaft in die Welt, die positiver und lebensbejahender nicht sein könnte. „Ganz egal, wie viele Steine unseren Weg zum vollkommenen Glück auch erschweren mögen: Letztendlich wird die Liebe alles überdauern und das Gute immer weitertragen“, sagt sie. „Das Album führt uns durch sämtliche menschliche Gefühlslagen von Lachen und Weinen bis hin zu Zorn und Wut. Es weist aber auch einen Weg, um Hürden zu überwinden und den Moment zu leben.“ Mit uns ist sie hier tiefer eingestiegen und gibt uns einen sehr persönlichen Einblick.
Liebe Maite, in Ihrem Album “Die Liebe siegt sowieso” geht es ‑wie der Name schon sagt- um Liebe. Wie kam die Idee für das Album? Warum Liebe? Haben Sie alles selbst erlebt, worüber Sie singen?
Es war reiner Zufall, dass wir so viele Themen über die Liebe hatten. Ich habe ursprünglich 30 Songs geschrieben und 22 davon produziert. Ich bin aber kein Freund von Konzeptalben. Auch die großen Persönlichkeiten des Schlagers hatten bei jedem Album eine gewisse Tonalität und Botschaft, aber nicht bewusst. Ich werde bald 40 und schlage das zweite große Kapitel meines Lebens auf. Vielleicht habe ich mich noch nie so sehr mit der Liebe beschäftigt wie jetzt, als erwachsene Frau. Wenn man sich nach dem Sinn des Lebens fragt, kommt man immer wieder auf die Liebe und vor allem die Freundschaft. Meine Scheidung hat mich natürlich sehr beschäftigt. Solch ein Bruch ist eine Chance, sich noch einmal klar zu machen, was wichtig ist im Leben. Ich reagiere mit jedem neuen Lebensjahr immer sensibler auf die kleinen Gesten meiner Mitarbeiter, Freunde oder der Familie. Ich spüre, wie zerbrechlich ich bin, aber in dieser Nahbarkeit liegt auch meine größte Kraft. Ich weiß nur, dass ich die Liebe liebe und die Liebe lebe, so gut ich kann, und zwar in allen Facetten — ob als Frau, Mutter oder Mitbürgerin. Man muss nicht viel Erfahrung haben, um die Liebe zu verstehen. Man fühlt sie einfach. Die Liebe kommt auch immer ungefragt — und sie macht, was sie macht. Der Song “Wenn ich liebe” beschreibt mich als Frau am besten. Wenn ich mit einem Mann zusammen bin, gebe ich mich ihm völlig hin. Das kann gut gehen oder auch nicht (lacht). Die Liebe kommt und sie kann auch wieder gehen. Und man muss nicht alles selbst erlebt haben, um authentische Gefühle rüberzubringen. Ich bin noch nie eine Beziehung eingegangen ohne die Absicht, dass sie für immer ist. Aber es gibt auch Momente, in denen man sich von einer großen Liebe verabschieden muss. Es gibt enge Freundschaften, die auseinandergehen, und man weiß Jahre später nicht, warum man damals nicht danke gesagt hat.
Sie singen in Ihrem Album auch über Heldentum. Woher kommt diese Inspiration?
Dieser Song ist eine klare Hymne für unsere Andrea. Meine Kinder haben keine Oma, weil meine Mutter schon verstorben ist. Andrea ist mein Rückhalt, wenn ich unterwegs bin, weil sie dann auf meine Kinder aufpasst. Ohne die Helden des Alltags kann unsere Gesellschaft nicht so stark bleiben, wie sie ist. Einer meiner besten Freunde ist Kfz-Mechaniker. Zu meinen Konzerten kommt vielleicht der Notar aus der Eifel, aber auch die Bäckerin von nebenan. Sie alle teilen meinen Sinn für Humor und Poesie. “Held” habe ich geschrieben für die Heroen des Alltags. Sie sind bodenständig und haben einen gesunden Menschenverstand. Man muss kein Philosoph sein, um die Ethik von Aristoteles ganz klar zu leben. Die Menschen, die ich liebe und für die ich singe, sind ehrliche Häute mit einem Gefühl für Gemeinschaft. Sie geben mir das Gefühl, dass wir diesen Wahnsinn überleben, der gerade in der Politik passiert. Sonst würde ich wahrscheinlich meinen Humor verlieren.
Bild: © Edith Held
Wie bekommen Sie das alles mit Ihren Kindern organisiert? Was ist da Ihr Geheimnis?
Da gibt es kein Geheimnis. Es braucht lediglich ein gutes Zeitmanagement. Ich kann viel von zu Hause arbeiten und bin weit weniger unterwegs, als man annehmen könnte.
Wie kommen Sie auf die Ideen für Ihre Songinhalte?
Während ich im Kochtopf rühre oder die Betten der Kinder mache, sprießen bei mir die Ideen. Außer bei der Goldenen Henne und der Echo-Verleihung war ich dieses Jahr auf keiner Party. Das interessiert mich nicht. Während meine Kinder in der Schule sind, schreibe ich Songs. Und wenn sie wieder da sind, bin ich Mutter. Nein zu sagen kostet mich sehr viel Kraft, aber es führt zu guten Inhalten, wie der Kinderbuchreihe über die Hummel Bommel. Es hilft mir auch, auf dem Boden zu bleiben. Mein Job ist, die Songs nicht nur sehr gut zu singen, sondern ein Gesamtgefühl zu transportieren. Die Hörer sollen jeden Song dreidimensional empfinden. Entweder ist der Hörer Beobachter oder er hat das Gefühl, dass er den Song selber singt. Oder er singt den Song für jemand anders.
“Es braucht vor allem Freundschaft und Brüderlichkeit. Es gibt Menschen, die verspüren selbst unter den schwierigsten Bedingungen noch Freude. (…) Der Lebensschmerz des Menschen wird dadurch gelindert, dass man eine gewisse Tiefe in Leichtigkeit verpackt.”
Sind Ihre Texte jetzt über Liebe und überhaupt in Ihrer Arbeit auch ein bisschen Antwort auf die unruhigen Zeiten, in denen wir leben?
Ja. Wenn man über Liebe spricht, darf man die erotische Liebe nicht vergessen. Sie allein reicht aber nicht, um den Menschen durchs Leben zu tragen. Es braucht vor allem Freundschaft und Brüderlichkeit. Es gibt Menschen, die verspüren selbst unter den schwierigsten Bedingungen noch Freude. Das ist auch ein Ansatz in meiner Lebensphilosophie, die gepaart ist mit Liebe. Aus dieser Kombination entspringt eine weitere Kraftquelle: die Zuversicht. Außerdem haben große Sänger wie einst Udo Jürgens oder auch Roland Kaiser verstanden, dass gute Schlager Lebenslieder sind. Der Lebensschmerz des Menschen wird dadurch gelindert, dass man eine gewisse Tiefe in Leichtigkeit verpackt. Wenn meine Musik das Placebo gegen Liebeskummer ist, dann habe ich meine Mission als Künstler erfüllt. Ich bin ein Lebensschmerzbegleiter. Manchmal hilft nur Lachen und manchmal nur Tanzen und dafür brauche auch ich Musik!
Wie sind Sie aufgewachsen?
Ich bin behütet aufgewachsen, weil wir eine geschlossene Truppe waren. Aber bei sieben Brüdern muss man schon überlegen – um zu überleben. (lacht) Mit der Kelly Family hatten wir in Frankreich mal eine Show, zu der wirklich kein Mensch gekommen war. Mein Vater wollte schon aufbrechen, als auf einmal ein Pärchen auftauchte. Da entschied mein Vater, dass wir das ganze Konzert jetzt nur für diese beiden spielen. Und es wurde die schönste Show, die ich in meiner Kindheit je erlebt habe. Ein Künstler ist sein Geld nicht wert, wenn er nicht bereit ist, auch für einen einzigen Zuhörer alles zu geben. Ich will nur für die Menschen da sein. Ich würde auch für einen einzigen spielen. Als ich als Kind Bruce Springsteen gesehen habe, hatte ich das Gefühl, er singe in dem Moment nur für mich allein. Das versuche ich auch in meinen eigenen Konzerten zu vermitteln. Ich habe schon als kleines Kind auf der Bühne und im Plattenstudie gestanden, was ich aber emotional gut verkraftet habe, indem man die Dinge ernst, aber nicht zu ernst nimmt (lacht). Wenn es um Herzschmerz oder Krankheiten geht, sind wir doch alle gleich. Eine Psychose kann jeder entwickeln. Ich will nicht mit Selbstmitleid anfangen, sondern lieber immer dankbar bleiben. Dankbarkeit und die Fähigkeit, sich helfen zu lassen, sind das beste Mittel gegen jede psychische Krankheit oder Angst.
Wie schaffen Sie es, die Balance zwischen Beruf und Privatleben hinzukriegen?
Ich halte die Waage, indem ich Nein sage. Ich habe einen tollen Manager, der letztens meinte: “Ich habe das Gefühl, du hast mich angeheuert, nur um Nein zu sagen”. Das Nein ist ein guter Freund der Muße. Die Stille ist mein bester Berater und Begleiter. Der Gedanke, dass Arbeit und Familie zwei verschiedene Welten sind, ist grundsätzlich falsch. Wer so denkt, führt ein Doppelleben. Ich bin da ganz anders aufgewachsen.
Bild: © Maite Kelly mit Christin Prizelius, Privat
Wie war die Erfahrung für Sie, eine Solokarriere zu starten? Woher nehmen Sie Ihre Ideen und Inspirationen für Ihre Texte?
Ich höre zu und halte die Augen offen. Das Leben ist die größte Inspiration. Ich stehe schon lange auf eigenen Füßen. Es war also kein richtiger Start einer Solokarriere, sondern eine konsequente Weiterentwicklung.
Haben Sie so etwas wie Rituale vor Auftritten? Was darf beispielsweise niemals fehlen?
Eine Umarmung mit meinem Team.
Was macht Ihnen an Ihrem Job am meisten Spaß, was macht Sie glücklich und was schafft dabei Erfüllung?
Menschen zu berühren, ihnen etwas mitzugeben, ihnen schöne Momente schenken. Das ist schon sehr viel.
Sie haben auch in Kooperation schon eine Kinderbuchreihe „Die kleine Hummel Bommel“ herausgebracht. Warum eine Hummel und was möchten Sie mit diesen Geschichten vermitteln?
Die kleine Hummel Bommel fliegt einfach, ohne darüber nachzudenken. Sie kann mit ihren kleinen Flügeln großes Gewicht tragen. Die Hummel ist das erste Insekt, welches nach dem Ende des Winters rausfliegt. Diese Figur ist mir manchmal erschreckend nah. Ich glaube sogar, dass die Hummel Bommel jedem nah ist, der unterschätzt wird. Es gibt viele kluge Menschen, die verkannt werden, weil sie vielleicht nicht klug wirken. Sie sehen nicht aus, als kämen sie von einem anderen Stern. Die kleine Hummel Bommel hat aber nicht das Gefühl, dass sie nicht fliegen kann. Erst als andere ihr das sagen, sucht sie sich Leitfiguren, die sie auf den Weg führen. Ich hatte Gott sei Dank im richtigen Moment immer die richtigen Leute. In Zeiten von Trump und Putin brauchen wir solche Leitfiguren. Mein Album ist ein Beispiel dafür, wie man in sich hineinlauschen und seine eigene Stimme hören kann.
“Freude kann man auch in den schrecklichsten, schmerzhaftesten Momenten empfinden. Freude transformiert den Schmerz. (…) Man muss sich auch mal dazu entscheiden, aktiv ein glücklicher und zufriedener Mensch zu sein.”
Sie zeigen außerdem sehr viel soziales Engagement, unter anderem für die Deutsche Krebshilfe. Wie machen Sie, nach dem Tod Ihrer Mutter und auch der Krebserkrankung Ihrer Schwester, anderen Menschen Mut? Wie achten Sie auf sich, um gesund zu bleiben?
Durch die Inhalte, die ich mit der Deutschen Krebshilfe erarbeite, hoffe ich, Menschen Mut zu machen, aber auch Vorbild zu sein. Ich gehe regelmäßig zur Vorsorge. Heutzutage kann man so viel machen, wenn man Symptome rechtzeitig erkennt.
Inwiefern spielt Glück für Sie eine Rolle?
Ich mag das Wort “Happiness” nicht so gerne, weil es von “Happening” kommt. Das bedeutet, dass Gefühle von Äußerlichkeiten beeinflusst werden. Das ist mir nicht tief genug! Es gibt in der Bibel ein Wort, das ich sehr liebe: Freude. Freude kann man auch in den schrecklichsten, schmerzhaftesten Momenten empfinden. Freude transformiert den Schmerz. Freude ist die Zwillingsschwester von Demut. Man muss sich auch mal dazu entscheiden, aktiv ein glücklicher und zufriedener Mensch zu sein.
Maite Kelly rät dazu, niemals Angst vor Rückschlägen zu haben und die Chancen zu ergreifen. Mit ihren Liedern gibt sie Impulse, um das schönste Gefühl der Welt zu verstehen – mit allem, was es im Positiven wie im Negativen beinhaltet. Die Vollblutmusikerin hat ihr Talent zum Schreiben hier ebenfalls stärker denn je ausgelebt. Die deutsch-irische Sängerin ist das zweitjüngste Kind der Kelly Family, stand bereits früh gemeinsam mit der Familie auf der Bühne und startete später ihre Solokarriere. Außerdem ist sie Mitautorin von “Die kleine Hummel Bommel”.
Bild: © Julian Freyberg
Mehr zu Maite Kelly unter www.maitekelly.de sowie über ihr Engagement für die deutsche Krebshilfe, was sehr wichtig für sie ist, HIER.
Das ganze Interview wurde in einer vorherigen Ausgabe vom Magazin Pure & Positive veröffentlicht.