Gemeinsam für eine bessere Welt

Für Veränderungen beginnt alles in mir!

Christin Prizelius | 23.04.25 | Interview mit Miriam Höller | © Martin Miseré

Miriam Höller ist u.a. Ex-Stuntfrau, Top-Keynote-Speakerin, Spiegel-Bestseller-Autorin und ehemalige Germanys next Topmodel-Kandidatin. Mit uns spricht sie über das größte Learning in ihrer Karriere, ihr neues Buch, den Umgang mit Herausforderungen, Risiken und Angst und wie man Mut, Hoffnung, Vertrauen und vor allem Lebensfreude gewinnt.

Liebe Miriam, du schaust bereits auf ein spannendes Leben und auf eine beeindruckende Karriere zurück. Was liebst du am meisten an dem, was du tust und mit welchen Gedanken blickst du auf all das bisher zurück?

Ich glaube, dass es darum geht, Menschen zu bewegen! ich habe damals als Stuntfrau gearbeitet und fand es schon so schön, die Kinder im Publikum zu sehen, die im Anschluss zu den Actionhelden, also zu uns, gekommen sind und gesagt haben: Ich werde auch irgendwann mal ein Actionheld! Damals dachte ich schon: Wow, durch eine Show kann man so viel in Menschen erwecken! Ob das jetzt Träume sind oder schlussendlich dieser Mut, den man dann auch braucht, um in die Handlung zu kommen. Das ist der gleiche Antrieb, den ich heute auch als Vortragsrednerin habe. Ich muss jetzt nicht mehr von Kopf bis Fuß brennen oder aus Flugzeugen springen, aber zu sehen, was ich mit meinen Worten heute bei den Menschen bewegen kann, ist ein großer Antrieb. Damals ging es mir so schlecht und ich wusste nicht mehr, wo oben und unten ist und ob ich überhaupt bzw. wie ich aus diesen dunklen Gedanken wieder rauskomme, aus dieser schlimmsten Zeit meines Lebens. Ich war auf Menschen angewiesen, die mich vielleicht nur mal umarmt haben, die gute Worte für mich oder Lösungsansätze hatten. Deswegen nehme ich meine Rolle als Vortragsrednerin schon sehr, sehr ernst und gleichzeitig ist auch der Antrieb, Menschen zu bewegen, der gleiche geblieben.

„Der Verlust von meinem Lebenspartner hat mich gelehrt, dass alles irgendwo auch endlich ist und dass wir viel mehr im Jetzt leben sollten, anstatt zu sehr über die Vergangenheit nachzudenken oder zu viel in die Zukunft zu träumen, sondern vielmehr das Heute zu genießen.”

Was würdest du sagen, was bisher das größte Learning?

Es gibt so viele Lehren, die ich gezogen habe, vor allen Dingen aus den schmerzhaftesten Situationen. Eine davon war mein Unfall. Ganz klar, da lag die Verantwortung bei mir und ich wusste genau, wo meine Grenzen sind, aber ich habe sie trotzdem überschritten. Einfach diesen Drang zu haben, doch irgendwo Anerkennung zu bekommen für außergewöhnliche Leistungen und dadurch über seine Grenzen hinaus zu handeln, hat mich zu meinem Unfall gebracht. Der Verlust von meinem Lebenspartner hat mich gelehrt, dass alles irgendwo auch endlich ist, und dass wir viel mehr im Jetzt leben sollten, anstatt zu sehr über die Vergangenheit nachzudenken oder zu viel in die Zukunft zu träumen, sondern vielmehr das Heute zu genießen. Ich könnte so viele Lehren aufzählen: Wer ist wirklich für dich da, wenn du am Boden liegst?! Als Mensch, der immer im Rampenlicht gestanden hat, hast du sehr viele Freunde und Menschen um dich herum, die sich dann auch in deinem Licht sonnen wollen und etwas von diesem Luxusleben sowie von den vielen Reisen und Veranstaltungen ein Häppchen abhaben wollen. Auch das war für mich eine große Lehre. Deswegen habe ich heute so ein kraftvolles Umfeld, weil ich genau weiß, wer für mich da war, als ich eine Zeit lang mal „nicht leisten” konnte. Ich war immer schon sehr leichtfüßig, fast schon naiv. Das sehe ich heute auch bei anderen Menschen, was ja aber auch schön ist. Das vermisse ich manchmal schon an mir, dass ich viel vom Herzen her in den Kopf gegangen bin und mich immer wieder erinnere: Miriam, genieße einfach, sei wieder leichtfüßiger! Aber das macht das Leben einfach auch mit uns. Ich glaube, dass wir Dinge eintauschen. Wir tauschen unsere Schönheit im Sinne von unserer Jugend und Leichtigkeit vielleicht gegen Souveränität ein und gegen ein Bewusstsein für das Leben. Deswegen finde ich das Leben auch so spannend. Du brauchst nicht festhalten an dem, was du irgendwann mal hattest, sondern es geht darum, dass es vielleicht auch ein wertvolles Eintauschen der Dinge ist.

Bild: © Miriam Höller Skydive Hawaii

Aber all das sind auch nur meine Lehren. Christin, weißt du, ich glaube, dass jeder Mensch seinen eigenen Weg geht und seine Lehren zieht. Was ich nur interessant finde ist: Ich beschreibe das immer gerne mit den Emojis, die wir auf dem Handy haben. Es gibt mehr negative als positive und ich habe mich immer gefragt, warum eigentlich?! Aber klar, wenn wir Freude haben und das Leben genießen, wann stellen wir uns dann selber mal wirklich in Frage und wann wachsen wir Menschen wirklich?! Wann werden wir mutiger? Nämlich genau in den Momenten, wenn wir entweder eigenständig aus der Komfortzone herausgehen oder vom Leben aus der Komfortzone rausgetrieben werden. Und deswegen finde ich es so spannend, was Wut, Ärger und Selbstzweifel mit uns machen können. Das sind alles Emotionen, die, wenn sie in uns hochkommen, uns zu diesem Reflektieren oftmals zwingen. Dann hast du einfach die Möglichkeit, dich selber, und auch das Leben, besser kennenzulernen und somit dann auch wieder bewusster durchs Leben zu gehen.

Auch der Tod macht ja erst das Leben erst wertvoll. (…) Erst Grenzen schaffen Wert.”

Das Positive, das Glückliche, das Fröhliche kann man dadurch schätzen lernen, dass man weiß, dass es auch das Negative und das Traurige gibt.

Ja, genau. Der Wert liegt im Gegensatz. Weißt du, wenn du wirklich mal einsam gewesen bist und lange Single warst, lernst du die Zweisamkeit, wenn du sie dann wieder hast, wahnsinnig zu schätzen. Oder wenn du deine Gesundheit verloren hast, weißt du erst, wie es ist, mal eben die Treppe runterzulaufen, weil du im untersten Stock dein Aufladegerät vergessen hast. Leider ist es so, dass wir Menschen oft erst aus dem Schmerz heraus lernen. Wenn du mal etwas vergessen, verloren und dann wiedergefunden hast, weißt du es ganz anders wertzuschätzen. Das lebe ich gerade. Auch der Tod macht ja erst das Leben erst wertvoll. Weißt du, wenn wir alle bei 25 Jahren stehen bleiben und ewig jung, schön, ewig kraftvoll und gesund sein würden, das Leben kein Ende hätte und du auch unendlich Chancen hättest, dich selbst immer wieder neu zu erfinden, hat das alles keinen Wert. Erst Grenzen schaffen Wert. Das habe ich für mich auch gelernt. Dadurch, dass du weißt, dass auch du irgendwann aus dem Leben gehen wirst, zeigt es: Okay, meine Zeit ist begrenzt und somit wertvoll. Deswegen ist eine der wertvollsten Aufgaben, die wir haben, sich die Frage zu stellen, wie ich eigentlich die Zeit, die mir zur Verfügung gestellt wird, nutzen möchte. Ich war immer diejenige, die gesagt hat, dass ich das Maximum aus meinem Leben rausholen möchte. Ich möchte alle Farben sehen. Ich möchte alle Dinge mal geschmeckt, gesehen und mich auch in den unterschiedlichsten Rollen erlebt haben, sodass ich dann irgendwann aus dem Leben gehe und sage: Wow, es war so farbenfroh, es war so viel, so aufregend, es war so schön. Ich habe so viel gelernt. Und das auch wieder vom Schmerz bis hin zu den wunderschönsten Momenten. Ich werde definitiv nicht aus dem Leben gehen und sagen: Ach, wäre ich mal mutig gewesen oder hätte ich doch mal die Weltreise gemacht. Hätte ich doch mal… Darauf passe ich schon auf, dass ich nichts auf der ..to do Liste” offen lasse (lacht).

Bild: © Greator, Miriam Höller

‚Ich war immer sehr davon fasziniert, was wir Menschen leisten können, wenn wir mutig sind.”

Als du als dann Stuntfrau gearbeitet hast, hatte das ja nun wirklich viel mit Mut zu tun. Was war denn da für dich das Schönste, aber gleichzeitig auch die größte Herausforderung?

Ja, das glaubt man immer, dass man als Stuntfrau besonders mutig sein muss. Es ist aber Training. Ich kann dich auch mit einem Auto anfahren. Wenn ich dir erkläre, wie das geht, wirst du auch eine gute Stuntfrau werden. Oder ich kann dich anzünden und dann brennst du auch mal von Kopf bis Fuß. Das sind keine besonderen Fähigkeiten. Was dahintersteckt ist aber einfach die Passion für Action, Abenteuer und vor allen Dingen, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Ich war immer sehr davon fasziniert, was wir Menschen leisten können, wenn wir mutig sind. Ich stand so häufig in 12 Metern Höhe auf einem Gebäude und hatte Angst, denn wenn ich da runter springe, könnte ich mir mein Genick brechen. Es kann so viel passieren. Aber dann da ruhig stehen zu bleiben und zu sagen: Mensch, ich habe doch die letzten Monate gelernt, wie es ist, aus dieser Höhe zu springen und du kannst das, du kannst dich auf dich verlassen. Du hast es trainiert. Immer wieder seine Grenzen auszutesten, wo sie gerade liegen, ist das, woran man wächst. Und sich zu sagen: Ich bin zu so viel mehr fähig, wenn ich diesen Schritt über die Angst wage. Ich glaube, dass die meisten Menschen vieles nicht wagen, sondern sich sagen: Davor habe ich Angst, das mache ich nicht, das wird nicht gut. Dann kommt aber irgendwann dieses: „Ach, hätte ich mal…”, von dem ich gerade gesprochen habe. Deswegen habe ich gerne Dinge ausprobiert und gewagt. Auch wenn ich gescheitert bin, habe ich trotzdem neue Informationen bekommen. Das ist für mich diese Dynamik des Lebens. Das ist für mich dieses „nah an mir selber und am Leben dran zu sein”, anstatt immer der Mensch zu sein, der ich eh schon bin. Das wäre mir zu konturlos.

Was würdest du sagen, war der „Hauptswitch” dafür, mit dieser Angst und den Risiken umgehen zu können? Was sagst du den Menschen, wenn du auf der Bühne stehst und die Hallen füllst, wie man es schafft? Was gibst du davon in deiner Speakerarbeit jetzt auch von weiter? Was sagst du da?

Da sind wir Menschen natürlich sehr unterschiedlich. Ich hatte zum Beispiel kürzlich wieder einen Vortrag und danach haben die Leute immer die Möglichkeit, mir Fragen zu stellen. Da kam dann eine Frau zu mir, die mir sagte, sie habe wahnsinnig Angst, Menschen anzurufen. Wahnsinn, vor was Menschen Ängste haben können! Das ist für mich zum Beispiel so normal, mein Handy in die Hand zu nehmen und auch nach Hilfe zu fragen. Allerdings konnte ich das früher auch nicht so gut, weil ich immer alles alleine schaffen wollte. Ich sagte ihr, die einzige Möglichkeit, diese Angst loszuwerden, ist es immer wieder zu machen. Also ruf so viele Menschen wie möglich an! Wir denken so oft in wahnsinnig schlimmen Szenarien, was dann aber gar nicht eintritt. Wir denken uns das Schlimmstmögliche aus, um der Gefahr zu entgehen, oder auch Ausreden für uns zu haben, es nicht zu tun. Das fand ich immer so spannend. Dann habe ich es erst recht gemacht (lacht). So habe ich auch ein sehr gutes Selbstwertgefühl aufgebaut und ein sehr gutes Selbstbewusstsein. Auch wenn ich durch das Eis breche, weil das das Schlimmste ist, was nun mal passieren kann, bin ich trotzdem fähig zu schwimmen. Deswegen bleiben die meisten Menschen mit dem Kopf in diesen schlimmen Szenarien, weil sie nie gelernt haben, zu schwimmen. Und du lernst das Schwimmen, indem du auch mal durch das Eis brichst.

„Deswegen sehe ich es heute auch schon fast als meine Verpflichtung und meine Berufung an, anderen an den schlimmsten Tagen und bei den schmerzhaftesten Erlebnissen einen Sinn zu geben. (…) Ich habe dieses Kästchen genommen, es mir ganz genau angeschaut, warum es mir so wehgetan hat und in welchen Illusionen ich gefangen war, und habe gedacht: Okay, das Leben wird mich beschenken, weil ich ein guter Mensch bin und fleißig arbeite.”

Was macht das mit dir, wenn du auf einer Bühne stehst und von deinen eigenen Erlebnissen erzählen kannst? Du weißt, die Zuschauer hängen an deinen Lippen, sie spüren deine Energie und wollen etwas mitnehmen von dem, was du zu sagen hast. Was macht das mit dir, dass du mit so vielen Menschen dein Erlebnis teilen kannst und sie auch berührst?

Das macht natürlich sehr, sehr viel mit mir. Ob es jetzt das Buch ist, das ich geschrieben habe, oder meine Vorträge sind. Ich bekomme Emails, wo mir die Menschen schreiben, dass sie jetzt ihr Leben in die Hand nehmen und mutige Entscheidungen treffen, weil sie durch meinen Schmerz erstmal gemerkt haben „Oh, ich bin mit diesen Herausforderungen im Leben nicht alleine. Da gibt es andere Menschen, die ähnliches erlebt haben!” Bei meinen Vorträgen bin ich sehr nah an den Menschen dran. Das sind dann keine geschriebenen Worte, sondern die Menschen halten meine Hand, möchten mich umarmen, stehen weinend vor mir und erzählen mir ihre Geschichte. Oft sehe ich mich dann selbst, wie ich damals Halt und Orientierung gesucht habe. Deswegen sehe ich es heute auch schon fast als meine Verpflichtung und meine Berufung an, anderen an den schlimmsten Tagen und bei den schmerzhaftesten Erlebnissen einen Sinn zu geben. So viele Menschen bleiben manchmal stehen, schauen in ihre Vergangenheit und sagen: Das hat mir so wehgetan, ich packe das in ein Kästchen und dieses Kästchen schiebe ich ganz tief unter mein Bett. Da gehe ich nie wieder ran, weil mir das so wehgetan hat. Was ich aber gemacht habe, ist wieder einmal mutige Entscheidungen zu treffen. Ich habe dieses Kästchen genommen, es mir ganz genau angeschaut, warum es mir so wehgetan hat und in welchen Illusionen ich gefangen war, und habe gedacht: Okay, das Leben wird mich beschenken, weil ich ein guter Mensch bin und fleißig arbeite. Ich habe richtig aufgeräumt und wenn du aufräumst, bekommst du klare Gedanken, dann hast du einen klaren Weg vor dir und kannst somit auch andere Menschen mitziehen. Weißt du, ich bin heute einfach vielen Menschen einen Schritt voraus und trage in mir Antworten oder auch eine gewisse Stärke, die diese Menschen gerade suchen. Und so gehe ich auch raus und schaue mich immer wieder um: Welche Bücher kann ich lesen? Mit welchen Menschen kann ich mich unterhalten? Weil es da draußen auch so viele Menschen gibt, die mir wiederum einen Schritt voraus sind. Das, finde ich, macht Leben und Begegnungen auch so besonders, dass wir einfach auf Menschen treffen und uns austauschen. Deswegen gibt es so tolle Podcasts, wie was wir jetzt hier aufnehmen (Folge #44).

Du hast ja auch wahnsinnig viel Arbeit mit dem, was du tust, aber es hat einen Wert! Und dieser Wert steckt oft in unserer Vergangenheit und in dem, dass wir das Schlimmste überwunden haben und somit Leben besser verstanden haben. Ich kann entweder Opfer meiner Umstände sein und sagen: Meine Eltern waren Alkoholiker, aus mir konnte auch nur ein Alkoholiker werden. Oder ich habe nie Liebe erfahren, deswegen kann ich heute meine Kinder nicht lieben und es weitergeben. Das ist alles Opfersprache. Ich kann aber sagen: Ich habe mich mit diesen Themen beschäftigt, meine Eltern waren damals vielleicht nicht fähig, es besser zu machen, aber ich mache es heute besser. Und ich lerne, was Liebe wirklich ist. So kann ich das meinen Kindern weitergeben. Das ist Arbeit! Das ist richtig Arbeit, die auch nie wirklich aufhört. Sich mit sich selbst zu beschäftigen, um dann wiederum ein kraftvoller Mensch zu sein, und Gutes weiterzugeben. Das ist Training, das ist Arbeit. Verantwortung zu übernehmen ist anstrengend! Ich kann sofort sagen, wenn ich mich mit einem Menschen unterhalte, ob ich mit einem Opfer oder mit einem Menschen spreche, der Verantwortung für sich und sein Leben übernimmt und das auch will. Dann habe ich auch Freude daran, diesen Menschen zu helfen, weil wir nicht alles wissen können. Wir können nicht von jetzt auf gleich ein Superheld sein. Das ist Arbeit. Und deswegen habe ich so einen großen Respekt vor den Menschen, die nicht das besagte Kästchen unterm Bett liegen lassen, sondern es rausnehmen und sagen: Ich stehe heute hier in meinem Leben, ich habe schon ganz viel verstanden, aber an gewissen Dingen scheitere ich nach wie vor, bitte hilf mir dabei. Und das ist dann wirklich ein schönes Miteinander. Nur die Entscheidung, ob du Opfer deines eigenen Lebens und der Umstände bist, oder Verantwortung übernimmst und sagst “Ich will ja in Zukunft glücklich sein, ich möchte ein tolles Leben haben”, liegt bei dir. Das ist eine Entscheidung, die nimmt dir nie einer ab. Das ist eine Entscheidung, die du ganz alleine für dich triffst. Übrigens jeden Tag aufs Neue. Du kannst jeden Tag entscheiden, bin ich heute wieder Opfer und meckere und jammere, oder sage ich “Jetzt erst recht”.

Bild: © Privat

In deinen Vorträgen behandelst du Themen wie Motivation, Resilienz und Umgang mit Veränderungen. Was ist die Hauptbotschaft an dein Publikum?

Die Hauptbotschaft ist ganz sicher, mutige Entscheidungen zu treffen. Da haben wir gerade sehr, sehr viel drüber gesprochen. Dann ist es völlig egal, ob es in deinem Privatleben oder im Berufsleben ist, wenn du ein Unternehmen führst oder selbstständig bist. Wir kommen nur weiter, wenn wir mutige Entscheidungen treffen und dann aber auch die Verantwortung tragen, wenn wir scheitern. Ob wir die Opferrolle einnehmen nach dem Motto: „Lass das Leben entscheiden, irgendjemand wird mich bald mal retten”. Oder sagen, ich nehme es wirklich selber in die Hand, weil das Fundament, auf dem ich heute stehe, auf dem ich mich heute so kraftvoll fühle und auf dem ich auch keine Angst mehr vor der Zukunft habe, ein gutes ist. Warum ich dem Leben mit Respekt begegne, aber trotzdem mit viel Neugier, wissend, dass, egal was mir im Leben wieder weggenommen wird, da trotzdem eine Schönheit in der Zerstörung liegt. Deswegen ermutige ich immer wieder zum „Leben lernen”. Lerne wirklich mit dem Schmerzhaftesten umzugehen. Und wenn es gerade gut läuft, weil es sich privat und beruflich leicht anfühlt, genießen, weil es ist nur eine Frage der Zeit. Das ist das Leben. Die nächste Herausforderung kommt.

Mir ist bewusst, ich kann nicht von jetzt auf gleich die ganze Welt retten, was ich aber machen kann, ist in meinem Umfeld und mit meinen Möglichkeiten die Menschen positiv zu beeinflussen und zu hoffen, dass sie durch mich so viel gelernt haben, dass sie es weitertragen und an ihr Umfeld weitergeben.”

Wie schaffst du es, wenn du auf alles im Leben schaust, auch bei all den Unruhen in der aktuellen Zeit, optimistisch zu sein, und immer wieder Mut, Hoffnung, Vertrauen und Lebensfreude zu gewinnen? Was ist da deine Strategie?

Ich bekomme das natürlich auch mit, was in unserer Welt passiert. Es hat ja mit Corona angefangen, da sind wir ordentlich wachgerüttelt worden. Der Krieg, der so nah ist, die Menschen, die sich dadurch auch verändert haben. Und wenn es einen Menschen gibt, der gerne sein Action-Kostüm anziehen und die ganze Welt retten möchte, dann bin ich das. Ich habe dann aber schnell gemerkt, dass ich nicht die ganze Welt retten kann, sondern meine Aufgabe ist in erster Linie, auf mich aufzupassen. Wenn ich etwas verändern, etwas aufbauen, wenn ich Menschen bewegen möchte, dann beginnt alles bei mir. Und das ist auch wieder diese Selbstreflexion: Was tut mir gut? Wo ziehe ich meine Energie her, dass ich diese auch weitergeben kann? Bin ich kraftvoll? Kann ich, wie gesagt, da draußen etwas verändern? Mir ist bewusst, ich kann nicht von jetzt auf gleich die ganze Welt retten, was ich aber machen kann, ist in meinem Umfeld und mit meinen Möglichkeiten die Menschen positiv zu beeinflussen und zu hoffen, dass sie durch mich so viel gelernt haben, dass sie es weitertragen und an ihr Umfeld weitergeben. Diesen Anspruch habe ich auf jeden Fall losgelassen, die ganze Welt retten zu müssen, viel mehr möchte ich ihnen beibringen, sich selbst zu retten.

Wir unterschätzen so häufig, wie wertvoll wir für andere Menschen sind. Weißt du, als es mir damals so schlecht ging, war es ein entfernter Bekannter, den ich vielleicht zwei, dreimal getroffen habe, der mir eine nette Nachricht geschrieben hat. Aber diese eine Nachricht kam zum richtigen Zeitpunkt, in dem Moment, als ich im Bett lag und nicht weiter wusste. Er hat einfach nur irgendetwas geschrieben, was aber so etwas Großes bei mir verändert hat. Vielleicht war ihm das gar nicht bewusst, aber es hat in mir etwas bewegt. Deswegen versuche ich es auch, aber nicht in Perfektion. Ich bin auch mal genervt, gestresst und müde, bin auch nicht immer die beste Version meiner Selbst, aber ich versuche, wenn ich auf Menschen treffe, mir immer bewusst zu machen, dass ich einen Einfluss auf diesen Menschen habe. Ich möchte natürlich im besten Fall, dass, wenn wir wieder auseinandergehen, dieser Mensch durch mich etwas gespürt hat, dass es ihm anschließend besser geht.

© Martin Miseré

„Ich dachte, du musst nur ein guter Mensch sein und fleißig genug arbeiten, und dann wird das Leben dich beschenken. Und das ist nicht so. Das Leben hat ganz eigene Spielregeln und die gilt es zu verstehen. Und die sind simpel. Es gibt einen Anfang und es gibt ein Ende. Alles dazwischen ist ein Auf und Ab und total unsicher. Du weißt nicht, was dir als Nächstes passiert. Jetzt gilt es aber, diese Spielregeln richtig zu verstehen und das Spiel richtig zu spielen.”

Du hast gerade das Buch „Das Leben ist ungerecht. Und das ist gut so” rausgebracht. Warum dieser Titel und was ist die Botschaft dieses Buches? Bitte nimm uns doch auch da mal kurz mit.

Ich habe acht Jahre an meinem Buch geschrieben. Das war wirklich wahnsinnig viel Arbeit. Ich habe aber auch aus therapeutischen Zwecken geschrieben, weil ich gar nicht wusste, wohin mit meiner Wut, mit meiner Traurigkeit und mit mir selbst. Das merkst du ja auch selbst, dass irgendwas in dir hochkommt. Dein Körper spricht zu dir, dir wird schlecht, du hast Kopfschmerzen, du bist überfordert. Und ich wusste nicht, wohin, weil rennen konnte ich nicht. Ich saß ja im Rollstuhl. Dann hat mir damals eine Krankenschwester gesagt: Fang an zu schreiben, schreib all deine Gedanken auf. Das habe ich auch gemacht. So ist dann schlussendlich acht Jahre daraus geworden, bis ich irgendwann gesagt habe, dass ich diese Worte veröffentlichen möchte, weil schon wertvolle Gedanken dabei sind. Der Titel ist ganz zum Schluss entstanden, weil ich mich gefragt habe, was denn jetzt die größte Lehre daraus ist oder was soll wirklich auf meinem Buch stehen? Für mich war es dieses große Unverständnis für das Leben, wie ungerecht es ist. Ich habe mich so ungerecht vom Leben behandelt gefühlt, weil ich so viel in meine Passion als Stuntfrau gesteckt habe. Ich habe so hart gearbeitet, so viele Rückschläge eingesteckt. Auch dieses Mann-Frau-Verhältnis und nicht ernst genommen zu werden. Ich habe so viel getan, um wirklich die beste Stuntfrau zu sein. Und ein Fehler nimmt mir diese Passion, das war ja nicht nur mein Job, das war mein Lebensweg. Warum macht das Leben das nun mit mir? Und ich habe so viel investiert in meine Beziehung. Jeder weiß, Beziehungen sind auch nicht immer leicht, aber auch das zu überwinden und daran zu arbeiten und du investierst und machst und tust. Das Leben kann mich doch nur beschenken. Und dann tut das Leben das eben nicht. Das war so eine Illusion, in der ich gelebt habe.

Wie ich es gerade sagte: Ich dachte, du musst nur ein guter Mensch sein und fleißig genug arbeiten, und dann wird das Leben dich beschenken. Und das ist nicht so. Das Leben hat ganz eigene Spielregeln und die gilt es zu verstehen. Und die sind simpel. Es gibt einen Anfang und es gibt ein Ende. Alles dazwischen ist ein Auf und Ab und total unsicher. Du weißt nicht, was dir als Nächstes passiert. Jetzt gilt es aber, diese Spielregeln richtig zu verstehen und das Spiel richtig zu spielen. Deswegen sagte ich gerade, in den tiefsten Momenten, wenn du nicht mehr weiter weißt, wenn du wirklich aufgeben willst, da entscheidet sich, wer du im Kern wirklich bist. Jetzt gilt es zu kämpfen und die Schönheit in der Zerstörung zu finden! Das Leben ist ungerecht. Und das ist auch gut so. Man hat das Gefühl „Ich bin ungerecht behandelt worden”, ist man aber nicht. Das Leben hat dir nie gesagt “Ich werde gut zu dir sein”. Das Leben ist unsicher. Aber in der Unsicherheit bestehen zu können und mit unplanbaren und unvorhersehbaren Veränderungen umgehen zu können, ist deine innere Stärke, das ist deine innere Kraft, das ist deine Souveränität. Wie du dann irgendwann im Leben stehst und fast schon sagst: Leben komm, ich bin bereit, gib mir die nächste Herausforderung! Auch die werde ich schaffen, weil ich weiß, die wird mich fordern, die wird mich formen, aber die wird mich auch noch stärker machen, als ich heute bin.

Danke dafür, dass du all das so persönlich mit uns teilst.

Gerne. Auch hier habe ich mir die Frage gestellt, packe ich es ins Kästchen und schiebe es unters Bett und spreche nie wieder darüber. Aber immer wieder hat das Leben mich neu ausgerichtet und gesagt, nein, du hast diesen Schmerz nicht überwunden, um jetzt eine Hundepension aufzumachen oder Friseurin zu werden. Nichts gegen diese Berufe, die sind auch wertvoll, nur meine Lebensgeschichte ist eine andere, und in ihr steckt eine absolute Kraft. Und das ist auch das, was ich immer wieder den Menschen sage. Die Momente, wo du wirklich einen Schmerz erlebst, wo du richtig Angst hast, wo du mit zitternden Beinen dastehst und nicht weiter weißt, bist du am genau richtigen Platz, um Verantwortung zu übernehmen. Da bist du am richtigen Platz, wo das Leben dir eine Frage stellt. Und dann geht es nicht um die Frage, sondern es geht um deine Antwort und wieder die Dynamik des Lebens aufzubauen. Du wirst Jahre später auf diesen Moment zurückschauen und sagen: Das habe ich geleistet, das habe ich geschafft und ich habe einen Wert gefunden für mich, aber auch für andere.

„Ich schaue mit Respekt und Zuversicht in die Zukunft, weil ich glaube, dass wir alle das brauchen. Pessimismus lässt uns stagnieren, lässt uns langsam werden, lässt uns träge sein.”

Du sagst, du hast acht Jahre daran geschrieben. Gab es denn auch Momente, wo das Schreiben so emotional und herausfordernd war, dass man doch mal dachte hinzuwerfen?

Ja, klar. Das Buch hatte irgendwann 700 Seiten und das war natürlich viel zu viel. Dann habe ich gekürzt und mich auch hier immer wieder gefragt, welche Kapitel sind die wertvollsten für die Leserinnen und Leser? Ich habe für mich geschrieben, hatte aufgeräumt und jetzt ging es darum, diesen Wert weiterzugeben. Also musste ich auch hier rausschmeißen und überlegen, was, wie gesagt, der größte Wert ist. Und ich hatte zunächst vor, die schmerzhaftesten Kapitel rauszunehmen, weil ich gesagt habe, dass das vielleicht zu intim ist und die Leute auch nichts angeht, was ich denke und fühle, wenn ich alleine im Bett liege oder meinen verstorbenen Lebenspartner verabschiede. Dann habe ich aber wieder dagesessen und mich an Gespräche erinnert. An Gespräche mit Menschen, die mir davon erzählt haben, was für schlimme Gedanken sie alleine im Bett hatten oder was sie erlebt haben, als sie ihren verstorbenen Lebenspartner verloren haben. Und deswegen versuche ich auch hier die Gesellschaft ein wenig aufmerksam darauf zu machen, dass wir weggehen von dieser leistungsorientierten Gesellschaft, von diesem „noch schöner werden und viel mehr von allem”, und hinzubringen zu „Erzähl mir von deinem Schmerz, von deinem Scheitern”. Was hast du gelernt und was kann ich von dir jetzt mitnehmen? Das hat einen ganz anderen Wert.

Mit welchen Gedanken schaust du auf die Zukunft? Was ist dir wichtig und was macht dich glücklich?

Ich schaue mit Respekt und Zuversicht in die Zukunft, weil ich glaube, dass wir alle das brauchen. Pessimismus lässt uns stagnieren, lässt uns langsam werden, lässt uns träge sein. Deswegen gehöre ich ganz sicher auch zu den Menschen, die diese Kraft, die ich heute in mir habe und mit mir trage, nach außen strahle — und das ganz bewusst, weil ich mehr und mehr merke, dass die Menschen Halt und Orientierung brauchen. Und mich machen wahnsinnig viele Dinge gerade glücklich. Meine Beziehung, mein Job. Es ist alles wirklich gerade sehr, sehr gesund und leicht. So fühlt es sich an. Und deswegen genieße ich das jetzt. Und wie ich es gerade auch schon gesagt habe, bin ich gerade an einem sehr guten Platz und ich habe gerade sehr, sehr schöne Zeiten, die ich wirklich einfach genieße. Zugleich weiß ich, wenn wieder eine Herausforderung kommt, dass ich diese dankend annehmen und gut meistern werde.

Das ganze Interview findest du HIER im Podcast.


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Miriam Höller sagt: „Am Ende meines Lebens möchte ich auf außergewöhnliche Erlebnisse, besondere Erfahrungen und wertvolle Begegnungen zurückschauen können und mir sagen: Was für eine großartige Reise! Und heute weiß ich auch: Egal, was dir im Leben passiert, du kannst wieder ein glücklicher Mensch werden! Und wenn ich das kann, dann kannst du das auch.

In ihrem Buch

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Und zu Miriam unter www.miriamhoeller.com

Bild: © Privat


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