Marleen Saborowski ist eine Frau mit vielen Facetten: Personalleiterin, Wirtschaftspsychologin, systemische Coachin, Trainerin und leidenschaftliche Mutmacherin. Was sie auszeichnet, ist nicht nur ihre Klarheit und Tiefe im Gespräch, sondern vor allem ihre wertorientierte Haltung – beruflich wie privat. Als Mitgründerin der Vereine „Würdevoll Mensch“ und „Liebevoll Ich“ ‑einer davon sogar in Österreich- setzt sie sich gemeinsam mit ihrer Mutter mit viel Engagement für eine bewusste und zukunftsorientierte Gesellschaft ein, die auf Würde, Eigenverantwortung und demokratische Grundwerte baut. In ihrem Wirken verbindet sie psychologisches Know-how mit einem tiefen Verständnis für menschliche Entwicklung und gesellschaftliche Prozesse. Wir haben mit Marleen über ihre Arbeit, Motivation und Vision gesprochen – und darüber, warum die innere Haltung eines jeden Menschen ein Schlüssel für gesellschaftlichen Wandel sein kann.
Welche Stationen waren für dich auf deinem Weg besonders prägend – und wie hat sich dein Blick auf deine Arbeit im Laufe der Zeit verändert?
Erst einmal danke, liebe Christin, dass du mich hier zu dem Gespräch eingeladen hast. Und ja, das ist eine gute Frage. Ich glaube, alle meine Stationen, die ich durchlaufen habe, waren immer wertvoll und haben mich weitergebracht, auch wenn sie vielleicht mal anstrengend oder herausfordernd waren. Trotzdem habe ich immer etwas davon mitgenommen und etwas gelernt, um mich weiterzuentwickeln. Aber prägend war für mich vor allem meine Zeit als Personal-Trainer, wo ich für die physische Entwicklung der Menschen verantwortlich war. Das hat mich sehr geprägt, weil ich gemerkt habe, dass ich in der Lage bin, Menschen „zu entwickeln” und sie mit meinem Wissen sowie meiner Art und Personality ein Stück weiterzubringen. Darauf hat das Ganze aufgebaut. Ich ergänzte es dann noch durch das Studium der Wirtschaftspsychologie, um den Kreis zu schließen. Es gibt schließlich nicht nur den Körper, sondern auch die Seele, den Geist und das Herz. Dafür war dieses Wirtschaftspsychologiestudium super und hat mich schließlich in die Personalarbeit gebracht, wo dann natürlich gewisse Stationen gefolgt sind und ich viel gelernt habe, u.a. beim Thema „Agiles Arbeiten”, wo ich in einer Firma war und gemerkt habe, dass es auch ohne Führungskräfte geht. Es gibt nicht nur diese Pyramide, in der einer oben sitzt und sagt, wo es lang geht. Man kann zwar grob vorgeben, was die Vision oder Mission ist, aber am Ende ist jeder für sich selber verantwortlich. Das war für mich ein ganz großer Aha-Moment, wo ich gemerkt habe, dass die Arbeitswelt auch anders funktioniert.
Erkennst du da bei den unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern und Projekten ähnliche Muster?
Das ist schwer zu beantworten. Das Einfachste wäre jetzt zu sagen, bei allen ab 50 ist das so oder so, aber tatsächlich gibt es ganz unterschiedliche Menschen und auch junge Zwanzigjährige, die nicht in der Lage sind, beispielsweise Eigenverantwortung mitzutragen. Es wäre jetzt leicht zu pauschalisieren, aber das möchte ich gar nicht. Es ist in jeder Altersschicht alles dabei und jeder hat seine Geschichte, die er mitbringt, sowie Glaubenssätze, die reglementieren können. Von daher glaube ich nicht, dass es für dieses Tätigkeitsfeld oder jenes Projekt eine bestimmte Alters- oder Geschlechterschicht mit bestimmten Mustern gibt. Die Branche ist aber schon mit ausschlaggebend, weil es klassische Branchen, wie in Hamburg die Seefahrt und Handelsleute, gibt und wo es eher hierarchisch aufgebaut ist. Dieses konservative Denken hat ja aber auch seine Vorteile. Ich glaube, hier einen Mittelweg zu finden sowie eine gute Balance, darum geht es am Ende des Tages.
Werte spielen in deiner Arbeit eine zentrale Rolle. Welche sind dir dabei besonders wichtig – und warum?
Zum Einen ist mir super wichtig, dass alles, was ich tue, aus Leidenschaft sowie mit Spaß und Freude geschieht. Wenn das nicht erfüllt ist, merkt man mir das eigentlich auch ganz schnell an. Ich habe Spaß, Leidenschaft und Freude am Schaffen, Kreieren und Gestalten. Aber auch Mut ist für mich sehr wichtig! Mut zu haben, neue Wege zu gehen, und nicht zuviel darüber nachzudenken. Das mag für viele vielleicht ein bisschen naiv klingen, aber ich sage mir: Was soll schon geschehen, wenn ich dies oder das mache?! Es kann mir doch eigentlich gar nicht viel passieren, außer dass ich vielleicht Zeit und Geld verliere. Ich lerne daraus, die Zeit ist also nicht vergebens gewesen. Mut hat mich immer schon begleitet. Selbst wenn es nicht gleich alles passt und man nochmal nachjustieren muss. Das ist vielleicht auch ein Wert, den ich habe, Optimismus und das Gute darin zu sehen, egal wie es ausgeht. Nicht alle Entscheidungen, die ich bisher getroffen habe, sind super gut gewesen. Manchmal läuft es halt auch einfach mal in eine Sackgasse. Aber hey, dann drehe ich mich eben um und nehme den anderen Weg. Das ist etwas, was mir in vielen Situationen schon geholfen hat. Das ist mir auch ein Anliegen, all das in Form von Bildung in Schulen in Unternehmen zu transportieren und zu sagen: „Es ist gut, wenn ihr etwas falsch macht!” Natürlich ist es für ein Unternehmen dramatisch, wenn auf einmal 2.000.000 flöten gehen, das will ich damit auch gar nicht sagen, aber lass den Leuten ihre gewissen Freiheiten! Fehler zu machen und zu sagen: Lass uns doch nochmal zusammen gucken, wie wir es das nächste Mal besser machen können, und was es gerade braucht.
„Das ist es am Ende des Tages, zu schauen, dass meine Krone gerade und fest auf meinem Kopf sitzt. Dann bin ich bei mir, dann bin ich ich und darf auch ich sein. Wenn ich mich selbst akzeptiere, respektiere und mich selber liebe, kann ich das auch nach außen geben — und auch andere so sein lassen, wie sie sind.”
Mit „Würdevoll Mensch“ setzt du dich für eine Gesellschaft ein, in der die Würde des Einzelnen und seine Eigenverantwortung im Mittelpunkt stehen. Was bedeutet für dich „Würde“ ganz konkret? Und was möchtet ihr mit dem Verein langfristig bewirken?
Würde bedeutet für mich, dass ich mir meiner eigenen Würde überhaupt erst einmal bewusst bin. Ich glaube, damit fängt alles an. Es fängt immer bei mir an! Alles, was ich tue, denke, fühle etc., kann ich erst dann nach außen geben, wenn ich mich selbst sehe, wenn ich weiß, wo meine Grenzen sind, und diese für mich selber regulieren kann: Bis hierhin und nicht weiter! Aber auch, dass ich genau weiß, was mir gut tut — und zu spüren, was eben auch nicht. Meine Mutter hat ein schönes Kinderbuch dazu geschrieben und das veranschaulicht es am Einfachsten. Wir alle haben eine unsichtbare Krone auf dem Kopf und sobald meine Würde verletzt wird, rutscht diese Krone. Manchmal fällt sie vielleicht sogar ganz runter. Es gibt ja auch diesen wunderschönen Spruch: Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten, weiterlaufen. Genau das ist es am Ende des Tages, zu schauen, dass meine Krone gerade und fest auf meinem Kopf sitzt. Dann bin ich bei mir, dann bin ich ich und darf auch ich sein. Wenn ich mich selbst akzeptiere, respektiere und selber liebe, kann ich das auch nach außen geben — und auch andere so sein lassen, wie sie sind. In Gesprächen mit Freunden und Arbeitskollegen erkenne ich außerdem, dass die „Schuld” oft bei anderen und im Außen gesucht wird, und mittlerweile wenig die Interaktion mit sich selber gesucht wird und sich zu fragen, welchen Anteil man selbst an der Situation hat. Sich bewusst zu werden, dass bei allem, was passiert, ich Teil des Systems bin und eine Handlungsfähigkeit habe. Da kommen wir auch wieder zur Eigenverantwortung. Ich bin Teil des Ganzen. Das heißt jetzt nicht, dass wir uns alle lieb haben und in den Arm fallen müssen, sondern, dass wir uns auf Augenhöhe begegnen sollten, auch wenn du eine andere Meinung hast, als ich, und dass ich sagen kann: Okay, das kann ich jetzt vielleicht nicht ganz nachvollziehen, aber ich kann es akzeptieren. Das ist für mich ein großer Unterschied. Das ist irgendwie sehr verloren gegangen, aber wir versuchen, es wiederzubeleben. Das Wort „Würde” steht ja auch in unserem Grundgesetz und genau da möchten wir wieder ansetzen und sagen: „Lasst uns dieses Wort nicht verlieren, es ist so kraftvoll und das ist vielen nicht bewusst. Ganz viele wissen nicht, was sie mit diesem großen Wort anfangen sollen und verwechseln es mit Respekt. Ich sage aber NEIN! Respekt ist etwas anderes, das ist für mich der Umgang miteinander. Würde fängt aber beim Fühlen, Handeln, Denken und bei mir an. Respekt gehört auch dazu, aber ich denke, Respekt folgt auf Würde. Würde ist eine Haltung, die ich mitbringe.
Und das andere große Thema ist „Demokratie und Menschenrechte” — auch Kinderrechte gehören dazu. Und auch da sind wir wieder bei der Eigenverantwortung. Am Ende des Tages kannst du nicht immer nur sagen, andere sind Schuld, das Außen, die Politik oder die Umstände. Irgendeiner wird immer schuldig sein in deinen Augen. Viel mehr bist DU aber der- oder diejenige, die etwas ändern kann und niemand anders! Du kannst im Kleinen anfangen! Man kann sich darüber aufregen, wie schlimm die Welt gerade ist, aber wenn man bei sich zu Hause anfängt, etwas zu verändern, ist das schon der erste Schritt. Indem ich meinen Kindern einen würdevollen und respektvollen Umgang sowie den Mut und das Selbstvertrauen vermittle, ihr Leben zu leben. Dann ist für mich in meiner kleinen „Bubble” schon viel passiert. Das ist mein Wirkkreis, den ich für mich selber habe. Und dazu wollen wir die Leute ermutigen, wieder in dieses Bewusstsein zu bekommen. Du kannst etwas bewirken, du kannst das und musst nicht darauf warten, dass vom Himmel irgendetwas runtergeregnet kommt. Wir haben dafür auch noch eine Akademie gegründet, wo wir sagen, wir gehen in Unternehmen und begleiten ihren Wandel hin zu eigenverantwortlichen Mitarbeitern. Zu mehr Kreativität, Innovation und allem, was so ein bisschen verloren gegangen ist über die letzten Jahre. Das wollen wir wieder ankurbeln, aber gehen auch in Kitas und Schulen und fangen genau da an, was ich gerade meinte. Wir bilden Kinder zu Würdebotschaftern aus, gehen in die Klassen, sprechen mit den Lehrern und geben ihnen Materialien an die Hand, um genau dieses Thema mit den Kindern weiter voranzutreiben. Aber wir gehen auch an die Eltern ran, indem wir Elternabende anbieten, damit das Thema auch zu Hause präsent sein kann.
„Wir sind alle gleichzeitig zu dieser Zeit jetzt hier auf diese Erde gekommen und haben nur das eine Leben. Lasst uns das doch gemeinsam rocken! Warum können wir nicht alle gemeinsam Spaß haben bei dieser ganzen Geschichte?!”
Es greift alles ineinander und das ist auch unser großes Ziel zu sagen: Lasst uns wieder eine Gemeinschaft werden! Es gibt doch auch diesen Spruch: „Es bedarf eines ganzen Dorfes, um ein Kind zu erziehen oder großzuziehen!” Und da geht es wieder los: Wir brauchen uns alle gegenseitig. Nicht nur, um Kinder zu erziehen, sondern auch, um uns selbst zu entfalten. Es ist so wichtig, dass wir da wieder hinkommen, uns gegenseitig zu sehen, zu wertschätzen und anzuerkennen. Wir sind alle gleichzeitig zu dieser Zeit jetzt hier auf diese Erde gekommen und wir haben nur das eine Leben. Lasst uns das doch gemeinsam rocken! Warum können wir nicht alle gemeinsam Spaß haben bei dieser ganzen Geschichte?!

Bild: © Privat
An wen richtet sich euer Angebot? Wer darf sich von euren Angeboten angesprochen fühlen?
Auch hier würde ich wieder sagen, dass sich jede und jeder gerne angesprochen fühlen darf. Wir freuen uns über alle, die gerne bei uns Mitglied werden möchten. Dadurch, dass man Mitglied bei uns ist, hat man natürlich diverse Möglichkeiten, wie an tollen Veranstaltungen teilzunehmen. Wir haben zum Beispiel am Ende des Jahres im November zwei Veranstaltungen geplant, wo wir Bodo Janssen eingeladen haben, aber auch Würdebotschafter zu Wort kommen lassen. Es ist unser großes Ziel, übergeordnet in der EU den „Tag der Würde” einzuführen. Dafür brauchen wir natürlich ganz viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Wir haben jetzt den 13. September für uns als „Tag der Würde” innerhalb des Vereins festgehalten. Da wird es bei meiner Mutter in Bergisch-Gladbach einen Stand auf dem Stadtfest geben, wo auch der Bürgermeister und dergleichen dabei sind. Dann werden wir aber auch schauen, dass wir das ebenfalls hier in Hamburg organisieren, um es breitflächig aufzubauen. Auch dafür brauchen wir viele Leute, die das an vielen Orten genau an diesem Tag organisieren können. Wir haben schon jemanden, der für uns in der EU im Parlament unterwegs ist und die Werbetrommel rührt, so dass wir das auf EU-Ebene hoffentlich bald präsentieren können. Aber ich glaube, dass jede noch so kleine Stimme und jede kleine Aktion, die wir machen, schon dazu beiträgt, eine Präsenz zu schaffen. Selbst wenn das nur in der kleinen Gemeinde ist und der Bürgermeister mal vorbeikommt. Was jeder bei uns außerdem machen kann, ist sich als Würdebotschafterin oder Würdebotschafter ausbilden zu lassen. Was wir gerade aktuell auch ganz doll suchen, sind Pädagogen oder auch Lehrkräfte, die in Kitas und Schulen gehen, um dort die Kinder zu Würdebotschaftern auszubilden. Das ist jetzt so unser großer Fokus. Aber eben auch in Organisationen, Unternehmen und dergleichen zu arbeiten, wozu wir die Akademie aufgebaut haben.
Dann habt ihr noch den anderen Verein „Liebevoll Ich”. Mit beiden Vereinen habt ihr dadurch eine Bewegung geschaffen, die demokratische Haltung, persönliche Entwicklung und gesellschaftliche Verantwortung miteinander verbindet. Was ist hier der Fokus?
Mit unserem Ursprungsverein „Liebevoll Ich” sind wir 2019 gestartet. Hier dreht es sich mehr um das Individuum an sich, also im Gegensatz zum Verein „Würdevoll Mensch”, wo es mehr um die Gesellschaft in Europa geht. Wir bieten u.a. Selbsthilfegruppen an und sagen, wenn du dich danach fühlst, über dein Thema zu sprechen, dann komm zu uns. Im Moment ist es tatsächlich noch so, dass es bei meiner Mutter im Wohnzimmer stattfindet, aber wir sind auf der Suche nach Räumlichkeiten, um es auslagern und noch mehr Menschen ansprechen zu können. Im März hatten wir beispielsweise das Thema „Würde und Demokratie”. Mit dieser Methode eines „World Cafés” laden wir Leute zu uns ein, in Interaktion miteinander zu gehen und bestimmte Themen zu diskutieren. Viele gehen da schließlich ganz beseelt raus, weil sie A wieder eine Gemeinschaft spüren konnten, aber B auch für sich selber ganz viel mitnehmen, sich wieder gesehen, gefühlt und gehört fühlen konnten. Das ist das Schöne daran! Daher auch der Name „Liebevoll Ich”. Und bei „Würdevoll Mensch” geht es eben mehr um das große Ganze.
„Ja, es ist Mist gerade und vieles doof, aber lass uns schauen, wie wir hier gut durchkommen! Umso wichtiger ist es also, dass wir uns in solchen Zeiten die Hände reichen und wieder zurück zu den Wurzeln kehren. Es ist wichtig, sich zu stärken und in Gemeinschaft zusammenzustehen. Dass ich Zeit mit meinen Kindern verbringe, sie gestärkt ins Leben begleite und eine Zeit weg vom Materiellen wieder hin zu mehr Gefühl und Liebe finde.”
Die gesellschaftliche Lage ist aktuell sehr herausfordernd – sozial, wirtschaftlich und politisch. Wie nimmst du diese Zeit wahr? Was macht sie mit dir – und wo siehst du Potenziale für einen echten Wandel?
Ich glaube, da geht es mir wie allen anderen auch. Es ist den einen Tag mal mehr, den anderen weniger belastend. Ich versuche für mich gerade ganz viel außen vorzulassen und vor allem meine Kinder und meine Familie in einer Blase zu halten, wo all diese Themen nicht so eine große Rolle spielen. Viel mehr, womit wir uns wirklich als Familie identifizieren können, also mit schönen Dingen. Selbstverständlich bringt das Kind auch mal etwas aus der Schule mit nach Hause, worüber wir reden müssen, aber das versuche ich dennoch so weit wie möglich fernzuhalten. Noch sind meine Kinder nicht in dem Alter, wo sie wählen müssen oder dergleichen. Das ist der Schutz für meine Familie, den ich aufbaue, aber nichtsdestotrotz begegnet mir das überall, sei es im Freundeskreis oder auf der Arbeit. Natürlich sind das bei uns auch finanzielle Geschichten. Jeder merkt das sicher irgendwo, was gerade passiert, vor allem inflationstechnisch. Für mich hat es viel mit Haltung zu tun und zu sagen: „Ja, es ist Mist gerade und vieles doof, aber lass uns schauen, wie wir hier gut durchkommen!” Umso wichtiger ist es also, dass wir uns in solchen Zeiten die Hände reichen und wieder zurück zu den Wurzeln kehren. Es ist wichtig, sich zu stärken und in Gemeinschaft zusammenzustehen. Dass ich Zeit mit meinen Kindern verbringe, sie gestärkt ins Leben begleite und eine Zeit weg vom Materiellen wieder hin zu mehr Gefühl und Liebe finde. Auch das ist wieder so ein großes Wort, aber darum geht es in meinen Augen. Dass wir uns wieder mehr sehen, treffen, austauschen und mehr in die Interaktion kommen. Das, was uns Menschen ausmacht. Wir sind soziale Wesen, vom Ursprung her war das schon immer so. Also Handy mal zur Seite legen und dieses Social Media Gedöns ausschalten. Mir ist schon bewusst, dass einige ihr Business darauf aufbauen, aber es ist genau so wichtig, abends mal bei einem guten Drink zusammen auf der Terrasse zu sitzen, zu genießen und dankbar für das zu sein, was wir haben. Nicht immer noch dieses höher, weiter, schneller. Unsere Kinder wachsen zwar damit auf, aber am Ende des Tages sind sie doch einfach happy, wenn sie draußen in der Natur sind und mit anderen spielen können. Das war bestimmt in anderen Krisen auch schon so. Jetzt ist es vielleicht aufgrund dieser Fülle und Schnelligkeit so, dass wir gar nicht mehr dazu in der Lage sind, einmal kurz innezuhalten und wirklich nachzudenken. Was brauchen wir denn im Grunde wirklich?!
Du bist außerdem als Wirtschaftspsychologin tätig. Welche Themen beschäftigen aktuell besonders viele Menschen in deiner Beratung? Was hat sich in der Arbeitswelt in den letzten Jahren aus deiner Sicht am stärksten verändert – und was muss sich dringend wieder verbessern?
Zum Einen merke ich ganz doll, wie die mentale Gesundheit von vielen Menschen angekratzt ist. Das ist wirklich auffällig, gerade bei den jungen Leuten, die mit Mitte/Ende 20 tatsächlich am Limit sind. Das bereitet mir wirklich Sorge! Dabei beobachte ich unterschiedlichste Themen, entweder was man von zu Hause mitbringt, aber auch Themen, wo ich sehe, dass junge Leute gar nicht mehr in der Lage sind, richtig zu arbeiten. Die eine Schwierigkeit damit haben, sich in eine Struktur einzufinden, wo es heißt, du bist bitte um neun Uhr im Büro. Das schaffen viele nicht, aus welchen Gründen auch immer. Darüber hinaus sehe ich aber auch bei ganz vielen, gerade in der Arbeitswelt, diese Resignation, dieses „Ja gut, ich kann daran eh nichts ändern! Ich mache zwar meinen Job, aber lehne mich im Grunde innerlich komplett zurück und warte ab.” Viele sind auch nicht mehr in der Lage, für sich selber einzustehen und zu sagen, was sie genau und wo sie hinwollen. Perspektivlosigkeit ist dafür vielleicht ein gutes Wort! Wir haben zwar einen Fachkräftemangel, aber irgendwie haben wir ihn auch nicht. Ein Obstkorb und Massagen sind zwar toll, aber am Ende muss man doch auch genug Geld verdienen, um über die Runden zu kommen. Und dann braucht man noch genügend Freizeit, um den Dingen nachzukommen, die man gerne tut, und die Akkus aufzuladen. Das sind eigentlich so die Basics, würde ich sagen. Ich persönlich bin mittlerweile auf dem Stand, dass ich sage, wir brauchen diese Benefits nicht mehr. Wenn ich ein guter Arbeitgeber bin, dann sehe ich meine Mitarbeiter, höre sie, entwickle mein Unternehmen mit ihnen zusammen weiter. Ich fördere ihre Potenziale, die Kreativität der Leute und bin im Vertrauen. Das ist mittlerweile so ein großes Wort in Unternehmen geworden, das „Ich glaube an dich und weiß, dass du das schaffst. Ich bin hier, wenn du mich brauchst, aber ansonsten vertraue ich dir! Am Ende des Tages wirst du deinen Job gut machen!” Da wieder hinzukommen, ist auch etwas, was ich ganz stark bei den Führungskräften merke, die auf einmal wieder anfangen, Mikromanagement zu betreiben. Das ist für die Mitarbeiter eine komplette Katastrophe.
(Ergänzung der Redaktion: Link zum Thema „Innere Kündigung” und Engagement Index: Die Gallup Studie)

Bild: © Pexels
Du schaffst es, dein berufliches Engagement, die Vereinsarbeit und dein Familienleben miteinander zu vereinen – wie gelingt dir dieser Balanceakt? Welche Herausforderungen begegnen dir dabei? Und wie sorgst du gut für dich selbst?
So einen Balanceakt hinzubekommen, ist ja erst einmal ganz individuell. Was für mich gut ist, muss nicht für jemand anderen passend sein, aber ich liebe zum Beispiel mein Tanzen und den Sport. Wenn ich das nicht habe, merkt man mir das auch an. Ich bin nicht der Überflieger und schaffe alles mal eben so auf der linken Popohälfte. Bei uns herrscht das Chaos, also zwei Mädels im Alter von acht und zwölf, ein Mann, wir arbeiten beide und daher sieht es bei uns wirklich manchmal aus wie „bei Hempels” und mich triggern diese aufgeräumten Schubladen von Social Media Mamas, wo alles stets perfekt und sauber aussieht. Wenn tatsächlich mal alles aufgeräumt ist, hält es vielleicht eine halbe Stunde, wenn überhaupt. Und danach liegt wieder alles rum. Aber anders ist es nicht möglich, es sei denn, ich hätte eine Nanny, eine Putzkraft, einen Gärtner und vielleicht noch einen Chauffeur, dann würde ich das alles wohl auch hinbekommen, und dann zusätzlich noch fünf Stunden am Tag Zeit für Sport, Kosmetik und Friseur zu haben. Mein Leben ist auch noch mit Laptop nach Feierabend verbunden, wenn die Mädels schlafen, weil ich auch wieder damit angefangen habe, mein Spanisch aufzufrischen. Es bedarf im Alltag viel Organisation, auch wenn mein Mann mal beruflich unterwegs ist. Aber diesbezüglich haben wir uns gleich am Anfang abgesprochen: Ich habe von Anfang angesagt, dass wenn wir das hier machen und beide arbeiten, muss auch jeder den Part zu Hause mit übernehmen, weil ich es sonst alleine nicht schaffe. Das ist aber auch wieder so ein gesellschaftliches Ding. Ich bin immer diejenige, die angeschrieben wird, ob von Lehrern, anderen Eltern oder von wem auch immer, aber da habe ich meinen Mann gut uns Boot geholt. Ganz ehrlich, anders bekomme ich das aber auch nicht gewuppt und es gibt durchaus Tage, wo ich denke, nicht mehr zu können, aber dann habe ich mein Tanzen oder meinen Sport und Freunde, die mich auffangen, was mir viel Kraft gibt. Manche gehen laufen, andere bevorzugen vielleicht ein Schachspiel oder einen Spaziergang durch den Wald. Für mich ist es die körperliche Betätigung, dass ich rauskomme und schöne Musik habe, zu der ich tanzen kann. Das ist für mich einfach wie eine Befreiung und wo ich wieder Kraft und Energie schöpfen kann. Das setzt so viele Endorphine frei, dass es mir danach super geht.
Mit „Miss Confetti“ hast du dir außerdem einen kreativen Raum geschaffen, in dem du Menschen zu Struktur, Klarheit und Alltagsorganisation inspirierst. Wie ist dieses Projekt entstanden – und was bedeutet es dir persönlich?
An „Miss Confetti” sieht man vielleicht, wie vielfältig meine Ideen sind, und was mich als Person ausmacht. Ich passe nicht in nur eine Sparte, das funktioniert nicht. Da ist einfach zu viel in mir los, was raus muss (lacht). Da war schon lange etwas, was großen Wert auf dieses kreative Schaffen legt, etwas zu gestalten, zu kreieren, was ich danach in der Hand halten und worauf ich stolz sein kann. Etwas, was am Ende des Tages schön aussieht, man verschenken und jemand mit glücklich machen kann. Letztes Jahr hatte ich außerdem eine Phase, wo es mir nicht ganz so gut ging und ich gemerkt habe, wie bedrückt auch viele Menschen um mich herum sind. Keiner lächelt mehr, ist zufrieden oder happy. Daher wollte ich etwas schaffen, womit ich den Leuten wieder einen Raum gebe, um Zeit für sich zu haben und aus diesem Alltagsroutine-Hamsterrad rauszukommen. Um wieder bei sich zu sein, aber auch dieses Glücksgefühl zu haben. Ich habe etwas produziert, mit meinen eigenen Händen, mit meiner eigenen Kreativität. Es sollte aber auch etwas Simples sein und so bin ich auf das Stempeln gekommen. Mit Stempeln kann ich mit einfachsten Methoden ein wunderschönes Bild, eine Postkarte, ein Lesezeichen oder Textilien gestalten. Nach zwei Stunden gehen die Leite dann sehr glücklich wieder nach Hause. In dieser Zeit waren sie ganz bei sich selber und sich mit diesem Blatt Papier zu beschäftigen und es zum Leben zu bringen, ist so wunderschön zu sehen. Ein Produkt, was man geschaffen hat, ist so viel wert. Damit habe ich mir selber so ein bisschen meinen eigenen Traum erfüllt, aber auf der anderen Seite, wenn ich damit gleichzeitig noch andere Menschen glücklich machen kann, warum nicht?!
„Ich glaube, es ist wichtiger denn je, dass wir aus diesem Einzelkämpfertum rauskommen, dass die Kinder wieder merken, dass in Gemeinschaft vieles machbar ist (…).”
Ein Zitat, das dich begleitet, ist: „Leben ist das, was passiert, während du beschäftigt bist, andere Pläne zu machen.“ von John Lennon. Warum berührt dich dieser Satz und wie beeinflusst er deine Haltung zum Leben?
Dieser Satz berührt mich deshalb ganz besonders, weil ich früher tatsächlich viel geplant habe. Ich plane zwar immer noch ganz schön viel (lacht), aber mittlerweile mit einem anderen Fokus. Ich bin jemand, der viele Listen schreibt. Für organisatorische Dinge ist das schon hervorragend. Es war mir sehr früh klar, wie mein Leben ablaufen sollte: Ich wollte mit 28 verheiratet sein, aber dann war Karriere für mich auch super wichtig. Ich wollte immer einen Porsche fahren und im Kostümchen sowie mit kleiner Ledertasche irgendwo unterwegs rumstöckeln. Das sage ich jetzt deshalb so provokant, weil es natürlich alles nicht so gekommen ist, aber das ist genau der Punkt. Ich kann noch so viel planen und mir in meinem Kopf sagen, wie ich es haben möchte, das Leben spielt immer ein anderes Spiel. Das ist gar nicht böse gemeint, sondern vielmehr betont es das Motto: „Entspann dich, es kommt eh alles anders!” Und wenn du Kinder hast, wirst du das alles nochmal anders merken. Da kannst du planen, so viel du möchtest, wenn das kleine Mädchen dasteht und einen Trotzanfall bekommt, dann bekommt es halt gerade mal einen Trotzanfall, um das du dich dann eine Stunde lang kümmern kannst. Egal, was du gerade vorhattest. Und das sind so Dinge, wo ich denke: Lebe den Augenblick, lebe das, was gerade ist! Es nützt dir gar nichts, an deinem Plan festzuhalten, wenn das Leben dir gerade einfach ein anderes Spielchen spielt! Lass dich darauf ein, weil je mehr du dagegen arbeitest und gegenankämpfst, desto mehr wirst du verletzt oder traurig sein, nicht mehr bei dir selber sein zu können. Das hat mich anfangs sehr beschäftigt! „Menno, ich will das doch jetzt aber so oder so haben…!” Sich darüber aufzuregen, macht gar keinen Sinn! Das hört sich jetzt so wunderschön an, das ist mir bewusst, manche Dinge sind ja auch wirklich schlimm und schrecklich, aber auch da muss man es annehmen. Es wird einen leichter durch diese Situation führen.
Was ist dir für deine Töchter besonders wichtig – und was wünschst du dir für die kommende Generation? Was braucht es deiner Meinung nach jetzt – für eine würdevollere Zukunft für uns alle?
Ich glaube, es braucht einfach ganz viel Haltung, Haltung, die „würdevoll liebevoll” ist. Das heißt, ich wünsche mir für meine Kinder ganz besonders, dass sie einfach die sein dürfen, die sie sind. Auch wenn es so viele Regularien, Systeme und Ordnungen gibt, an die wir uns alle halten (müssen). Dass sie sich trotzdem darin nicht selbst verlieren, sondern sie selber sein dürfen, mit all ihren Stärken und Schwächen, die sie mitbringen. Und das ist auch vollkommen in Ordnung so! Dass sie ihren Weg machen und am Ende des Tages zu Hause sein und sagen können: „Ich bin ich und das ist gut so!” Das ist, glaube ich, am Allerwichtigsten. Und zu sehen, dass es auch andere Menschen gibt, mit denen sie sich zusammentun und zu denen sie sagen können: „Hey, lass uns doch in Gemeinschaft etwas bewirken und nicht nur alleine! Ich nehme euch an die Hand und lasst uns zusammen etwas gestalten.” Ich glaube, es ist wichtiger denn je, dass wir aus diesem Einzelkämpfertum rauskommen, dass die Kinder wieder merken, dass in Gemeinschaft vieles machbar ist und wir sagen: „Wir haben doch das gleiche Ziel vor Augen, deswegen lasst uns nicht gegeneinander arbeiten, sondern miteinander!” Wir können alle von den Synergien nur profitieren und das ist auch für unseren Verein sehr wesentlich. Es gibt bestimmt auch andere, die sich mit diesen Themen beschäftigen, aber wir sind keine Konkurrenten, sondern verfolgen das gleiche Ziel! Somit können wir es doch gemeinsam weitertragen. Egal, wer sich jetzt gerade angesprochen fühlt, wir sind dankbar und empfangen jede und jeden mit offenen Armen, der sich uns anschließen möchte. Das ist gerade aktuell wichtig, dass wir uns nicht gegenseitig ausgrenzen, sondern viel mehr unterstützen. Es wird nur so funktionieren, indem wir uns alle zusammentun, weil wir alle im gleichen Boot sitzen. Wir leben alle zur selben Zeit an diesem Ort, haben unsere eigenen Stärken und persönlichen Geschichten und das, was Spaß macht und wir einbringen. Damit kann eine Gemeinschaft doch nur gewinnen…
Das ganze Interview mit Marleen Saborowski HIER im Podcast in #Folge48.

Marleen Saborowski blickt auf viele aktive Jahre in einem sehr vielfältigen Tätigkeitsfeld zurück – als Personalleiterin, Trainerin und Coach begleitet sie Menschen und Unternehmen auf dem Weg in ihre Kraft.
Mehr dazu hier: www.saborowski-coaching.com
Und bei den Vereinen „Würdevoll Mensch“ sowie „Liebevoll Ich“
Bild: © Privat