Gemeinsam für eine bessere Welt

Führen mit Sinn und Menschlichkeit.

Christin Prizelius | 25.06.25 | Interview mit Bodo Janssen von Upstalsboom | © Bodo Janssen, Upstalsboom

Im heutigen Interview sprechen wir mit Bodo Janssen, dem Geschäftsführer von Upstalsboom. Er hat u.a. das Buch „Die stille Revolution“: Führen mit Sinn und Menschlichkeit veröffentlicht. Die Herkunft des Namens „Upstalsboom“ geht übrigens auf einen wichtigen Lebenskern der Friesen zurück: nämlich auf ihren unerschütterlichen Gemeinschaftssinn. Er bezeichnet eine altfriesische Thingstätte, Freilichtbühne, aus dem 14. Jahrhundert. Dort stand ein Baum („Boom“), an dem die Pferde aufgestallt („upstallt“) wurden, wenn sich die friesischen Häuptlinge trafen, um in der Gemeinschaft Gleichgesinnter neue Kraft zu schöpfen. Die Upstalsboom Hotel + Freizeit GmbH & Co. KG ist einer der führenden Ferienanbieter an der Nord- und Ostsee. Mit friesischer Herzlichkeit und fortschrittlichen Ideen hat sich die Unternehmensgruppe mit rund 650 Mitarbeitern seit der Gründung 1976 dynamisch entwickelt. Mit einer werteorientierten Unternehmensphilosophie steht der Mensch dabei im Mittelpunkt.

Eine im Jahr 2010 durchgeführte Mitarbeiterbefragung war dann Ausgangspunkt für einen Kulturwandel bei Upstalsboom, der alles veränderte. „Wir brauchen einen anderen Chef als Bodo Janssen“, war nur eine von vielen kritischen Stimmen aus der Mitarbeiterschaft, die ihn sehr betroffen gemacht haben. Die Mitarbeiter fühlten sich schlecht geführt. Die Erkenntnis, dass der „Fisch am Kopf (also bei ihm) anfing zu stinken“, war sehr ernüchternd und schmerzhaft, sagt er. Anlässlich dieser vernichtenden Ergebnisse ging Bodo Janssen innerhalb von eineinhalb Jahren regelmäßig in ein Benediktinerkloster, um von Pater Anselm Grün und dem „Team Benedikt“ für sich neue Sichtweisen zu verstehen. Parallel wurde sich im Unternehmen mit den Erkenntnissen der Positiven Psychologie und Neurobiologie beschäftigt. Im Spannungsfeld zwischen Spiritualität und Wissenschaft wurde schließlich damit begonnen, den eigenen Weg zu gehen – den Upstalsboom Weg. Mittlerweile ist der „Der Upstalsboom Weg“ zu einem Synonym für eine Unternehmenskultur geworden, die auf Werten basiert (siehe Wertebaum HIER), die den Upstalsboomern besonders am Herzen liegen. Hierbei spielt das Thema „Freiheit“ eine zentrale Rolle. Denn alle möchten, dass jeder bei seiner Arbeit die Freiheit hat, sich persönlich weiterzuentwickeln und sich für das einzusetzen, was ihm oder ihr wichtig ist. Frei nach Perikles „Das Geheimnis von Glück ist Freiheit. Und das Geheimnis von Freiheit ist Mut“. Uns hat Bodo Janssen ein bisschen seiner Zeit geschenkt…

Lieber Bodo Janssen, Sie sind für uns ein perfektes Beispiel für einen kompletten Wertewandel in einer sonst wirtschaftsorientierten Zeit. Warum denken Sie, tun sich viele Unternehmen noch so schwer, sich auf einen positiven Wandel einzulassen?

Ich glaube, das hängt ganz stark mit unserer deutschen Geschichte zusammen, wo die Rahmenbedingungen einen gewissen Mangel mit sich brachten. Besonders in der Kriegs- und Nachkriegszeit. Ich mag das gerne mal an einem Glaubenssatz darstellen, den es gab, und der damals auch überlebenswichtig war, aber in der heutigen Zeit gar nicht mehr relevant ist: „Du sollst es später einmal besser haben als ich“ oder „Ohne Fleiß kein Preis.“ Also Glaubenssätze, die Werte und Tugenden propagierten, wie Disziplin und Fleiß (und Industrie ist ja Fleiß). Alleine diese Aussage „Du sollst es später einmal besser haben als wir!“ führt heute wohl dazu, dass für manche junge Menschen die Ausbildung nicht mehr genug ist, und sie studieren müssen. Der Blick geht dabei mehr in die Zukunft. In der Zukunft wird alles besser, machen wir also Karriere, weil wir glauben, dass das, was uns glücklich macht, in der Zukunft zu finden ist.

„Ich denke, dass viele Menschen immer noch in dem Glauben sind, dass materieller Wohlstand zu dem Glück führt, was wir uns alle wünschen. Und das kann ich mir nur sichern, wenn ich die Zügel in der Hand habe und es selbst mache, also die Macht habe.”

Ich glaube, dass diese Haltung in der Nachkriegs- und vielleicht auch schon Gründerzeit liegt, das ist das Eine. Und dann wurde „glücklich sein“ in Zeiten des Mangels mit materiellen Dingen in Verbindung gebracht, weil das überlebenswichtig war. Ich denke, dass viele Menschen immer noch in dem Glauben sind, dass materieller Wohlstand zu dem Glück führt, was wir uns alle wünschen. Und das kann ich mir nur sichern, wenn ich die Zügel in der Hand habe und es selbst mache, also die Macht habe. Wenn ich andere ermächtige, kann das erst einmal schwierig sein. Bei allen Verhaltensweisen geht es da in meinen Augen um Existenz und Existenzberechtigung, also „Wissen ist Macht“. Und wenn ich es nicht weiß, weiß es jemand anderes und dann bin ich ersetzbar und somit ein Stück weit auch existenzgefährdet. Ich glaube, dass viele Verhaltensweisen von heute ihre Quellen in dieser schwierigen Zeit haben und vielleicht sogar auch noch weiter zurückliegen, wo der Status innerhalb von Gesellschaft und Unternehmen von diesen äußeren Faktoren abhängig war. Also Status in Form von Materiellem, wie ein hoher Gehaltsscheck, Auto oder ein großes Eckbüro. Äußere und materielle Dinge zeigen mir da meinen Stand in der Gesellschaft auf. Ich brauche das, weil mein innerer Kompass eben nicht entsprechend ausgerichtet ist und mir zeigt, wo ich stehe.

„In der Schule geht es dann ja aber weniger um die Person als Subjekte. Sie verlassen die Schule und das Thema eigene Persönlichkeit und was diese Menschen ausmacht, ist dann heruntergedrückt und den Werten und Normen einer Gesellschaft entsprechend ausgerichtet worden. Da wird vernachlässigt, was einem den wahren inneren Halt gibt, und wer man als Persönlichkeit ist.”

Das ist ja auch ein systemisches Thema. Die heutigen jungen Menschen in der Schule, wo Fleiß ja immer noch eine große Rolle spielt, möchten in ihren Köpfen vielleicht oft schon weiter sein. In der Schule geht es dann ja aber weniger um die Person als Subjekte. Sie verlassen die Schule und das Thema eigene Persönlichkeit und was diese Menschen ausmacht, ist dann heruntergedrückt und den Werten und Normen einer Gesellschaft entsprechend ausgerichtet worden. Da wird vernachlässigt, was einem den wahren inneren Halt gibt, und wer man als Persönlichkeit ist. Vielmehr werden sie darauf konditioniert, was den äußeren Halt gibt. Und dann sind wir wieder in der Thematik, die wir momentan haben, letztendlich nicht die Anerkennung und die Liebe zu bekommen, die man braucht – weil man denkt, dass es im Außen zu finden ist. Für mich zusammenfassend: Menschen haben oft Probleme, sich aus dem äußeren Korsett zu lösen, aus Angst zusammenzubrechen.

Sie sagen im Film „die stille Revolution“, Sie waren nach dieser Mitarbeiterumfrage damals mit dem Ergebnis „Wir brauchen einen anderen Chef als Bodo Janssen“ wie in einer Art Vakuum. Können Sie uns vielleicht nochmal kurz erläutern, was das damals für ein Gefühl war und was letztendlich wirklich ausschlaggebend für ein Umdenken und Handeln war?

Es ging damals alles in erster Linie um Anerkennung. Bei mir persönlich, aber damit bin ich bestimmt nicht alleine auf der Welt. Ich habe versucht, diese Anerkennung zu erhalten, auf Basis der äußeren Entwicklung des Unternehmens, der Zahlen, Daten und Fakten und das Ganze hat mein Ego getriggert. Diese ganze äußere Darstellung… und ich hatte ein Ego, das hätte größer nicht sein können. Das hätte nicht einmal ansatzweise in das „Volksparkstadion“ gepasst. Und jetzt bin ich durch die Mitarbeiter auf einer ganz anderen Ebene angesprochen worden. Man ist selbst angesprochen worden durch die Aussage „Wir brauchen einen anderen Chef als Bodo Janssen“, obwohl er diese Welt aufgebaut und das Unternehmen quasi in die Unabhängigkeit geführt hat. Innerhalb von Sekundenbruchteilen ist mein Ego dann auf die Größe einer Erbse geschrumpft und ich hatte dem nichts entgegenzusetzen. Ich war mir und meiner Selbst nicht bewusst und hatte darüber hinaus auch kein großes Ego mehr.

Das heißt, ich war orientierungslos und wie im Dschungel. Ich konnte mich nicht mehr an den äußeren Dingen orientieren, die mir das gebracht hatten, wonach ich mich sehnte, und auf dem Weg nach außen habe ich meinen inneren Weg, also den Weg zu mir selbst, dann komplett vernachlässigt. Das war ein unschönes Gefühl, weil es mich ohnmächtig gemacht hat. Ohne Macht heißt ja bewusstlos. Ich wusste nicht mehr, worauf es ankommt, und was ich tun soll, und das hat das Vakuum ausgemacht. Das war vom Bauchgefühl her wie, als wenn die Nebennierenrinde reichlich Adrenalin produziert. Das war ein Ziehen im Bauch, wie bei einem Unfall, oder wie wenn man sich erschreckt hat. So ein Gefühl war das.

Sie sind damals ins Kloster gegangen. Was haben Sie besonders aus dieser Zeit mitgenommen? Vor allem über sich selbst?

Es gab vier wesentliche Erkenntnisse, die ich vermittelt bekommen habe, und derer ich mir in meiner Klosterzeit auch immer bewusster geworden bin. Das Erste war: Nur wer sich selbst führen kann, kann andere führen. Beim Kochen ist das ja so: nur wenn ich kochen kann, kann ich es auch anderen beibringen. Bei der Führung wird das interessanterweise immer vorausgesetzt, dass es funktioniert. Führung wird, glaube ich, auch nicht als Fachdisziplin am Menschen anerkannt. Das war so eine Erfahrung. Die Frage war: Wohin führe ich mich denn?! Ich hatte keine Ahnung! Das Zweite war dann: Führung ist Dienstleistung und kein Privileg – und ich fühlte mich bisher als Unternehmenschef sehr privilegiert an meinem großen Schreibtisch, im großen Büro. Dann ganz wichtig: „Wer fragt führt“ und so gab es Antworten und zwar immer die richtigen. Und letztendlich: Reflexion ist wichtiger als Aktion. Kurzum: ich war der schnell rennende, vielbeschäftigte, 90 Stunden die Woche arbeitende Manager, der auf alles eine Antwort hatte, und im Kloster war ich dann mit der Aufgabe konfrontiert, still zu sein, nichts zu tun und Fragen zu stellen. Und zwar um Antworten zu finden, zum Beispiel auf die Frage „Wohin führe ich mich?!“ Und das war dieser Prozess im Kloster, wo ich versucht habe, die Antworten auf die wesentlichen Fragen des Lebens zu finden. Also ein persönliches Leitbild zu entwickeln, sprich, meinen inneren Kompass auszurichten. Das ist dann das Gegenstück zu dem äußeren Halt und dem Korsett, dem gesellschaftlichen äußeren Werte- und Normbildsystem. Wenn wir den inneren Kompass nicht ausgerichtet haben, sind wir abhängig vom äußeren System, um zu wissen, wo wir stehen. Das Kloster diente dazu, sich den inneren Kompass bewusst zu machen, den auszurichten und Antworten auf ganz konkrete Fragen zu finden. Und sich damit zu befreien vom äußeren System.

Was macht für Sie Authentizität aus? Können Sie heute Ihr authentisches Ich besser leben als früher?

Was ich weiß ist, dass ich für mich gefunden habe, worauf es ankommt. Und wofür ich jeden Tag aufstehe. Was es für mich zum Teil auch sehr kompromisslos erscheinen lässt. Ich habe für mich erkannt, zumindest aktuell, was wirklich wesentlich ist. Welche Werte meinem Wesen entsprechen. Anselm Grün würde sagen „Was meiner eigenen Wahrheit entspricht“. Nicht die Wahrheit, die mir andere auferlegt haben, sondern meine eigene. Darüber bin ich mir bewusst geworden. Das ist ein Weg, der nie zu Ende geht. Und ich bin mir meiner Fähigkeiten auch bewusster geworden und was ich tatsächlich kann. Diese Erkenntnis hilft mir sehr stark dabei, mich nicht so verführbar oder abhängig von der Meinung der Gesellschaft zu machen, oder mein Handeln unter den Deckmantel der Gesellschaft zu stellen, weil ich weiß, worauf es für mich ankommt. Ich bin deshalb so kompromisslos, weil mein Handeln zu 100% darauf ausgerichtet ist, andere Menschen zu stärken.

Bild: © Bodo Janssen, Upstalsboom

Sie sagen im Film schon, dass die damalige Rolle als Chef anstrengend und das Verhalten eher eine Fassade waren und oft auch wie ein Kampf gegen sich selbst. Warum ist man da nicht früher ausgebrochen?

Ich glaube, dass ich in dieser Zeit nicht die Verhaltensweisen an den Tag gelegt habe, um mir dessen bewusst zu werden. Weil ich immer zu „am Rennen“ war. Ich habe nicht meinen Prioritäten Termine gegeben, sondern meinen Terminen Prioritäten. Das heißt, ich war mir meiner Prioritäten gar nicht bewusst, sondern habe immer nur entschieden: Was steht an und wie priorisiere ich das. Immer auf Zahlen, Daten und Fakten konzentriert mit dem Ziel, das Unternehmen in die Unabhängigkeit zu führen und wirtschaftlich stark zu machen. Das war wie ein Blutrausch, der getriggert war durch das, was an Informationen zurückgeflossen ist — also Betriebsergebnisse, weil ich glaubte, darüber die Anerkennung zu bekommen. Wenn du tolle Ergebnisse schreibst, bist du auch anerkannt. Dann rennt man einfach und hat darüber nichts in Frage gestellt.

Wie hat Ihr privates Umfeld auf Ihre Veränderung reagiert?

Ich glaube, als meine Frau und ich uns damals begegnet sind, hat sie schon den wahren Bodo erkannt und nicht die Fassade. Ich denke, sie hatte damals schon das Gefühl, dass manche Verhaltensweisen eher Fassade sind, als jetzt der tatsächliche Mensch hinter der Fassade. Ich denke auch, dass diese Entwicklung zwar überraschend kam, aber sie schon wusste, damit umzugehen. Und wenn ich meinen Kindern mit diesen Themen begegne, die mir wichtig sind, machen sie sich mitunter schon eher ein bisschen lustig. Kennen Sie da den Song bei „Bibi und Tina“ „Wir sagen Omm und umarmen einen Baum“?!  Das finden sie eher witzig. Ansonsten kann ich ja gar nicht so sagen, wie mein Umfeld mich wahrnimmt, weil es ist ja nur meine Wahrnehmung ist. Da müssen Sie mein Umfeld fragen (lacht).

Meine größte Herausforderung war gerade in den letzten Jahren, mich nicht wieder so von dem triggern zu lassen, was mich früher angesprochen hat – also diese äußere Welt und Aufmerksamkeit dafür zu bekommen.

Was unterscheidet den damaligen Bodo Janssen von dem heutigen – vor allem aus menschlicher Sicht?! Und kommt doch „der alte Bodo“ doch hin und wieder nochmal durch?

Der alte Bodo kommt immer wieder hoch. Ich begegne dem alten Bodo sehr häufig. Gerade in dieser Zeit, wo ich viel Aufmerksamkeit von außen bekomme, und mir immer wieder die Frage stellen muss „Wer verhält sich denn hier gerade?!“. Ist es das Ego oder ist es das Selbst? Wieso nehme ich diese Vortragsanfrage an?! Bediene ich damit mein Ego oder geht es mir tatsächlich um das, worum es mir geht?! Das ist schon sehr häufig so und es bedarf viel Ruhe und Disziplin, um da nicht wieder in die Spur des alten Bodos zu kommen, der mit seinem Verhalten auf äußere Anerkennung gerichtet ist. Das erlebe ich schon. Abgeschlossen habe ich damit auf gar keinen Fall. Es ist ein täglicher Umgang mit beiden Bodos und das ist wie beim Fahrradfahren. Man fährt nicht von alleine geradeaus. Ich bin immer am Pendeln von links nach rechts und muss mir bewusst werden, wann es wieder gut ist, zurückzupendeln, weil ich sonst auf die Nase falle.

Was war bisher Ihre größte Herausforderung? Und vor welchen weiteren Herausforderungen sehen Sie sich?

Meine größte Herausforderung war gerade in den letzten Jahren, mich nicht wieder so von dem triggern zu lassen, was mich früher angesprochen hat – also diese äußere Welt und Aufmerksamkeit dafür zu bekommen. Das ist einfach immer wieder eine Versuchung. Es fühlt sich gut an, es ist schön, wenn die Menschen auf einen zukommen und vielleicht Signaturen haben wollen, oder auch allgemein dieser Zuspruch. Dieser Honig, der einem um den Mund geschmiert wird, ist süß und lecker, aber auch ziemlich ungesund. Das ist die größte Herausforderung, zu sich zurückzukehren und sich bewusst zu werden, worum geht es, und nicht dem Verhalten der anderen auf den Leim zu gehen und sich davon steuern zu lassen wie: Es schmeckt einfach so gut, was man da bekommt.

Was macht Ihren neu definierten Erfolg aus? Was ist wie im Film in Ihren Worten die „Basis Ihrer Existenz“?

Wenn ich mit meinem Sohn unter einem Baum sitzen und er mich fragen würde: „Papa, worauf kommt es wirklich im Leben an?!“ würde ich nur einen Satz sagen: Auf den Anblick eines glücklichen Menschen. Das ist das, wofür ich jeden Tag aufstehe. Ich weiß, dass ich niemanden glücklich machen kann, aber ich kann als Mensch und Unternehmer Rahmenbedingungen und Voraussetzungen dafür schaffen, dass Menschen für sich das finden, was sie glücklich macht. Und das bedeutet für mich auch Erfolg. Dass der Mensch die Freiheit hat, das zu leben, was ihm wirklich wichtig ist. Dass ich ihm dabei helfe, stark zu werden, sich aufzurichten und mit sich selbst und anderen in gelingende Beziehungen zu kommen. Das ist für mich Erfolg und darauf richte ich einen wesentlichen Teil meines Verhaltens aus. Die Frage, die ich mir dabei stelle, ist: „Wie kann ich dem Menschen, der mir begegnet, dabei helfen, in seinem Sinne erfolgreich zu werden?!“ Es ist dabei auch wichtig, sich nicht nur mit sich selbst auseinanderzusetzen, sondern auch mit seinem Gegenüber. Versuchen Sie sich mal vorzustellen, jemandem mit der Haltung zu begegnen: Was kann ich heute von dir lernen?!

Was meinen Sie, würde den Wandel der Arbeitswelt ganzheitlich und im Großen fördern und was tun Sie außerdem im beruflichen Alltag noch für die Gesunderhaltung von Mitarbeitern? Wie sieht da die tägliche Praxis aus?

Wenn ich das Verhältnis sehe zwischen Unternehmen und Gesellschaft, dann glaube ich, dass es Möglichkeiten gibt, dass Unternehmen mehr Verantwortung für die Entwicklung innerhalb der Gesellschaft übernehmen können und das nicht nur der Politik überlassen. Für mich ist einer der wichtigsten Medien die gemeinnützige Stiftung, über die der Unternehmer sehr stark Einfluss auf die Entwicklung der Gesellschaft nehmen kann, und zwar unmittelbar. Gesundheit ist für uns sehr weit gedehnt. Es gibt die psychosoziale Gesundheit, aber auch physische, und hier haben wir sehr viele Angebote. Unsere Mitarbeiter haben die Möglichkeiten, sowohl zum Sport zu gehen aber auch jeder Einzelne einmal im Monat Massagen zu bekommen. Wir haben neben dem „zur Verfügung stellen von Betten für Gäste und Dienstleitung für diese Gäste“, die „Entwicklung des Menschen“ zum Kernthema in unserem Unternehmen gemacht.

Das heißt, jeder Mitarbeiter hat die Chance, sobald er zu uns kommt, sich ganz bewusst mit „seinem Weg nach Delphi“ zu beschäftigen. Sich seiner Selbst näherzukommen. Das fängt an mit Bewusstsein für Körper, Geist und Sprache, weil wir einfach glauben, dass ein Unternehmen, das nur Rahmenbedingungen schafft, wie man sich gesund verhalten kann, noch lange nicht ausreichend dafür ist, dass man es tatsächlich tut. Es geht nur über das Bewusstsein. Kernthema bei uns ist es, das Bewusstsein der Menschen im Unternehmen zu entwickeln, vor allem für Gesundheit, Sprache und geistige Arbeit. Bei uns ist das ein fest etablierter Kernprozess, wo jeder Mitarbeiter die Möglichkeit hat, sich in dieses Curriculum zu begeben, um sich damit über ein Jahr lang zu beschäftigen.

„Das Land hat diese Menschen zu sich selbst und ihrer Menschlichkeit geführt. Und zu ihrer wirklichen Sehnsucht: „Hey das ist doch das Beste, was uns passieren kann, den Ruandesen zu helfen, die Schulbildung im Land voranzubringen, und als Gegenleistung bekommen wir Nachhilfeunterricht in Menschlichkeit.“

Ich fand es im Film ebenfalls sehr bewegend, wie Sie mit den Azubis den Kilimandscharo bestiegen haben, und wie Sie mit Mitarbeitern Schulen in Ruanda bauen. Was war da die Vision und Botschaft dahinter? Vor allem in Bezug auf Ihre Angestellten?

Der Weg auf den Kilimandscharo war einer Aussage von Gerald Hüther geschuldet, der sagte: „Es braucht nur einmal im Leben eines Menschen jemanden, der an ihn glaubt und das kann sein Leben verändern“. Das wollte ich ausprobieren. Ich habe Menschen im Unternehmen gefunden, die den Glauben an sich selbst verloren hatten, und da haben wir ihnen diese schier unerreichbare Herausforderung aufgetischt. Wir haben ihnen das Gefühl gegeben, dass, egal mit welchen Voraussetzungen man da reingeht, wie groß oder schwer man ist oder ob die eigenen Eltern einem Zeit des Lebens immer gesagt haben „Ihr seid nichts wert“: Ihr werdet es schaffen! Das war das Motiv dahinter, Menschen im Unternehmen nicht zu akzeptieren, wie sie sind, sondern mit ihnen umzugehen, wie sie sein könnten. Und sie dann über sich hinauswachsen zu lassen. Das war der stärkste Impact, den wir je im Unternehmen hatten, der sich jetzt auch reproduziert (Erg. durch die Red.: Es wurde kurz darauf mit 10 Azubis in den Polarkreis gereist. Dort wurde einer der größten Gletscher Europas bestiegen und auf dem Weg dorthin waren sie in Spitzbergen nur sich selbst gestellt, mussten sich selbst versorgen im Umfeld von 3000 Eisbären. Da waren sie drei Wochen auf Skiern unterwegs — ohne jeglichen Zugang zur Zivilisation, in Zelten, bei Minus 30 Grad. Das nannten sie dann „die Reise zu sich selbst“.).

Und Ruanda ist auch etwas sehr Wesentliches, denn durch das Ruandaprojekt, das durch Upstalsboom ermöglicht wird, haben die Mitarbeiter die Möglichkeit, etwas zu tun was ihnen als sinnvoll erscheint. Es geht bei der sinnvollen Arbeit nicht nur darum, sich Wohltäter nennen zu lassen, sondern über die Begegnung mit den Menschen in Afrika zu wachsen. Und ihnen mit Demut und der fragenden Haltung „Was können wir von euch lernen?“ zu begegnen und das dann in Deutschland zu kultivieren, im eigenen Unternehmen. In Ruanda werden Werte wie Menschlichkeit und Vergebung sowie Dankbarkeit, Umwelt und Nachhaltigkeit näher gebracht, wo wir von den Ruandesen nicht in Form eines Seminars, sondern leibhaftig und sehr emotional vermittelt bekommen, was es heißt, tatsächlich menschlich zu sein. Im Umkehrschluss sammeln wir dafür Geld, damit dort Schulen gebaut werden können, und das ist der wesentliche Aspekt. Das ergibt den Sinn. Es geht um das Grundverständnis, dass jeder Mensch, der mir begegnet, ein Lehrmeister ist. Ursprünglich war das ein Dankeschön und Incentive dafür, dass unsere Kultur sich gut entwickelt. Das war mein Motiv, aber als die Menschen aus Ruanda zurückkamen, habe ich gemerkt, dass sie verändert waren. Das Land hat diese Menschen zu sich selbst und ihrer Menschlichkeit geführt. Und zu ihrer wirklichen Sehnsucht: „Hey das ist doch das Beste, was uns passieren kann, den Ruandesen zu helfen, die Schulbildung im Land voranzubringen, und als Gegenleistung bekommen wir Nachhilfeunterricht in Menschlichkeit.“ Und seitdem fahren jedes Jahr Mitarbeiter nach Afrika, um dort Nachhilfeunterricht zu bekommen.

Bild: © Bodo Janssen, Upstalsboom

„Das Wundervolle ist: Mir wird von Woche zu Woche bewusster, wie groß und hoch die Anzahl der Menschen bereits ist, die sich tatsächlich schon in diese Richtung verhält. Da bekomme ich eine Gänsehaut. Die sich nicht nur interessieren, sondern auch im Verhalten danach orientieren. Das macht so viel Mut und da entsteht so viel Kraft und Motivation, … (…) Und ich glaube, dass dieser Weg auch nicht mehr aufzuhalten ist. Es wird unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft immer stärker durchdringen und das begeistert mich total.”

Wir berichten wieder mehr über positive Dinge, die im Leben passieren, und Menschen mit ihrer persönlichen Geschichte authentisch und wertschätzend in den Mittelpunkt stellen. Wie denken Sie über diesen Ansatz? Was wird langfristig mit der Arbeitswelt passieren (müssen) und was ist außerdem aus Ihrer Sicht noch notwendig?

Ich glaube, dass da eine sehr große Sehnsucht besteht, dass die Menschen nicht als Position oder Funktion ihr Dasein fristen. Dass sie sich nicht nur zwischen Arbeiten und Leben befinden, sondern sich als Mensch in der Arbeit verstehen wollen, um dann von Lebenszeit zu sprechen – anstatt zu clustern in Arbeit und Freizeit. Diese Sehnsucht wird immer stärker. Das Wundervolle ist: Mir wird von Woche zu Woche bewusster, wie groß und hoch die Anzahl der Menschen bereits ist, die sich tatsächlich schon in diese Richtung verhält. Da bekomme ich eine Gänsehaut. Die sich nicht nur interessieren, sondern auch im Verhalten danach orientieren. Das macht so viel Mut und da entsteht so viel Kraft und Motivation, weil es eine so unglaubliche große Zahl an Menschen ist, die sich da auf den Weg gemacht haben. Und ich glaube, dass dieser Weg auch nicht mehr aufzuhalten ist. Es wird unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft immer stärker durchdringen und das begeistert mich total.

Wie laden Sie Ihre Akkus wieder auf? Haben Sie da bestimmte Rituale?

Ich meditiere täglich und mache alle zwei Tage Sport mit mir selbst, mit meinem eigenen Körper, wie viele Upstalsboomer es tun, also ohne Geräte. Dafür brauche ich auch kein Fitnessstudio. Ich pflege meine Familie, aber auch die Gemeinschaft mit den Upstalsboomern. Das gibt mir Kraft. Ich versuche mein Verhalten auch so auszurichten, dass ich einen guten Schlaf habe. Das ist das Wichtigste, dass ich gut in den Schlaf komme, und gut schlafen kann. Das sind meine fünf Tankstellen.

„Ich bin dankbar für jede Begegnung mit einem Menschen, an der ich wachsen darf. Und, dass die Welt schon viel friedlicher ist, als wir glauben, und wie sie die Presse oft beschreibt.”

Was macht Sie im Herzen glücklich und wofür sind Sie täglich dankbar?

Ich bin dankbar für jede Begegnung mit einem Menschen, an der ich wachsen darf. Und, dass die Welt schon viel friedlicher ist, als wir glauben, und wie sie die Presse oft beschreibt.

Wenn Sie konkret eine Sache auf der Welt ändern könnten, was wäre das?

Wenn ich eine Sache auf der Welt ändern könnte, wäre das das plötzliche Bewusstsein der Menschen, zu erkennen, worauf es wirklich im Leben ankommt…

„Unsere Werte sind die Basis für unser soziales Engagement – u.a. unsere Initiative „Der Norden tut Gutes“ oder der Bau von Schulen in Ruanda (Friesenherz grenzenlos – Moin Moin to Ruanda).”, sagt Bodo Janssen. „Auch der Ursprung vieler interner Projekte, wie der Aufstieg auf den Kilimandscharo mit den eigenen Auszubildenden, sind auf die Wertekultur von Upstalsboom zurückzuführen.”

Mehr dazu unter: www.upstalsboom.de

Bild: © Bodo Janssen, Upstalsboom

Das ganze Interview ist in einer vorherigen Ausgabe des Magazins Pure & Positive erschienen.


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