Gemeinsam für eine bessere Welt

Ihr Herz ließ sich nicht teilen.

Christin Prizelius | 02.10.24 | Interview mit Claudia Wenzel | © M. Knickriem

Die deutsche Schauspielerin, Synchronsprecherin, Sängerin und Moderatorin, Claudia Wenzel, über ihr Buch „Mein Herz ließ sich nicht teilen — Eine Wendegeschichte”, die aktuelle Weltlage, eigene Werte, positiven Wandel, den Beruf der Schauspielerin, das Reisen, ihre Talkabende und ihr soziales Engagement.

Liebe Frau Wenzel, was macht das mit Ihnen, wenn Sie auf die aktuelle Weltlage schauen? Wie kommen Sie gut durch die aktuelle Zeit?

Ich denke, die aktuelle Weltlage macht mit uns allen etwas. Das ist etwas, was wir noch nie so nah erlebt haben, einen Krieg vor der Haustür. Dazu kommen der Krieg in Nahost, Flüchtlingswellen und die vielen Probleme im eigenen Land. Die Landtagswahlen im Osten regen zu harten Diskussionen an und dennoch glaube ich, dass die Bevölkerung viel klüger ist, als die Politiker oft denken. Sie spüren, dass ihre Probleme, Ängste und Unsicherheiten nicht ernst genommen werden. Dadurch entsteht Protestwahl oder Politikverdrossenheit. Das hat sich im ganzen Land breit gemacht, gepaart mit einem Gefühl der Enttäuschung. Ich fand z. B. Diskussionen über Leitkultur immer wichtig, weil man als ein Land durchaus eine Leitkultur haben kann. Haben wir nicht auch Werte, die wir verteidigen müssen?! Dies und vieles mehr hat sich in den letzten Jahren angestaut und führt nun zu diesen Extremen in der Politik und im gemeinsamen Miteinander. Man akzeptiert kaum noch respektvoll andere Haltungen und Meinungen. Das beschäftigt mich aktuell schon sehr!

„Wir sollten uns wieder viel mehr auf unsere menschlichen Urinstinkte verlassen, die wir alle haben, und das heißt eigentlich immer Nächstenliebe und freundlich zu sein. (…) Man muss nicht immer einer Meinung sein und kann trotzdem vernünftig miteinander umgehen.”
 

Jetzt mal von der Politik runter auf unsere Gesellschaft im Kleinen, seien das jetzt Nachbarn, der Verein oder der Freundeskreis. Wie schauen Sie darauf, wie wir da miteinander umgehen? Wie kann man einen positiven Wandel hinbekommen? Was wäre ein Ansatz, damit man es wieder schafft, weicher, netter, positiver miteinander umzugehen? Was braucht es dafür?

Ich weiß es manchmal auch nicht, aber ich denke einfach, dass wir uns wieder viel mehr auf unsere menschlichen Urinstinkte verlassen sollten, die wir alle haben. Und das heißt eigentlich immer Nächstenliebe, freundlich zu sein und sich zu freuen, dass man hier lebt gemeinsam in unserem Land, egal ob aus OST WEST NORD ODER SÜD. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern auf der Welt geht es uns ja immer noch wunderbar. Es fängt doch schon damit an, die Nachbarn zu grüßen, auf der Treppe kurz miteinander zu plaudern oder der älteren Dame vielleicht mal die Tasche hochzutragen. Also diese ganz normalen kleinen Dinge des täglichen Miteinanders. Dies hat auch viel mit christlichen Werten zu tun. Man muss nicht immer einer Meinung sein und kann trotzdem vernünftig, freundlich und fair miteinander umgehen.

„Ich komme immer wieder auf die Grundwerte des menschlichen Daseins zurück: den Nachbarn ein Blümchen vor die Tür stellen oder andere kleine Gesten, die nichts kosten, wie Freundlichkeit oder ein Lächeln schenken.”

Ich denke, unsere Aufgabe in unserer Gesellschaft, in unserer Demokratie, ist es außerdem, sich selbst auch immer wieder einzubringen. Für unsere Demokratie einstehen und dieses besondere Gut zu nutzen und zu leben. Natürlich haben sich die  Welt und auch unsere einzelnen Leben verändert, aber trotzdem komme ich da immer wieder auf die Grundwerte des menschlichen Daseins zurück: den Nachbarn ein Blümchen vor die Tür stellen oder andere kleine Gesten, die nichts kosten, wie Freundlichkeit oder ein Lächeln schenken. Dies gilt im Kleinen wie im Großen… Wichtig finde ich im Gespräch zu bleiben und andere Meinungen zu respektieren und wieder mehr faire Diskussionskultur zu leben. Ich muss auch andere Meinungen respektieren und fair hinterfragen können, ohne zu verurteilen oder Menschen in politische Ecken zu schieben. Mein Spruch: „Das Lächeln, das du aussendest, kehrt zu dir zurück!” hilft oft dabei.

Sie sind eines der bekanntesten deutschen Gesichter der TV-Landschaft, treten unter anderem als Sängerin auf, halten aber auch Lesungen ab und verleihen im Synchronstudio anderen Gesichtern ihre einprägsame Stimme. Worauf legen Sie immer großen Wert, wenn Sie sich für irgendwie eine Rolle oder eine Aufgabe oder irgendwie ein Angebot entscheiden?

Erst einmal freue ich mich über jedes Angebot, das kommt, und wenn gleich beim ersten Lesen ein Funken überspringt sind dies besonders glückliche Berufserlebnisse. Der erste Eindruck ist für mich immer der wichtigste. Aber ich glaube, jeder Schauspieler möchte einfach arbeiten, neue Herausforderungen in diesem wunderbaren Beruf meistern. Im Grunde kannst du aus der kleinsten Rolle – egal ob im Theater oder vor der Kamera — immer etwas rausholen. Man fühlt sich von bestimmten Geschichten, Situationen angesprochen oder nicht. Ich habe natürlich auch schon Theaterstücke zugeschickt bekommen, wo ich gesagt habe, dass ich das nicht spielen möchte, weil ich es mich schauspielerisch oder dramaturgisch nicht überzeugt hat. Aber bei den meisten beruflichen Angeboten bin ich als Schauspielerin sehr offen. Es kann ja auch sehr spannend sein, etwas anzunehmen, was einem nicht gleich zusagt, weil man sich so nämlich nochmal ganz anders mit dieser Arbeit auseinandersetzt. Das ist das Schöne, was ich so an meinem Beruf mag.

Zusammen mit Ihrem Mann Rüdiger Joswig sind Sie außerdem gern auf Reisen, wobei Sie auch fern der Touristenattraktionen das wahre Leben, Land und Leute kennenlernen und sich sozial engagieren. Wohin reisen Sie gerne und gibt es irgendwas, was Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Mein Mann hat ein Jahr lang in Afrika gedreht und dadurch haben wir den Kontinent kennengelernt. Wir waren wirklich mittendrin in Simbabwe, ein Land was uns fasziniert hat und welches wir auch später immer wieder besucht haben. Während der Dreharbeiten haben wir auf einer Farm gelebt und drei Kindern von den Küchenfrauen die Schulausbildung bezahlt und ihnen somit den Zugang zu Bildung verschafft. Dadurch sind sie natürlich wunderbar in ihrem Leben weitergekommen, weil Bildung wie überall etwas ganz Wichtiges ist. Die Kinder sind mittlerweile groß und die Patenschaft beendet, aber ab und zu bekommen wir eine Nachricht oder ein Foto und freuen uns, dass sie ihr Leben gemeistert haben. Das Geld ist direkt dort angekommen, wo es sein sollte. Das war uns wichtig. Durch die Dreharbeiten hat man oft das Glück in wunderbaren Ecken dieser Welt arbeiten zu dürfen, wie z.B. in Kanada, Australien, Thailand oder eben auch in Afrika. Urlaub zu machen ist für uns aber ebenfalls wichtig, dann allerdings nicht irgendwo in einem Hotel abzuhängen, sondern sich ein Auto zu mieten und durch das Land zu fahren, um die Menschen und die Natur hautnah kennenzulernen. Das ist schon etwas Wunderbares.

Sie haben früher in Serien wie Dr. Stefan Frank und unser Lehrer Dr. Specht mitgespielt und diese sehr mitgeprägt. Mit welchen Gefühlen schauen Sie heute darauf zurück? Was hat sich verändert im Laufe der Zeit? Wie schauen Sie als Schauspielerin darauf?

Es hat sich im Vergleich zu heute schon sehr viel verändert. Meine Serienrollen waren für mich ein Glückstreffer als Schauspielerin aus der DDR. Sie ermöglichten mir sehr schnell den Gesamtdeutschen Einstieg im Deutschen Fernsehen nach dem Mauerfall und ich habe diese Rollen sehr geliebt. Die Irene Kadenbach beispielsweise aus “Dr. Stefan Frank”, die immer für „Stimmung“ in der Klinik gesorgt hat. Oder die Rolle der Fanny Moll. Mich sprechen Leute heutzutage immer noch viele Menschen auf diese Rolle aus der ZDF Serie “Unser Lehrer Doktor Specht” an. Heute hat sich das Serien — Geschäft durch Netflix, Sky usw. total verändert. In den 90iger Jahren waren wir oft Serienschauspieler. Ich hatte damit kein Problem, weil Vielseitigkeit für mich in diesem Beruf immer das Entscheidende war und ist. Auch vor der Kamera vergleiche meinen Beruf immer mit dem Theater, wo man mal Komödie oder Klassiker wie Shakespeare und Goethes spielt, und dann am nächsten Tag wieder etwas Lustiges oder vielleicht sogar ein Weihnachtsmärchen.

„Der Schauspielerberuf hat schließlich auch etwas mit Handwerk zu tun!”

Diese Vielseitigkeit macht ja gerade diesen Beruf aus, aber schnelllebiger ist er geworden. Auch die Achtung vor dem Beruf fehlt mir manchmal. Früher, wenn man am Set war und mit großen Schauspielern gedreht hat, war man voller Ehrfurcht und hat erst einmal in der Ecke gesessen, bis jemand auf einen zukam. Heute kommen junge Schauspieler mit den Worten auf einen zu: „Ey du da, wir haben doch jetzt zusammen eine Szene…” Da sage ich dann schon mal: „Also bitte erst einmal Frau Wenzel!”. Das hat sich in meinen Augen schon verschoben. Womit wir wieder bei Respekt und Umgangsformen sind. Ich habe diesen Beruf noch richtig gelernt und studiert. Dieser Beruf hat schließlich etwas mit Handwerk zu tun. Manchmal sage ich mir, dass ich noch die richtig tollen Schauspielerzeiten erlebt habe, wo der Beruf noch einen anderen Stellenwert hatte. Es hat sich einfach viel verändert — wie alles um uns herum.

Ja, das kann ich gut verstehen. Und dann kommt sicherlich auch noch dieser Wandel durch AI (Artificial Intelligence) bzw. KI (Künstliche Intelligenz) dazu, der manche Berufe gänzlich ersetzen wird, oder? (Anm. d. Red.)

Ja, das nächste Feld, das unseren Beruf verändern wird und ja auch schon verändert. Im Synchrongeschäft beginnt diesbezüglich schon eine Menge und Weiteres wird folgen und auch auf das Filmgeschäft Einfluss nehmen. Theater hingegen, der Ursprung unseres Berufs, die sogenannten “Bretter, die die Welt bedeuten”, wird man hingegen nicht verändern können. Da muss man leibhaftig auf der Bühne stehen. Das kann keine KI für einen machen. Genauso wie Konzerte, wo Musiker auftreten, spielen, musizieren, singen — das wird alles bleiben. Ich denke außerdem, dass irgendwann auch diese große Sehnsucht kommen und sich alles wieder in eine ursprüngliche Richtung bewegen wird, da wir alle mit diesen Medien tagtäglich beschäftigt sind. Vielleicht wird man sich dann auch im Filmgeschäft wieder anders besinnen, dass man wieder kontinuierlicher, intensiver und bewusster arbeitet und nicht so viel produziert, was austauschbar ist. Aber das ist alles meine subjektive Sichtweise. Viele meiner Kollegen werden das jetzt vielleicht auch anders sehen und das ist gut so. Da sind wir wieder bei dem, was wir vorher gesagt haben: Jeder muss und darf seine Meinung haben.

Bild: © M. Knickriem

Gibt es Rollen, die Sie irgendwie verändert oder nachhaltig geprägt haben?

Das ist eine sehr gute Frage. Prägen würde ich aber nicht unbedingt sagen. Mit jeder Rolle fängt man bei null an, das ist das spannende an der Schauspielerei. Man lernt dazu und nimmt auch aus jeder Arbeit etwas für sich und den Beruf mit. Natürlich gibt es spannende Produktionen, wo man vor der Kamera oder auf der Bühne nochmal eine andere Facette von sich zeigen kann, wo man Dinge ausprobiert oder entdeckt — welche man vorher so gar nicht gefühlt oder empfunden hat. Auch bewertet man nach der Arbeit was schauspielerisch gut oder schlecht war. Prägend sind die Geschichten, welche erzählt werden, mit denen man sich auseinandersetzt, mit denen man sich beschäftigt. Sie verändern auch ab und zu meine Sichtweisen. Das ist spannend und bereichernd. Das sind die schönen Erfahrungen, welche ich an dem Beruf schätze.

Sie sind über all Ihr Wirken auch gesellschaftspolitisch sehr engagiert. Sie haben den Wandel der DDR miterlebt und beobachten sehr aufmerksam die Entwicklung in unseren gesellschaftlichen Strukturen. Außerdem setzen Sie sich auch sehr für Diskussionen ein. Ein Beispiel sind hier Talkabende in Ihrer Heimatstadt Lutherstadt Wittenberg mit Gästen aus Politik, Wirtschaft und dem öffentlichen Leben. Können Sie uns da vielleicht noch mal ein bisschen mitnehmen?

Meine Eltern sind Vertriebene aus dem Sudetenland und haben dann in Lutherstadt Wittenberg in Sachsen- Anhalt ihre neue Heimat gefunden. Wir sind dort glücklich aufgewachsen, waren eine kinderreiche Familie, uns ging es sehr gut und ich habe immer meinen Kontakt zu dieser Stadt aufrechterhalten, weil ich diese sehr mag. Irgendwann kam der Punkt, wo ich dachte, dass ich der Stadt irgendetwas zurückgeben und mich bedanken möchte. So entstand die Idee mit dem Talk. Da gibt es ein wunderschönes Theater, das CLACK Theater, direkt am Marktplatz, wo 100 Leute reinpassen. Ich bin mit denen ins Gespräch gekommen, dass ich gerne so einen Talk entwickeln und Leute aus verschiedenen Richtungen zweimal im Jahr ins Gespräch bringen möchte. Ich bin dann aber immer mit jedem alleine auf der Bühne, also nicht in einer Runde, sondern jeder kriegt seine 20 Minuten und dazu kommt dann immer Musik von der Musikschule in Wittenberg oder irgendeiner kleinen Band, die es in Wittenberg gibt, und dann den Prominenten. Mein Name öffnet da schon ein paar Türen. Ich betone dann immer, dass es mir nicht darum geht, irgendjemanden vorzuführen, sondern dass wir einfach miteinander reden wollen. Das funktioniert wunderbar und wir haben so auch schon einiges erreicht. Es bereitet mir großen Spaß, die Leute ins Gespräch zu bringen, auch wenn es viel Arbeit bedeutet. Aktuell bereite ich den November Termin vor. Mein Mann ist mein Co-Moderator und unterstützt mich den Abend über. Das macht viel Freude und man lernt sehr viel.

Claudia Wenzel zu ihrem Buch „Mein Herz ließ sich nicht teilen — Eine Wendegeschichte”:

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„Jeder sollte sein Leben genießen, das Beste draus machen und sich selbst treu bleiben.”

Sie hatten es ja zwischendurch zum Thema Lebensmotto schon mal angerissen. Was ist das bei Ihnen, was Ihnen jeden Tag Kraft gibt? Womit kommen Sie gut mit durch den Tag?

Mein Lebensmotto ist: „Das Lachen, das du aussendest, kommt zu dir zurück!” Jeder hat und kennt diese Tage, wo man früh morgens denkt: „Oh Gott, heute diese Termine und das alles… was für ein Tag.” Ich versuche dann den Tag so zu starten: jetzt mal kurz ein bisschen lachen, ein bisschen lustig sein und mal gucken, wer mein nächstes Opfer auf der Straße ist, dem ich ein freundliches “guten Morgen!” zuschmettern kann (lacht). Andererseits gehört es aber auch dazu, dass wir mal Tage haben, wo es uns einfach nicht so gut geht und wir uns auch mal hängen lassen können. Das ist ganz normal. Letztendlich ist das Leben etwas Wunderschönes. Jeder sollte sein Leben genießen, das Beste draus machen und sich selbst treu bleiben…

Vielen Dank für diesen wertvollen Austausch und Ihre wunderbaren Antworten!

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„35 Jahre nach dem Mauerfall blickt die Schauspielerin in ihrer Autobiografie »Mein Herz ließ sich nicht teilen« zurück auf ihre eigene Zerrissenheit. Sie beleuchtet einen prägenden Abschnitt deutscher Geschichte und wirft einen kritischen Blick auf die heutige gesellschaftliche sowie politische Landschaft. Als Ostdeutsche, aufgewachsen hinter der Mauer, schlug Claudia Wenzel ihren ganz eigenen Weg in einem geteilten Deutschland ein. Gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Schauspieler Rüdiger Joswig, der damals eine andere Entscheidung traf und die DDR verließ, kämpft sie heute gegen das Vergessen und für die Erinnerung an eine Zeit, die das ganze Land nachhaltig geprägt hat.” 

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Cover: © KNAUR Verlag


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