Christin Prizelius ist Co-Founder und Editor at Large von und bei Pure & Positive. Sie schreibt außerdem regelmäßig Impulsbeiträge über unterschiedliche Themen, die im Magazin und auf dem Portal erscheinen. Ihre Vision ist es, ein Format für und mit Menschen zu schaffen, die die Welt zu einem besseren Ort machen und positive Nachrichten, Impulse und Inspirationen in den Fokus stellen.
Das Thema Stärken hat mich persönlich sehr beschäftigt, weil es einerseits so banal aber gleichzeitig auch so komplex ist. Und weil es mich in meinem bisherigen Leben selbst sehr intensiv begleitet hat, wenn eine Zeit lang auch eher unbewusst. Es geht hier um meine, unsere Stärken. Stärken sind die Basis, sie bilden unser Fundament. Es gibt keinen zweiten Menschen, der genau so ist, wie wir. Aber das zu erkennen und zu schätzen, war für mich ein langer und schmerzhafter Prozess. Ein kleiner Rückblick: In unserem Abibuch 2002 stand bei mir ‑neben einigen unschöne Dingen, die man jemandem zum Abschluss und zur Erinnerung so nochmal anonym reindrücken und mit auf den Weg geben konnte, aber natürlich auch vielen netten Sätzen, einer, der mir vor allem im Gedächtnis geblieben ist: „Es steckt bestimmt mehr in ihr, als sie uns zu zeigen bereit war…!“ Und ja, das stimmte. Bis heute weiß ich nicht, wer ihn geschrieben hat, aber er hat sich eingebrannt und ich erinnere mich in vielen Situationen daran.
“Warum legen wir nicht mehr den Fokus auf das, was positiv ist?”
Erst mit der Zeit zeigte sich für mich Schicht für Schicht eine Art „Zwiebelschalenmodell“, durch das ich an diesen, meinen, wahren inneren Kern –und meine Stärken– kam und zu dem, was ich schließlich immer mehr von mir zu zeigen bereit war. Ich sah darin nämlich keine Schwäche mehr. Ich erkannte meine Stärken und wurde selbstsicherer. Mich faszinierte zunehmend, dass es nicht so sein muss, dass wir uns in unserer Überflussgesellschaft auf Mangel, Schwächen und Misserfolge konzentrieren– sondern, dass es auch einen anderen Weg gibt. Lange wurde die Psychologie mit seelischen Krankheiten und Schwächen eines Menschen verbunden. Martin Seligman und Christopher Peterson verfolgten dann aber 2004 den Ansatz, Menschen viel mehr über ihre Stärken zu definieren. Und so starteten sie eine groß angelegte Studie. Sie kamen zu dem Ergebnis von 24 Charakterstärken, die zu allgemeinen menschlichen Tugenden zusammengefasst wurden. Dazu gehören unter anderem Mut, Gerechtigkeit, Spiritualität und Menschlichkeit. Ich war begeistert! „Aber warum wissen das noch so Wenige?!“, dachte ich mir. Warum legen wir nicht mehr den Fokus auf das, was positiv ist? Wie finden wir nun aber den Weg zu unseren eigenen Stärken?! Neben wissenschaftlichen Tests können wir zunächst einfach mal mit einfachen Fragen bei uns anfangen. Ich sage in meinen Coachings immer: „Einfach bei sich bleiben und hören, was Seele Körper und Geist uns zu sagen haben!“. Das ist ein Satz, der so viel beinhaltet, denn er bedeutet, dass wir erst einmal entschleunigen, innehalten, uns nicht vergleichen, unsere Bedürfnisse wahrnehmen und was wir gerade brauchen.
“Die Positive Psychologie beschäftigt sich damit, was das Leben lebenswerter und uns im Ergebnis zufriedener und glücklicher macht.”
Die Positive Psychologie beschäftigt sich damit, was das Leben lebenswerter und uns im Ergebnis zufriedener und glücklicher macht. Und auch hier bedarf es einer Selbstreflexion: Was brauche ich? Was tut mir gut? Wer bin ich? Es geht hier um Themen wie Glück, Wohlbefinden, allgemein um positive Gefühle, aber auch unsere Begabungen, Talente, positiven Eigenschaften und Fähigkeiten sowie allgemeine Lebenszufriedenheit –beruflich und privat– und ganz explizit auch unsere Charakterstärken, womit sich beispielsweise die Universität Zürich intensiv beschäftigt hat. Wir sind alle einzigartig und individuell. Was liegen in dieser Tatsache allein für Chancen und Möglichkeiten? Dass wir beispielsweise nicht mehr die Konkurrenz sehen, sondern viel mehr, wie man gemeinsam und miteinander wachsen kann!?
So können wir unsere Potentiale weiterentwickeln. Und eine Sache erkannte ich einmal mehr beim Lesen einiger Beiträge, die mir für die Januarausgabe eingereicht wurden, dass wir nämlich oft Rollen spielen, Masken aufsetzen, die uns nicht gut tun, uns selbst ‑aber auch andere- schwach machen und uns auf die Schwächen konzentrieren. Aber warum?! Weil wir nicht bei uns und unseren Stärken sind. Als ich mich vor noch nicht allzu langer Zeit selbst in einer Phase größter Selbstzweifel befand, mit mir hart ins Gericht ging und Sätze wie „Ich schaffe das. Basta!“ meinen Tag bestimmten, egal wie ich mich fühlte, bin ich für ein paar Sitzungen zu einem Coach gegangen. Sie wendete unter anderem die Wingwave Methode an. Als ich ihr meine Geschichte erzählte, einschneidende Erfahrungen und Erlebnisse schilderte und welche Glaubenssätze mir noch immer oft im Weg stehen, legte sie in einem sehr entscheidenden Moment kurz ihre Hand auf meinen Unterarm und sagte: „Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass der Weg, den Sie sich ausgesucht haben und den Sie seit Jahren gehen, sehr viel innere Stärke erfordert?!“. Da war erst einmal Stille im Raum und ich merkte, wie schwer es mir fiel, dies anzunehmen, das auszuhalten. Heute sage ich mir viel weicher „Ich schaffe das!“ und spüre dabei fast die Hand, die ich meinem kindlichen Ich dabei selber reiche.
“Wir wissen oft leider viel zu wenig bewusst um unsere Stärken, sehen sie entweder nicht als Stärken an oder erlauben uns nicht, dass wir sie haben dürfen, dass wir großartig und einzigartig sind. (…) Wunder können wir uns selbst kreieren, schöpfen und gestalten.”
Wir wissen oft leider viel zu wenig bewusst um unsere Stärken, sehen sie entweder nicht als Stärken an oder erlauben uns nicht, dass wir sie haben dürfen, dass wir großartig und einzigartig sind. Wege zur Erkenntnis für die eigenen Stärken können dabei zunächst einmal die Fragen sein: Woran habe ich Freude? Was konnte ich schon in der Schule richtig gut? Was sehen Personen meines Vertrauens als meine Stärken an? Und dann kann man über Tests tiefer in die Materie einsteigen. Inzwischen gibt es viele Studien dazu, wie man die positiven Aspekte von Menschen erfassen und berücksichtigen kann. So fand ich zu meinen Stärken, die ich heute bewusst lebe und gerne zu zeigen bereit bin. Ich erfreue mich inzwischen täglich daran, mit anderen Menschen gemeinsam positive Impulse und Inspirationen in die Welt zu bringen, und Synergieeffekte entstehen zu lassen. Mein Fokus liegt auf meinen Stärken und Fakt ist: Stärken hat jeder Mensch! Lasst sie uns erkennen und leben. Jeder hat etwas, worin er oder sie gut ist, und das herauszufinden und auszubauen, kann zu Erfolgserlebnissen, Glücksgefühlen und Dominoeffekten führen. Dazu fand ich auch ein tolles Zitat von Audrey Hepburn: „Ich glaube daran, stark zu bleiben, wenn alles schiefläuft. Ich glaube daran, dass fröhliche Mädchen die hübschesten sind. Ich glaube daran, dass Morgen ein neuer Tag ist, und ich glaube an Wunder!“ Diese Wunder können wir uns selbst kreieren, schöpfen und gestalten. Das erfüllt mich durch das Leben meiner Stärken jeden Tag mit großer Dankbarkeit.
Wer mehr über Charakterstärken erfahren und seine eigenen herausfinden möchte, kann auch direkt mal bei der Universität Zürich vorbeischauen: www.charakterstaerken.org
Der gesamte Beitrag wurde in einer vorherigen Ausgabe vom Magazin Pure & Positive veröffentlicht.