Achtsamkeit, oder Mindfulness, ist weit mehr als nur ein flüchtiger Trend. Es ist eine jahrtausendealte Praxis, die ihre Wurzeln im Buddhismus hat und mittlerweile wissenschaftlich erforscht und als wirksames Werkzeug für psychische und physische Gesundheit anerkannt ist. Im Kern geht es bei der Achtsamkeit darum, den gegenwärtigen Moment bewusst und ohne Wertung wahrzunehmen. Es ist eine Einladung, aus dem Autopiloten-Modus auszusteigen und das Leben mit allen Sinnen zu erfahren.
Was ist Achtsamkeit wirklich?
Achtsamkeit ist eine innere Haltung. Es ist die Fähigkeit, die eigenen Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen zu beobachten, ohne sie zu beurteilen oder sich in ihnen zu verlieren. Wenn wir zum Beispiel eine Tasse Tee trinken, sind wir oft mit unseren Gedanken bei der Arbeit, den bevorstehenden Aufgaben oder einem Gespräch vom Vortag. Achtsam zu sein bedeutet, den Moment bewusst zu erleben: die Wärme der Tasse in der Hand, den Duft des Tees, den Geschmack auf der Zunge und das Gefühl, wie das warme Getränk den Rachen hinunterfließt. Diese Praxis hilft uns, uns von dem ständigen Strom der Gedanken zu lösen, der uns oft in die Vergangenheit (Grübeleien) oder die Zukunft (Sorgen) entführt. Achtsamkeit bringt uns zurück in das Hier und Jetzt, wo das Leben tatsächlich stattfindet.
Die Wissenschaft hinter der Achtsamkeit
In den letzten Jahrzehnten hat die Forschung die positiven Effekte der Achtsamkeit immer wieder bestätigt. Sie ist keine mystische Praxis, sondern hat handfeste neurobiologische Auswirkungen. Studien zeigen, dass regelmäßige Achtsamkeitspraxis die Struktur und Funktion des Gehirns verändern kann.
Verringerung von Stress und Angst
Achtsamkeit aktiviert den präfrontalen Kortex, der für die Entscheidungsfindung und emotionale Regulierung zuständig ist. Gleichzeitig verringert sie die Aktivität in der Amygdala, dem Zentrum für Angst und Stress. Das Ergebnis: Wir reagieren gelassener auf stressige Situationen.
Verbesserung der Konzentration
Durch die bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit wird der „Aufmerksamkeitsmuskel“ gestärkt. Dies führt zu einer besseren Fokussierung im Alltag und bei der Arbeit.
Steigerung des emotionalen Wohlbefindens
Achtsamkeit hilft uns, unsere Gefühle besser zu erkennen und zu verstehen, ohne von ihnen überwältigt zu werden. Dies fördert die emotionale Intelligenz und ein gesünderes Verhältnis zu uns selbst.
Linderung von chronischen Schmerzen
Viele Menschen, die an chronischen Schmerzen leiden, berichten, dass Achtsamkeit ihnen hilft, die Schmerzempfindung anders wahrzunehmen. Anstatt sich gegen den Schmerz zu wehren, lernen sie, ihn als eine Empfindung zu akzeptieren, was die psychische Belastung oft verringert.

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Wie man Achtsamkeit in den Alltag integriert
Achtsamkeit muss nicht kompliziert sein. Es geht nicht darum, stundenlang in stiller Meditation zu sitzen, sondern darum, kleine, bewusste Momente in den Tag einzubauen.
Achtsam atmen: Nimm dir mehrmals am Tag ein paar Minuten Zeit, um dich auf deinen Atem zu konzentrieren. Beobachte, wie die Luft in deinen Körper strömt und ihn wieder verlässt. Dies ist eine einfache und sofort wirksame Methode, um sich zu zentrieren.
Achtsame Routine-Aktivitäten: Mache dir Routine-Tätigkeiten zu Achtsamkeitsübungen. Beim Zähneputzen spüre bewusst die Borsten auf den Zähnen. Beim Abwaschen konzentriere dich auf das Gefühl des warmen Wassers und den Geruch des Spülmittels.
Der Bodyscan: Lege dich hin und wandere gedanklich durch deinen Körper, von den Zehen bis zum Kopf. Spüre jeden Teil, nimm eventuelle Empfindungen wahr und entspanne die jeweiligen Muskeln bewusst.
Achtsames Essen: Iss bewusst und ohne Ablenkung. Kaue langsam, schmecke jede Zutat und spüre, wie dein Körper sich sättigt.
Achtsamkeit in der Praxis: Der Umgang mit schwierigen Gefühlen
Achtsamkeit ist besonders hilfreich, wenn wir uns mit unangenehmen Emotionen wie Wut, Trauer oder Angst konfrontiert sehen. Die meisten von uns versuchen, diese Gefühle zu unterdrücken oder abzulenken. Achtsamkeit lehrt uns einen anderen Weg: die Gefühle anzunehmen. Statt zu sagen „Ich bin wütend“, kannst du achtsam beobachten: „Ich spüre eine Welle der Wut in meinem Körper. Mein Kiefer ist angespannt, mein Herz schlägt schneller.“ Indem du die Emotion auf diese Weise beobachtest, schaffst du eine Distanz zu ihr. Du bist nicht mehr das Gefühl, sondern der Beobachter des Gefühls. Dies ermöglicht es, bewusster zu entscheiden, wie du reagierst, anstatt impulsiv zu handeln.
Achtsamkeit als Lebensphilosophie
Achtsamkeit ist keine Technik, die man beherrscht, sondern ein lebenslanger Prozess. Es geht nicht darum, perfekt zu sein oder nie wieder negative Gedanken zu haben. Es geht darum, immer wieder zum gegenwärtigen Moment zurückzukehren, auch wenn man abgelenkt ist. In unserer schnelllebigen und leistungsorientierten Gesellschaft bietet Achtsamkeit einen Gegenpol. Sie erinnert uns daran, dass das Glück nicht in der ständigen Optimierung oder im Erreichen des nächsten Ziels liegt, sondern in der bewussten Erfahrung des Lebens, so wie es gerade ist. Sie ist ein Werkzeug, um aus dem Hamsterrad auszubrechen, inneren Frieden zu finden und eine tiefere Verbindung zu uns selbst und der Welt um uns herum aufzubauen. Vielleicht ist der erste Schritt zur Achtsamkeit so einfach wie dieser: Halte inne, schließe für einen Moment die Augen und spüre, wie du gerade in deinem Stuhl sitzt und wie die Luft deine Lungen füllt. Genau jetzt, in diesem Moment, bist du vollkommen präsent…
Fällt es dir schwer, dich in stressigen Situationen zu zentrieren, oder hast du eine Achtsamkeitspraxis, die dir besonders gut hilft? Ich freue mich auf den Austausch dazu mit dir unter christin@pureandpositive.com!

Christin Prizelius ist Co-Founder und Editor at Large von und bei Pure & Positive. Sie schreibt außerdem regelmäßig Impulsbeiträge über unterschiedliche Themen, die im Magazin und auf dem Portal erscheinen, und führt Interviews u.a. für den „Kraftvoll & Erfüllt leben”-Podcast. Die Vision von ihr und dem Team ist es, ein Format für und mit Menschen zu schaffen, die die Welt zu einem besseren Ort machen und positive Nachrichten, Impulse und Inspirationen in den Fokus stellen möchten.
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