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Städtische Harmonien: Wie Kunst Brücken zur Nachhaltigkeit baut

Christin Prizelius | 15.08.25 | Interview mit Johanna Wiens | © Johanna Wiens

Es gibt Künstlerinnen und Künstler, deren Werke nicht nur visuell ansprechen, sondern auch tiefgründige Fragen aufwerfen und zum Nachdenken anregen. Eine solche Künstlerin ist Johanna Wiens. Sie ist unter anderem bekannt für ihre facettenreichen Arbeiten, die sich mit den unterschiedlichsten Themen auseinandersetzen, und möchte mit ihren Bildern dazu anregen, über die Gestaltung von urbanen Räumen nachzudenken und konkrete Ideen für eine nachhaltigere Zukunft zu entwickeln. Ihre Kunstwerke zeichnen sich durch eine beeindruckende Detailtiefe und eine ganz eigene poetische Sprache aus. Sie schafft es immer wieder, das Unsichtbare sichtbar zu machen und uns in Welten zu entführen, die gleichzeitig vertraut und doch rätselhaft erscheinen. Wir durften ihr unter anderem ein paar Fragen zu ihren Inspirationen, kreativen Prozessen und Botschaften hinter ihren Werken stellen.

Liebe Johanna, deine Arbeiten zeichnen sich oft durch eine besondere Tiefe und emotionale Resonanz aus. Wie war dein Weg? Wolltest du schon immer als Künstlerin arbeiten?

Ja, seit ich denken kann, male ich. Mit zehn Jahren flogen wir zu meinem Großonkel Rudolf Anton Messner nach Vancouver. Er hat bei mir die Faszination eines Künstlerateliers ausgelöst. Das war ein magischer Ort, an dem Fiktion und Realität zusammenkamen, ein Ort des Chaos und der Ordnung zugleich. Das Atelier mit seinen besonderen Gerüchen der Ölfarbe – ein Ort, an dem Künstler ihren Sehnsüchten und Ängsten nachgehen können. Diesen Ort wollte ich auch für mich. Seitdem male ich intensiv. Nach dem Abitur habe ich sofort an der Kunstakademie studiert. Da ich technisch sehr gut war, durfte ich mir aussuchen, bei wem ich studiere: Klapeck, Penck, Lüpertz oder Immendorff. Nach meiner Zeit als Meisterschülerin hat es mich dann in die Ferne gezogen.

„Der Blick von oben löste etwas Beruhigendes in mir aus. Man sah von oben die Dynamik des Lebens, die Kontraste in der Architektur. Ich versuche, die Energie und Seele einer Stadt einzufangen und dem Betrachter ein Gefühl für das Wesen der Stadt zu vermitteln.”

Was inspiriert dich am meisten, wenn du ein neues Kunstwerk beginnst? Gibt es ein bestimmtes Thema oder Motiv, das sich wie ein roter Faden durch dein bisheriges Schaffen zieht? Wenn ja, welches und warum ist es dir so wichtig?

Ich habe bisher viele Themen und Motive durchlaufen und im Laufe der Zeit alle möglichen Stile ausprobiert. Aber seit meiner Kindheit faszinieren mich Städte. Während meiner Akademiezeit ging ich immer auf das Dach der Kunstakademie. Der Blick von oben löste etwas Beruhigendes in mir aus. Man sah von oben die Dynamik des Lebens, die Kontraste in der Architektur. Ich versuche, die Energie und Seele einer Stadt einzufangen und dem Betrachter ein Gefühl für das Wesen der Stadt zu vermitteln.

Bilder: © Johanna Wiens

Du arbeitest mit verschiedenen Medien und Techniken. Gibt es eine Technik, die du besonders schätzt oder die du in letzter Zeit neu für dich entdeckt hast?

Ganz am Anfang meiner Laufbahn habe ich fotografisch gearbeitet. Nach und nach entdeckte ich aber, dass man durch die abstrahierte Darstellung viel mehr einfangen und vermitteln kann. Die Details sind dann zwar nicht mehr da, aber die Stimmung lässt sich meiner Meinung nach viel besser einfangen. Aber ich mache auch gerne Skulpturen und zeichne ununterbrochen.

Die Stadt Düsseldorf findet sich viel in deinen Werken. Was beinhaltet für dich dabei der Ansatz von „Urban Cities”? Was ist dir in deinen Werken wichtig zu vermitteln?

Ich lebe in Düsseldorf und diese Stadt hat mich geprägt und geformt. „Urban Cities“ ist für mich ein pulsierendes Ökosystem. Ich male nicht nur die Architektur, sondern auch die unsichtbaren Verbindungen und Interaktionen, die eine Stadt am Leben erhalten. Ich interessiere mich auch sehr für Geschichte. So habe ich zum Beispiel in 100 Kunstwerken für die Stadt Köln den Einsturz des Historischen Archivs dokumentiert. In diesem Augenblick war „Urban City“ für mich das Freilegen und Wieder-Sichtbarmachen der Schichten der Geschichte. Der Begriff „Urban City“ ist für mich eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration. Er ermöglicht mir, nicht nur die äußere Form, sondern die innere Seele und die dynamische Komplexität dieser einzigartigen Lebensräume zu erforschen und auf die Leinwand zu bringen. Alle Künstler haben für sich eine einzigartige Entwicklung.

Bilder: © Johanna Wiens

Wie hat sich deine künstlerische Handschrift im Laufe der Jahre verändert, und welche Meilensteine waren dabei besonders prägend?

Meine künstlerische Reise begann bereits in der Kindheit, wo ich mit großer Leidenschaft Bilder verschiedener Künstler nachmalte. Es war eine Zeit des Lernens durch Imitation, in der ich ein Gefühl für Formen und Farben entwickelte. Der wahre Wendepunkt kam jedoch mit dem Studium an der Kunstakademie. Dort begriff ich, dass Kunst weit mehr ist als das bloße Schaffen “schöner Bilder”. Es ging um Ausdruck, um Ideen und um die Auseinandersetzung mit der Welt. Eine besonders prägende Phase war die Zeit bei Jörg Immendorff, die mein Verständnis von Kunst stark beeinflusste. Direkt im Anschluss folgte die Kooperation mit Gerhard Merz. Merz’ Ansatz, bei dem wir uns fast ausschließlich mit Literatur und Theorie beschäftigten, eröffnete mir eine völlig neue Dimension der Kunst – die intellektuelle Durchdringung. Nach diesen intensiven Studienzeiten verspürte ich den Drang, die Welt zu erkunden. Meine Reisen durch die Atacama-Wüste in Chile und Peru waren ebenso prägend wie die darauffolgenden Jahre in China, Taiwan und Japan. Dort lernte ich nicht nur gänzlich andere kulturelle und künstlerische Ansätze kennen, sondern konnte auch meine eigene westliche Kultur aus der Distanz reflektieren. Diese Erfahrungen erweiterten meinen Horizont immens und schärften meinen Blick für globale Zusammenhänge. Ab 2005 begann sich ein neues Hauptthema in meiner Kunst zu etablieren: die Natur. Diese Entwicklung war eine direkte Reaktion auf die schockierende Umweltverschmutzung, die ich während meiner Zeit in China miterlebte. Die Dringlichkeit dieses Themas trieb mich an, meine künstlerische Stimme dafür einzusetzen und die Schönheit und gleichzeitige Verletzlichkeit der Natur in meinen Werken zu thematisieren. Dies markierte einen entscheidenden Meilenstein in der Entfaltung meiner ganz persönlichen künstlerischen Handschrift.

„Meine Botschaft ist klar: Ich möchte mit meinen Bildern dazu anregen, über die Gestaltung unserer urbanen Räume nachzudenken und konkrete Ideen für eine nachhaltigere Zukunft zu entwickeln.”

Aktuell gehst du mit ganz neuen Werken nach draußen. Bitte nimm uns hier ein bisschen mit. Welche Botschaft hast du dabei?

Die neuen Arbeiten sind mein Beitrag zur Diskussion über grüne Städte und Nachhaltigkeit. Meine Botschaft ist klar: Ich möchte mit meinen Bildern dazu anregen, über die Gestaltung unserer urbanen Räume nachzudenken und konkrete Ideen für eine nachhaltigere Zukunft zu entwickeln. Es geht darum, die Beziehung zwischen Mensch und Natur im städtischen Kontext neu zu definieren und zu zeigen, wie viel Potenzial in einer grüneren und lebenswerteren Stadt steckt. Ich hoffe, dass meine Kunst inspiriert und dazu beiträgt, unsere Städte aktiv mitzugestalten.

Bilder: © Johanna Wiens

Was ist die größte Herausforderung, der du dich als Künstlerin immer wieder stellen musst, und wie gehst du damit um?

Die größte Herausforderung, der ich mich als Künstlerin immer wieder stellen muss, liegt in der Umsetzung meiner inneren Bilder. Ich denke in Bildern, und der Prozess, diese Vorstellung mithilfe von Farben und Techniken auf die Leinwand zu bringen, ist jedes Mal eine Gratwanderung. Manchmal entwickeln die Bilder während des Malprozesses ein Eigenleben. Was ursprünglich als klare Vorstellung begann, nimmt auf der Leinwand eine unerwartete Wendung. Die Farben und Formen interagieren auf eine Weise, die ich nicht vorhersehen konnte, und das Bild entfaltet eine ganz eigene Dynamik. Dann gelingt es mir nicht immer, die ursprüngliche Vision exakt so umzusetzen, wie ich sie im Kopf hatte. Es erfordert ein Loslassen der ursprünglichen Idee und ein Eingehen auf das, was das Bild von sich aus fordert.

Es gibt diese seltenen, aber umso schätzenswerteren Momente, in denen ich spüre: Das ist ein Meisterwerk. Diese Werke erfüllen mich mit großer Freude und einem tiefen Gefühl der Zufriedenheit.

Wenn du ein Werk vollendet hast – gibt es ein Gefühl oder einen Moment der Erkenntnis, den du besonders schätzt?

Wenn ich ein Werk vollendet habe, ist das Gefühl, das sich einstellt, tatsächlich sehr unterschiedlich. Es gibt diese seltenen, aber umso schätzenswerteren Momente, in denen ich spüre: Das ist ein Meisterwerk. Diese Werke erfüllen mich mit großer Freude und einem tiefen Gefühl der Zufriedenheit. Es ist die Erkenntnis, dass alles zusammengekommen ist – die Vision, die Technik und der Ausdruck – und etwas Besonderes entstanden ist. Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele Arbeiten, mit denen ich sehr unzufrieden bin. Diese Werke werden oft gar nicht ausgestellt, sondern lagern im Atelier. Diese Momente der Selbstkritik sind zwar herausfordernd, gehören aber ebenso zum künstlerischen Prozess dazu. Sie spornen mich an, weiter zu experimentieren, zu lernen und meine Fähigkeiten zu verfeinern. Beide Extreme – die Euphorie über ein gelungenes Werk und die Frustration über ein unbefriedigendes Ergebnis – prägen meine künstlerische Reise und treiben mich an.

Bild: © Johanna Wiens

Gibt es ein Kunstwerk oder einen Künstler, der dich nachhaltig beeindruckt oder beeinflusst hat und warum?

Ja, es gibt definitiv ein Kunstwerk und einen Künstler, die mich nachhaltig beeindruckt und beeinflusst haben: Claude Monet und seine Serie der Kathedrale von Reims. Diese Werke sind für mich ein absolutes Lieblingsbild und faszinieren mich tiefgreifend. Monet hat mit dieser Serie nicht nur die architektonische Pracht der Kathedrale eingefangen, sondern vor allem das flüchtige Spiel des Lichts und der Atmosphäre zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten. Es ist diese Fähigkeit, die Veränderlichkeit und die Essenz eines Motivs durch Farbe und Licht darzustellen, die mich immer wieder aufs Neue inspiriert. Es zeigt, wie ein scheinbar statisches Objekt durch die Wahrnehmung des Künstlers zu einem lebendigen, wandelbaren Thema wird.

Abgesehen vom Schaffensprozess selbst, welche Rolle spielt der Austausch mit dem Publikum für dich und deine Arbeit? Was ist dir noch wichtig?

Abgesehen vom Schaffensprozess selbst spielt der Austausch mit dem Publikum für mich eine enorm wichtige Rolle. Es ist jedes Mal ein fantastisches Erlebnis, meine Bilder in einer klaren, sauberen Galerie zu sehen und dann mit den Betrachtern darüber zu diskutieren. Was dabei besonders wertvoll ist, ist der Moment, in dem ich merke, dass eine Energie zwischen dem Kunstwerk und dem Betrachter entsteht. Wenn sich jemand auf meine Arbeit einlässt, eigene Gedanken entwickelt oder sogar emotional berührt wird, dann ist das einfach fabelhaft. Es zeigt mir, dass die Botschaft angekommen ist und das Werk über sich selbst hinauswirkt. Dieser Dialog, diese Resonanz, ist für mich eine Bestätigung und eine große Bereicherung meiner Arbeit.

Wenn du in die Zukunft blickst, gibt es ein künstlerisches Projekt oder einen Traum, den du unbedingt noch verwirklichen möchtest? Worauf dürfen wir uns von dir freuen?

Ich hatte gehofft, dieses Jahr meine nächste Ausstellung in Venedig zur Architekturbiennale realisieren zu können, aber leider hat mich ein Sponsor kurzfristig sitzen lassen. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass es beim nächsten Mal klappt und freue mich schon darauf, dieses Projekt in Zukunft umzusetzen.

Johanna Wiens hatte im vergangenen Jahr unter anderem eine große Ausstellung im Museum Osthaus Hagen. Zudem erwarb der Landtag NRW ein Werk von ihr. Sie sagt, ihre Arbeiten sind ein Beitrag zur Diskussion über grüne Städte und Nachhaltigkeit. Dabei ist ihre Botschaft klar: Sie möchte mit ihren Bildern dazu anregen, über die Gestaltung unserer urbanen Räume nachzudenken und konkrete Ideen für eine nachhaltigere Zukunft zu entwickeln…

Mehr dazu unter:

www.instagram.com/johanna_wiens
und Osthausmuseum www.osthausmuseum.de

Bild: © Johanna Wiens


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