Gemeinsam für eine bessere Welt

Für Veränderungen musst du fühlen!

Christin Prizelius | 09.04.25 | Interview mit Juliane Klüß | © Juliane Klüß

Fotografie ist die Berufung von Juliane Klüß. Sie liebt es, Menschen mit Bildern glücklich zu machen, denn Bilder halten unsere Erinnerungen wach und geben uns die Möglichkeit, einen Moment, der schon längst vergangen ist, noch einmal neu zu erleben, sagt sie. „Sehen wir ein Foto, wissen wir genau, was wir damals gefühlt und gedacht haben und erleben diese Situation noch einmal neu. Darum ist für mich Fotografie so kraftvoll, weil sie die Power hat, unsere Emotionen zu konservieren. Oder mit den Worten von Don McCullin gesprochen: Fotografie ist für mich nicht schauen, sondern fühlen.“

Mit 16 Jahren überlebte sie nur knapp eine Explosion in ihrem Haus. Äußerlich zeigen große Verbrennungsnarben, wie tief sie dieses Erlebnis prägte. Lange Zeit versteckte sie ihre Narben aus Scham. Dann jedoch machte sie eine heilsame Erfahrung bei einem Fotoshooting. In diesem standen die Narben und ihre Geschichte im Fokus. Sie ließ sich oberkörperfrei fotografieren, während sie die Narben mit Goldstaub bemalte. Heute hilft ihr diese heilsame Erfahrung, andere Menschen noch besser zu verstehen und die gesamte Bandbreite an Gefühlen in kraftvollen Bildern festzuhalten.

Liebe Juliane, du machst unter anderem emotionale Fotos, die wortwörtlich ans Herz gehen. Dein eigener Weg dahin war einerseits ein sehr steiniger, aber auf der anderen Seite auch ein sehr heilsamer. Magst du uns vielleicht mal ein bisschen mitnehmen und hinter die Kulissen schauen lassen? Wie hat sich das entwickelt? Wie bist du überhaupt dahin gekommen?

Mit Anfang 40 passierte bei mir sehr viel und ich bin nochmal ganz anders an meine Ursprungsgeschichte rangegangen, also an das Thema, das mich mein Leben lang begleitet hat. Mit 16 hatte ich einen schlimmen Unfall und wäre auch beinahe dabei gestorben. Das war ein sehr einschneidende Erlebnis für mich. Eigentlich hatte ich es schon gut verarbeitet, aber dann mit 40 das tiefe Bedürfnis, meinen Narben dafür zu danken, dass sie mich immer genauer haben hinschauen lassen. Natürlich habe ich auch viel gelitten, aber das ist wohl einfach mein Weg, glaube ich. Und ich lerne viel darüber, dass ich hinfalle und mir viele Gedanken mache. Es hat aber bisher auch alles irgendwie immer ein gutes Ende genommen und einen Sinn gehabt. Und so wollte ich meinen Narben in einem Foto danken. Dieses Foto habe ich zusammen mit meiner Freundin aufgenommen und wir haben nicht nur fotografiert, sondern meine Narben auch vergoldet. Dieses Gold sollte für diese Dankbarkeit stehen, die ich für mein Leben habe. Dann begann ich, das auch für andere Frauen anzubieten, aber primär war es der Gedanke, das nur für mich zu tun.

„Ich weiß, dass wenn man mutig vorangeht, danach immer etwas Gutes wartet. (…) Ich habe zum ersten Mal gemerkt, dass Verletzlichkeit menschlich ist, sogar sehr, sehr menschlich.”

Du sagst, dass du aus deiner größten Verletzbarkeit die größte oder stärkste Kraft ziehst. Was meinst du mit dieser Verletzbarkeit? Wie kannst du das wandeln, wo du doch deine eigene Geschichte hast und jetzt selber mit diesen emotionalen Themen arbeitest? Wie schaffst du es, durch deine Verletzbarkeit so professionell mit diesem Thema umzugehen?

Ich hatte immer so einen treibenden Motor in mir. Einerseits dieses „Es wird alles gut” und andererseits bin ich von Natur aus sehr neugierig und mutig. Ich weiß, dass wenn man mutig vorangeht, danach immer etwas Gutes wartet. Dass da etwas kommt, was dir zeigt, dass sich das alles bewahrheitet und gelohnt hat. Meine Verletzbarkeit ist so tief und meine Emotion zu zeigen, das, was mich wirklich im Innern berührt und mich fast hat zerbrechen lassen, war so ein mutiger Schritt. Dass ich so mutig bin, diese Bilder mit der gesamten Welt zu teilen, denn diese Bilder zeigen alle Emotionen. Ich weine darauf, ich bin nackt und das in die Öffentlichkeit zu tragen mit den ganzen Gedanken, die da kommen, ging schon sehr tief. Mich beschäftigten Fragen wie: „Gibt’s Hater-Kommentare?”, „Wie reagieren die Leute darauf?”, „Wie reagieren meine Eltern und überhaupt mein ganzes Umfeld darauf?” oder „Tut es mir überhaupt gut?”. Ich meine, ich hatte hier bereits ein etabliertes Fotografie-Business und musste mich schon auch der Frage stellen, wie meine Kunden darauf reagieren und ob ich mir selbst damit nicht eher schade?! Da war ein riesiges Paket an Fragen, die ich mir gestellt habe. Dennoch habe ich irgendwie dieses Gespür oder diesen Wunsch gehabt, damit nach draußen zu gehen und anderen zu helfen. Und dann kam nach dem ersten Post auf Instagram so viel Gutes zurück. Ich habe zum ersten Mal gemerkt, dass Verletzlichkeit menschlich ist, sogar sehr, sehr menschlich. Und dass wir alle unsere Themen haben und dass es so wichtig ist, in dieser Welt rauszugehen. Man denkt, es ist 2025 und eigentlich müsste das angekommen sein, aber es gibt immer noch das Thema Perfektionismus da draußen. Dem möchte ich etwas entgegensetzen und sagen: „Wir dürfen alles fühlen und alles sein!”

In unserem Vorgespräch hast du auch betont, wie wichtig dieses „authentisch sein” gerade in der digitalen Welt für dich ist, wo ja alles mit Filtern etc. bearbeitet wird. Vieles wirkt so perfekt und soll so toll aussehen und nach „Ich habe alles im Griff, ich bin fehlerfrei und makellos”. Dennoch glaube ich, dass sich viele im Herzen danach sehen, so sein zu können, wie sie wirklich sind — mit Narben auf Seele oder auf dem Körper oder wie du eben sagst, jeder mit seiner eigenen Geschichte. Deswegen finde ich es so, so wichtig, dass wir heute darüber sprechen, und dass du bereit bist, diese, deine Verletzbarkeit auch zu teilen. Es ist viel Mut, es ist viel Stärke damit verbunden. Vielen, vielen Dank dafür! Das können wir vielleicht auch einfach mal so stehen lassen, dass das jeder und jede auf sich wirken lassen kann: Was ist eigentlich meine Geschichte? Was ist meine Verletzbarkeit?! Und sich von deinen Worten vielleicht auch ein bisschen getragen fühlt

Dein Weg hat eigentlich mal als Chemieingenieurin angefangen. Du sagst, im Nachhinein warst du eigentlich zufrieden mit meinem Job. Dann ist 2011 eure Tochter zur Welt gekommen und die Prioritäten haben sich verschoben. Du hast aber doch trotzdem deine Berufswahl hinterfragt und Fotografin für dich erkannt. Wie hast du diese Zeit erlebt?

Naja, eigentlich war ich immer nur so halb zufrieden. Wenn ich heute meine Zufriedenheit im Job mit damals vergleiche, würde ich sagen, ich bin meilenweit davon entfernt gewesen, aber das weiß man ja immer erst später. Ich hatte immer ein nettes kollegiales Umfeld und an sich hat mir der Job auch Spaß gemacht, aber es hat mich nicht erfüllt. Irgendetwas hat gefehlt. Ich war also schon länger auf der Suche nach einer anderen Lösung. Als die Kinder dann kamen, lernte man das Leben irgendwie nochmal anders kennen. Die Familie ist wichtiger, die Kinder und wie sie mit ihrem Blick die Welt erkunden. Ich habe Regenwetter eigentlich als Erwachsene immer total gehasst und dann ist da dieses kleine Menschenkind, tapst durch die Pfützen und hat einen Heidenspaß dabei. Plötzlich dachte ich: „Mein Gott, ja, warum denn eigentlich auch nicht?!” Das war wie eine neue Welt, die sich dadurch eröffnet hat. Ich habe vieles bei mir neu und anders gesehen und für wichtig empfunden. Und dadurch habe ich dann auch für mich entschieden im Job etwas zu ändern. Irgendwann kam mir einfach, dass ich Fotografin werden wollte. Daraufhin habe ich mit meinem Mann gesprochen und entschieden, mich selbstständig zu machen. Ich muss dazu auch sagen, dass ich nie eine Hobbyfotografin war. Es gab diesen ganz tiefen Moment und das Bauchgefühl, dass es jetzt absolut das Richtige für mich ist. Ich musste es dann einfach tun.

Bild: © Juliane Klüß

Du machst ja auch Hochzeitsfotografie, aber die Narbenfotografie möchtest du zukünftig in den Fokus stellen. Wie waren da die ersten Rückmeldungen? Wie hast du das erlebt im Vergleich zu deiner eigenen Geschichte? Wie waren die Reaktionen auf die ersten Bilder?

Meine erste Kundin erinnere ich natürlich noch ganz genau. Das war 2024. Wir hatten einen Neujahrsempfang in der Frauenrunde und wir haben uns erzählt, was wir uns für das Jahr vornehmen. Ich habe dann reflektiert und alles auf den Tisch gepackt. Das war zu dem Zeitpunkt alles sehr frisch und mir kamen auch die Tränen, weil ich das erste Mal so offen darüber gesprochen und darin nicht geübt war. Dabei kam ich mit Doreen ins Gespräch. Ich kannte sie schon vorher, aber natürlich noch nicht ihre persönliche Geschichte. Dann kam sie auf mich zu und hat gesagt sie würde das auch ganz gerne mal ausprobieren. Sie hatte ungeplante Kaiserschnitte. Ich denke, weil ich mich so komplett offenbare, tun es auch die Frauen, die das empfangen. Meine Geschichte ist der Dreh- und Angelpunkt für die Frauen, dass sie sich das trauen. Das habe ich auch erst vor kurzem so richtig tief erkannt.

„Ich kann dieses Mitgefühl geben und weiß, dass das am Ende wie eine Dusche und wie eine Reinigung ist, die man hatte. Und das ist es auch, mit welchem Gefühl die Frauen dann gehen. Sie sagen, sie fühlen sich, als hätten sie ein Stückchen Frieden wiedergefunden und, dass es wieder ruhig ist im Innern. Das ist natürlich ein irres Feedback!”

Und was macht die Fotos dadurch so emotional und echt? Wie bekommt ihr das hin? Wie schaffst du es, eine vertrauensvolle Ebene zu schaffen, dass das eben so emotional und echt wirkt auf den Bildern?

Zum Einen nehmen wir uns viel Zeit und reden sehr ausführlich. Ich gehe alles Schritt für Schritt durch, erzähle, wie es abläuft. Meistens gibt es ja auch ein Styling vorher. Ich glaube dadurch, dass ich das selber erlebt habe, weiß ich, wie sich die Frauen fühlen, und gebe dadurch viel Hilfestellung. Mir wird auch gesagt, dass sich meine Kundinnen bei mir sicher und gehalten fühlen. Ich habe schließlich dabei immer meine eigene Geschichte im Kopf und finde es nicht schlimm, wenn Menschen weinen, wenn sie wirklich sehr traurig sind. Ich kann dann Trost spenden, ohne darin selber mit zu versinken. Ich kann dieses Mitgefühl geben und weiß, dass das am Ende wie eine Dusche und wie eine Reinigung ist, die man hatte. Und das ist es auch, mit welchem Gefühl die Frauen dann gehen. Sie sagen, sie fühlen sich, als hätten sie ein Stückchen Frieden wiedergefunden und, dass es wieder ruhig ist im Innern. Das ist natürlich ein irres Feedback!

Was macht denn jeder neue Auftrag mit dir und deiner Geschichte?

Ich freue mich wirklich riesig über jede Frau, die diesen Schritt macht und die so mutig ist, mir erst einmal eine E‑Mail zu schreiben und so ja schon mal für sich in Erwägung zieht, das zu machen. Dann kommen natürlich die ganzen vielen Geschichten. Manche sind wirklich tragisch, da habe ich natürlich auch mit zu kämpfen, aber ich kann mich in so einer Art professionell rausnehmen, dass ich auch immer noch eine tolle Fotografie mache. Und ich finde, gerade davon lebt es ja auch, dieses sich wirklich hineinzuversetzen, ein bisschen in dem Moment zu verschmelzen und das zu fühlen, was die Frau dort gerade fühlt, wenn sie in den Spiegel schaut, sich das nochmal ansieht und zurückkatapultiert wird an den Moment, wo es passiert ist. Das ist total wichtig für die emotionale Aussage des Bildes. Natürlich bewegt mich das und ich brauche dann auch immer den restlichen Tag für mich, weil ich selber merke, dass meine Energie nach so einem Shooting schlagartig nach unten fährt, weil ich so viel gegeben habe. Ich habe außerdem den Plan, mit diesen ganzen Geschichten auch ein Buch zu machen, weil es eben so wichtig ist, dass andere inspiriert werden und sich ein Beispiel daran nehmen und wir alle irgendwie mehr hinschauen auf unsere Verletzbarkeit.

„Ich habe durch die Narben und diese Versehrtheit, die man ja äußerlich einfach hat, immer gedacht, ich bin irgendwie kaputt oder mir fehlt etwas. Und ja, es ist ein Makel, der auch auf der Seele liegt. (…) Dann trägst du dieses Gold wirklich auf die Narben auf, veredelst sie, und es entsteht eine Explosion im Kopf. (…) Es geht um Gefühle. Und alle, die Erfahrung im Coaching-Bereich haben, wissen, dass du die Dinge nur verändern kannst, wenn du sie fühlst.”

Du greifst bei diesen Fotografien auf das Kintsugi-Verfahren zurück. Das ist eine japanische Reparaturmethode für Keramik. Dabei werden Keramikstücke wieder zu einem neuen Ganzen zusammengesetzt und an den Rissstellen vergoldet, was ihr auch mit den Narben macht. Das ist dann richtig echtes Gold, um die Wertigkeit nochmal zu betonen und hervorzuheben. Bitte erzähl uns doch auch nochmal ein bisschen etwas darüber, über dieses Verfahren und was auf den Fotos dadurch für ein Unterschied entsteht.

Für mich war das eigentlich der Dreh- und Angelpunkt der Fotografie. Ich habe durch die Narben und diese Versehrtheit, die man ja äußerlich einfach hat, immer gedacht, ich bin irgendwie kaputt oder mir fehlt etwas. Ja, es ist ein Makel, der auch auf der Seele liegt, und das drückt dich ja irgendwie auch immer nach unten. Ich hatte so immer das Gefühl, noch irgendwo Opfer zu sein. Dann kam diese Idee mit dem Gold und sagte dir mal eben: ‚Du bist viel, viel edler als vorher! Du bist viel mehr wert als vorher!” Das fühlte sich für mich an wie Spontanheilung. Ich habe gedacht: „Oh mein Gott, ich habe einfach nur die ganze Zeit falsch gedacht! Es stimmt ja gar nicht. Ich kann ja auch anders über meine Narben denken.” Und dann trägst du dieses Gold wirklich auf die Narben auf, veredelst sie, und es entsteht eine Explosion im Kopf. Das ist so irre, was dann passiert. Ja, das ist ein wirklicher Shift, das ist wie ein Coaching. Es geht um Gefühle. Und alle, die Erfahrung im Coaching-Bereich haben, wissen, dass du die Dinge nur verändern kannst, wenn du sie fühlst. Und genau das tun wir hier.

Bild: © Juliane Klüß

Erinnerst du eine Geschichte, seit du das machst, die dich besonders nachhaltig berührt hat?

Ja, viele, aber eine sticht sehr hervor: Eine Frau, die kurz nach ihrem 60. Geburtstag für ein Shooting zu mir gekommen ist und auch eine Freundin als Halt mitgebracht hat. Ich glaube, sie war ein halbes Jahr alt, als sie sich mit heißem Wasser verbrüht hat. Sie hat seitdem schwerste Verbrennungen an den Füßen und musste auch immer orthopädische Schuhe tragen, war sogar damals zwei Jahre dauerhaft im Krankenhaus. Das hat mich sehr mitgenommen.

Was bekommst du aus der Familie für Rückmeldungen? Hast du dich irgendwie verändert, seit du das machst? Das ist ja schon etwas, was an den absolut tiefsten Kern der Persönlichkeit geht, unserer Erfahrung, unseres Lebens…

Das berührt natürlich jeden. In der Familie unter meinen Schwestern beispielsweise wird zwar unterschiedlich damit umgegangen, aber mitgenommen hat es schon alle. Einerseits ist natürlich dieses: „Oh mein Gott, wow, was du schaffst und was du daraus machst!” Aber dann auch, dass sie an die Zeit früher zurückerinnert werden und wie es für mich war. Da fühlt man schon auch eine gewisse Zerrissenheit und dass sie mir damals nicht helfen konnten. Das schwingt immer alles mit. Meine Eltern haben natürlich auch nochmal eine ganz andere Sicht auf die Situation, aber ich kann das trennen und es ist so okay für mich.

„Diese Angst ist nur ein Gefühl, das dazwischen steht. Und wenn man das aufdeckt und für sich erkennt, dass es wirklich nur ein Gefühl war, ein Glaubenssatz, das für sich gelöst und Frieden mit seiner eigenen Geschichte geschlossen hat, streut das auch auf das gesamte Umfeld über und wir geben viel mehr Wohlwollen, Güte und Liebe weiter und können dadurch alle gemeinsam eine viel schönere Welt erschaffen.”

Was hast du für eine Vision für Welt und was wünschst du dir durch deine Arbeit nachhaltig?

Das kann ich gut auf den Punkt bringen: Ich finde einfach, dass es für alle total wichtig ist, wenn sie lernen, mit ihren schlechten Gefühlen umzugehen, anzunehmen, was ihnen auch selber mal passiert ist, und den Mut zu haben, da wirklich hinzuschauen. Am Ende ist es nur ein Gefühl. Diese Angst ist nur ein Gefühl, was dazwischen steht. Und wenn man das aufdeckt und für sich erkennt, dass es wirklich nur ein Gefühl war, ein Glaubenssatz, das für sich gelöst und Frieden mit seiner eigenen Geschichte geschlossen hat, streut das auch auf das gesamte Umfeld über und wir geben viel mehr Wohlwollen, Güte und Liebe weiter und können dadurch alle gemeinsam eine viel schönere Welt erschaffen.

Du betonst auch, dass es dir wichtig ist, frei von Klischees zu arbeiten, und dass du Menschen dadurch hilfst, mit inneren und äußeren Narben mehr Selbstliebe und Heilung zu finden. Was denkst du ist in diesem Prozess besonders wichtig? Wie können wir es alle als Gesellschaft schaffen, unseren tiefsten Punkt der Verletzbarkeit zu erkennen und daraus unser größtes Potenzial vielleicht auch zu erwecken?

Du hast ja schon davon gesprochen, dass Annahme erst einmal total wichtig ist. Ich glaube, häufig bekommt man auch nur den Blick dafür, wenn einem von außen jemand dabei hilft. In meinen Augen ist es wichtig, nichts wegzudrücken, sondern den Mut zu haben, hinzuschauen. Anders funktioniert es nicht. Wir wissen, dass alle Emotionen, die wir unterdrücken, sich irgendwann in Krankheiten manifestieren werden. Es gibt ja viele kleinere Hilfsmittel, aber überhaupt hinzugucken ist immer das Allerwichtigste und wenn man nicht weiterkommt, sich professioneller Art Hilfe zu suchen. Es ist ein langer Prozess. Ich bin auch eher eine ungeduldige Person, aber das braucht einfach Zeit, viel Zeit. Und es ist wichtig, sich die Erlaubnis zu geben, sich dafür Zeit zu nehmen.

Ich konnte bei dir lesen, dass sich 90 % deiner Kundinnen und Kunden erstmal unglaublich unfotogen vorkommen. Und einige, die auch rückgemeldet haben, dass so ein Fotoshooting fast schlimmer war, als Zahnarztbesuche. Wie wirkst du dem entgegen?

Diese Aussage „Ich bin total unfotogen” höre ich viel in der Business-Fotografie. Das ist mein zweites großes Standbein neben der Narbenfotografie. Wie man vor der Kamera wirkt und wie man stehen, liegen, sitzen und was auch immer sollte, ist Thema der Fotografin oder des Fotografen. Als ich wusste, dass ich mich in diesem Bereich selbstständig machen werde, war es mir früh ein Anliegen, vor allem natürliche, starke, emotionale und „echte” Fotos zu machen. Das war damals schon wichtig für mich. Ich habe mich tatsächlich auch fort- und ausbilden lassen im „Posing”. Aber dann zählt auch auch das Geistige, also den Gedanken, dass man fotografiert wird, durch Kleinigkeiten oder kleine Spielereien kurz wegzunehmen. Auch das Zwischenmenschliche ist sehr wichtig. Es läuft immer Musik im Hintergrund, ich greife auf entsprechende Techniken zurück und ich habe auch einen kleinen Diffusor im Raum stehen, wo wir schöne Düfte irgendwie in den Raum streuen können. Es gibt ein paar grundlegende Prinzipien, wodurch ein Mensch einfach schöner auf der Kamera wirkt oder auf dem Bild. Der Rest ist Kopfsache.

Bild: © Stefanie Blochwitz

Wie kann man Kontakt zu dir aufnehmen? Wie findet man dich?

Zunächst einmal habe ich hier in Rostock ein Studio. Man kann mich googeln und findet dann meine Telefonnummer. Ich freue mich immer über einen direkten telefonischen Austausch. Natürlich bin ich aber auch auf Instagram vertreten, habe eine Webseite und freue mich riesig, wenn sich daraus etwas ergibt.

„Deshalb denke ich, dass das für uns Frauen eine gute Bewegung nach vorne ist, viel mehr die Stärke in uns zu erkennen, für uns loszugehen, unsere Träume und Wünsche zu leben und uns nicht länger zurückzunehmen. Es gibt so viel Negatives da draußen, das würde mich ja auch davon abhalten, weiterzumachen. (…) Ich erlaube es mir aber, auch mal schlechte Tage zu haben und nicht immer mit einer Peitsche im Hintergrund zu stehen und mich voranzutreiben. Das hilft mir tatsächlich sehr.

Wenn du jetzt einen Blick in die Zukunft wirfst, was gibt dir da besonders Hoffnung, aber was bereitet dir vielleicht auch Sorge?

Ich schaue total positiv in die Zukunft. Für mich ist es ja auch erst der Anfang mit meiner Fotografie und ich möchte einfach viel, viel mehr Menschen erreichen, vielleicht auch als Speakerin. Es bewegt sich derzeit sehr viel. Ich bin in einem Umfeld von anderen Fotografinnen, die ähnlich ähnliche Themen haben, wie ich: Also wirklich „pure beautiful” die Menschen zu zeigen. Deshalb denke ich, dass das für uns Frauen eine gute Bewegung nach vorne ist, viel mehr die Stärke in uns zu erkennen, für uns loszugehen, unsere Träume und Wünsche zu leben und uns nicht länger zurückzunehmen. Es gibt so viel Negatives da draußen, das hält mich dann ja auch ab, weiterzumachen. Das ist jetzt das Zeitalter der Frauen und das wird großartig.

Hast du so etwas wie ein Mantra? Irgendetwas, was dich stärkt, wenn du mal Tage hast, wo es nicht so gut läuft?

Für mich ist es nicht wirklich ein Mantra, aber ich erinnere mich dann einfach daran, was Juliane 2.0 sagen würde, also meine größere Version von mir selbst. Würde sie sich genauso fallen lassen, wieder alles ganz negativ sehen oder würde sie sagen: „Okay, das ist jetzt ein doofer Tag heute, lass es einfach raus, pack dich auf die Couch, nimm dir einen Tee und und morgen sieht die Welt wieder besser aus und du machst mit neuer Kraft weiter!” Ich erlaube es mir, diese Tage zu haben und nicht immer mit einer Peitsche im Hintergrund zu stehen und mich voranzutreiben. Das hilft mir tatsächlich sehr.

Gibt es für dich abschließend noch etwas, was Platz finden darf und dir wichtig ist?

Ich freue mich einfach über diese Möglichkeit, darüber sprechen und es in die Welt bringen zu können! Mich berührt es jedes Mal selber immer noch und zeigt mir, wie wichtig das Thema auch ist. Also vielen Dank für diese Bühne und den Austausch mit dir!

Das ganze Interview findet ihr HIER, Folge 43 in unserem Podcast!

Juliane Klüß hat keine klassische Fotografenlehre gemacht, sondern war eigentlich in einem ganz anderen Beruf tätig. Als Chemieingenieurin hat sie fast 9 Jahre lang in einem Labor gearbeitet. Eine ganze Zeit lang war sie auch wirklich zufrieden mit ihrem Job, obwohl sie Montage immer schrecklich fand. Der Umbruch kam dann mit ihrer ersten Tochter Frieda im Jahr 2011. Durch sie verschoben sich Julianes Prioritäten, sie hinterfragte ihre Berufswahl und entdeckte die Fotografie für sich.

Sie sagt: „Was unser Herz berührt, bleibt uns in Erinnerung.”

Mehr zu Juliane unter: www.julika-foto.de

Bild: © Juliane Klüß, privat


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