Gemeinsam für eine bessere Welt

Das Bedürfnis nach Entwicklung durch Verbindung.

Christin Prizelius | 15.10.25 | Interview mit Rike Schmid | © Antoine Jonquiere

Rike Schmid zählt zu den bekanntesten und beliebtesten deutschen Schauspielerinnen. Sie verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Köln, wo sie mit zwölf Jahren erste Erfahrungen im Improvisationstheater sammelte. 1999 begann sie ihre Schauspielkarriere mit einer Hauptrolle in der ARD-Serie “Aus gutem Haus”. Seitdem hat sie in vielen Film- und Fernsehproduktionen mitgewirkt. Für viele ist sie daher seit Jahren eine vertraute Präsenz auf der Leinwand, eine Schauspielerin, die es versteht, jeder Rolle eine besondere Tiefe und Authentizität zu verleihen. Doch abseits der bekannten Charaktere, die wir so lieben gelernt haben, möchten wir heute zusätzlich einen Blick hinter die Kulissen werfen – auf die Person, die Künstlerin und die Autorin Rike Schmid. Uns hat sie sehr persönlich — und mit viel Tiefe und Botschaft — ein paar Fragen beantwortet.

Liebe Rike, Sie sind Schauspielerin, Autorin und Diplom-Soziologin. Welche Botschaft(en) möchten Sie durch Ihr Tun, Wirken und Sein in die Welt bringen und warum ist Ihnen das wichtig?

Im besten Fall gelingt es mir, durch meine Arbeit mit anderen in ein Gespräch zu kommen. Dabei liegt mir Zuhören mehr, als Meinungen oder Botschaften zu senden. Ich bin keine Expertin für eines anderen Lebensumstände, nicht mal meiner eigenen. Aber ich kann lauschen, wie es anderen ergeht, und darüber lernen. Mein beruflicher Weg hat sich entlang meines Wunsches entwickelt, menschliches Sein in individuellen Formen zu erleben und zu erforschen. Wir können uns selbst nur erkennen, weil der Andere anders ist. Neues entsteht nicht, wenn wir die Gleichen bleiben, einzig aufgrund unserer Unterschiede ist Entwicklung möglich. Durch den anderen kann ich über mich selbst hinaus in die Welt und in Verbindung treten. Vielleicht war das immer mein Hauptantrieb, das Bedürfnis nach Entwicklung durch Verbindung.

„Es sind solche Begegnungen, für die ich dankbar bin. Weil sie erzählen, dass wir uns immer begegnen können. Dass Gemeinsamkeit zwischen eigentlich Fremden jederzeit und überall entstehen kann.”

Was schätzen Sie an Ihrem Beruf und Ihren Tätigkeiten am meisten?

Das Reisen, in andere Länder, neue Charaktere. Wobei die Rollen dabei nur ein Aspekt sind. Klar ist das spannend, eine Ärztin zu spielen, eine Mörderin, eine historische Figur. Aber da sind auch die Themen, denen ich über Projekte begegne, und die Menschen. Zum Beispiel, als ich „Maltese“ drehte, eine Reihe über die Sizilianische Mafia der 70er Jahre, war da eine Szene, wie meine Figur, eine linke Journalistin, ältere Frauen aus den Bergdörfern Siziliens zum Meer bringt. Da wurde der historische Fakt filmisch aufgegriffen, dass einige Männer, Väter, Ehemänner in Bergregionen den Frauen lebenslang verbaten, das Meer zu sehen. Aus herrischer Furcht, sie zu verlieren, wenn sie die Weite, die Freiheit spüren, die das Meer repräsentiert. Unter den Statistinnen jener Szene war eine 80jährige Frau, Anna, die tatsächlich noch nie das Meer gesehen hatte. Obwohl sie von Geburt an unweit entfernt davon lebte. Das war das eigentliche Schauspiel: bevor die erste Klappe geschlagen war, platschte sie Anna in ihrem langen schwarzen traditionellen Gewand mit nackten Füßen durch die flachen Wellen, gab glucksende Laute von sich. Mir hatte sie das nicht zu verdanken, dennoch kam sie lachend durchs Wasser auf mich zu und breitete die Arme aus, und wir umarmten uns. Es sind solche Begegnungen, für die ich dankbar bin. Weil sie erzählen, dass wir uns immer begegnen können. Dass Gemeinsamkeit zwischen eigentlich Fremden jederzeit und überall entstehen kann.

Bilder: © ZDF, Dreh Maltese, © Fabrizio di Gulio (Screenshot)

Sie haben vor knapp zehn Jahren mit der ‑leider inzwischen verstorbenen- großartigen Renate Delfs das Buch “Nimm mich mit nach Gestern…” veröffentlicht. Worum geht es da und welchen Bezug können Sie daraus zu heute herstellen?

Renate und ich haben uns Ende der 90er Jahre bei meinem ersten Dreh kennengelernt. Als 19Jährige landete ich vom Abitur am Filmset und war heillos überfordert. Renate, damals 75, spielte meine Oma – sie war warmherzig witzig zugewandt, und ungeachtet unseres großen Altersunterschieds wurden wir Freundinnen. Nach dem Dreh blieben wir in Kontakt, schrieben Briefe. Daraus entwickelte sich eine Brieffreundschaft, in der mir Renate zunehmend von ihrer Erfahrung als junges Mädchen während des Zweiten Weltkriegs berichtete, und ich ihr Fragen dazu zu stellen begann. Sehr interessiert, da ich ein solch offenes Gespräch über persönliches Erleben im historischen Faschismus mit meinen eigenen Großeltern nicht zu führen in der Lage war. Am Ende haben Renate und ich uns über 12 Jahre brieflich darüber auseinandergesetzt, woraus später das Buch entstand. Die Frage, die uns dabei im Kern beschäftigte, ist, wieso wir in unseren eigenen Alltag versunken, das Unrecht um uns herum nicht wahrnehmen, es sogar bewusst/unbewusst ausblenden.

Sich des eigenen Nichtwissens gewahr zu werden, ist dabei die zu erbringende Minimalleistung. Natürlich hat sich Renate als Zeitzeugin des Holocausts damit besonders intensiv auseinandersetzen müssen, doch auch ich bin Zeugin meiner Zeit, und jene Anforderung an sich selbst verliert nicht an Aktualität. Wenn Renate noch leben würde, müssten wir heute wieder von vorne anfangen, die jetzigen Entwicklungen und Rückentwicklungen betrachten, uns selbst neu in Zweifel ziehen. (…) Es wird nie gut sein, weil es gewesen ist. Und weil der Hass nicht weg ist, er trägt bloß ein neues hässliches Kleid.

Sich des eigenen Nichtwissens gewahr zu werden, ist dabei die zu erbringende Minimalleistung. Natürlich hat sich Renate als Zeitzeugin des Holocausts damit besonders intensiv auseinandersetzen müssen, doch auch ich bin Zeugin meiner Zeit, und jene Anforderung an sich selbst verliert nicht an Aktualität. Wenn Renate noch leben würde, müssten wir heute wieder von vorne anfangen, die jetzigen Entwicklungen und Rückentwicklungen betrachten, uns selbst neu in Zweifel ziehen. Es geht ja darum, nicht im eigenen Kopf stecken zu bleiben, sondern dynamisch zu denken, um nicht zu resignieren. Ich habe auch kein Verständnis für dieses: „Es ist doch jetzt mal gut“, wenn es um die Deutsche Schuldfrage geht. Es wird nie gut sein, weil es gewesen ist. Und weil der Hass nicht weg ist, er trägt bloß ein neues hässliches Kleid. Aber wenn wir nicht aufhören zu erinnern, nicht aufhören unserem Menschsein tief in ihr dunkelstes Gesicht schauen, und unauflösliche Fragen gemeinsam aushalten, ist da vielleicht die Chance zu Empathie, Einsicht, Veränderung. So die Hoffnung.

Bild: Rike Schmid mit Renate Delfs, © Linda Rosa Saal

„Wir als, Dritte Generation danach und die uns Nachfolgenden, haben die Möglichkeit, uns mit mehr Abstand mit jener, unserer Vergangenheit beschäftigen zu können. Mitfühlend, aber mit einer Distanz, die vielleicht für heute eine andere Klarheit ermöglicht. Ich meine damit, es muss nicht zwingend „schwer“ sein, sich mit schweren Themen zu beschäftigen, es kann bereichernd und freudvoll sein, einem sehr viel geben, den Geist schärfen, die Seele nähren.”


In Ihrem spannenden und sehr persönlichen Dialog stellen Sie sich immer wieder die Frage: „Wie führe ich in meiner Gegenwart ein bewusstes Leben”? Welche Antworten haben Sie hier für sich gefunden?

Da würde ich mit einer Ergänzung an meine letzte Antwort anschließen. — Die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit etwa hat immer eine große Wucht, sie wühlt Emotionen auf, Ängste, Schmerz, Vermeidung, Verklärung, Abwehr. Das habe ich auch mit Renate erlebt, die sich darin schließlich sehr mutig reflektiert hat. Wir als, Dritte Generation danach und die uns Nachfolgenden, haben die Möglichkeit, uns mit mehr Abstand mit jener, unserer Vergangenheit beschäftigen zu können. Mitfühlend, aber mit einer Distanz, die vielleicht für heute eine andere Klarheit ermöglicht. Ich meine damit, es muss nicht zwingend „schwer“ sein, sich mit schweren Themen zu beschäftigen, es kann bereichernd und freudvoll sein, einem sehr viel geben, den Geist schärfen, die Seele nähren. – Die Scheuklappen abzulegen und sich aus seiner so genannten Blase hinausbewegen. Eben zB in Dialog mit älteren Menschen zu treten.

Überhaupt jenseits des Virtuellen in Gespräche zu kommen mit Menschen, die einen ganz anderen Erfahrungshorizont haben. Insofern die eigene Haltung als wendig zu begreifen, und sich überraschen zu lassen von einem: spannend, das wusste ich nicht, habe ich so noch nie gesehen! Dazu darf auch gehören, sich eigene Fehler oder Limitierungen einzugestehen, das ist für die eigene Identität eben gerade nicht hinderlich. Ich habe Soziologie studiert, u.a. Frantz Fanon gelesen, mich für einen aufgeklärten Menschen gehalten. Aber erst im Zuge der modernen #blacklivesmatter Bewegung habe ich begriffen, wie viel an Ungerechtigkeit ich selbst mitgestalte. Das hat mich beschämt, aber Scham ist kein guter Ratgeber, weil sie verschließt. Interesse öffnet. „Meine Neugier, die ausgewanderte, ist zurückgekehrt / Mit blanken Augen spaziert sie wieder / Auf der Seite des Lebens“, schreibt Marie Luise Kaschnitz. Die Neugier ist immer auf der Seite des Lebens.

Bilder: © 1. Am Set in Italien, 2. © Pascal Bünning, 3, Rike Schmid in Rom © Linda Rosa Saal

„Die Erfahrung von gelebter Gemeinsamkeit, von Freundschaft, macht mir Hoffnung.”

Außerdem fand ich sehr spannend zu lesen, dass Sie kürzlich gemeinsam mit dem Ensemble Sistanagila das etwa einstündige Programm „Grenzüberschreitungen“ (mit Musik von Klezmer bis Jazz und Auszügen aus Karen Duves märchenhaftem Roman „Die entführte Prinzessin“) präsentiert haben. An vier Wochenenden ist „Festival aufm Platz“ wieder durch Niedersachsen getourt, wo dem Publikum Musik und Literatur umsonst und draußen unter freiem Himmel geboten wurde.

Die Gruppe Sistanagila kommt aus Israel und dem Iran und hat in Berlin eine neue Heimat gefunden. Gemeinsam haben sie ihre gemeinsamen musikalischen Wurzeln entdeckt und möchten eine Stimme der Hoffnung sein in einer Welt voller Kriege, Konflikte und Zynismus. Was war das für eine Erfahrung für Sie und welche Rückmeldungen gab es darauf? Was macht Ihnen Hoffnung?

Die Erfahrung von gelebter Gemeinsamkeit, von Freundschaft. Mich haben die Tage mit Sistanagila sehr bewegt und ich bin jedem dieser fünf außerordentlichen Musiker und Menschen dankbar dafür, dass wir nicht nur die Bühne teilten, sondern sie mich jenseits davon auch an ihren Geschichten und bewegten Biografien teilhaben ließen. Gleichzeitig waren da auch Fragen an mich, der Wunsch mich in ihr eingespieltes Team einzubinden. Selten habe ich eine derart gleichberechtigte Zusammenarbeit erlebt, in der ich, wie in diesen Festivaltagen mit der Band, „allein unter Männern“ war, und das aber gar keine Rolle spielte. Wir sind uns als Menschen begegnet, jeder und jede wurde gehört, in seiner Eigenheit akzeptiert, und daraus entstand eine tolle, unvergessliche Energie, die auch das Publikum ergriffen hat. Das ist der Verdienst von Sistanagila, das ist das, was sie – Jawad, Omri, Avi, Hemad, Yuval – glaube ich im Kern ausmacht.

Sie vermitteln Liebe, weil sie sind, wer sie sind, und tun, was sie tun. Am besten können sie es selbst beschreiben – dies ein Text, den sie nach der Eskalation des Israel-Iran-Konflikts im Juni 2025 posteten: “Israel and Iran, a different perspective. – we are part of a music project called Sistanagila. We are musicians from Israel and Iran, and we make music from both worlds together. We are not on any side. We are on the side of the people, music, and peace. We have known each other for 13 years and have played hundreds of concerts in Germany and Europe. We are like a family and have experienced so much together. There is hope for our people! People are people, no matter where they come from. – We wish safety, health, and ending of violence on both sides.”

(Deutsche Übersetzung durch die Redaktion: „Israel und Iran, eine unterschiedliche Perspektive. – Wir sind Teil eines Musikprojekts namens Sistanagila. Wir sind Musiker aus Israel und dem Iran und machen gemeinsam Musik aus beiden Welten. Wir stehen auf keiner Seite. Wir stehen auf der Seite der Menschen, der Musik und des Friedens. Wir kennen uns seit 13 Jahren und haben Hunderte von Konzerten in Deutschland und Europa gespielt. Wir sind wie eine Familie und haben so viel gemeinsam erlebt. Es gibt Hoffnung für unser Volk! Menschen sind Menschen, egal woher sie kommen. – Wir wünschen beiden Seiten Sicherheit, Gesundheit und ein Ende der Gewalt.”)

Wunderbare Leute, die fantastische Musik machen. Mehr Infos über Konzerte, die beglücken HIER.

Bild: © Sistanagila mit Rike Schmid

„Es muss sich vor allem institutionell noch immens viel verändern. (…) …auch wenn wir unterschiedlich sind, und die Zeiten herausfordernd, müssten wir uns nicht im Kampf befinden. Sondern könnten die Lust entdecken, gemeinsam neue verbindende Visionen zu entwerfen.”

Außerdem haben Sie 2011 “Schauspielerinnen. Die Suche nach weiblicher Identität.” im Logos Verlag veröffentlicht. Darin sagen Sie: „In einer Gesellschaft, die sich durch eine Fülle von scheinbaren und tatsächlich wachsenden Möglichkeiten auszeichnet, bewegen sich Frauen heute in einem Spannungsfeld zwischen Aufbruchsdrang und Heimatsuche, zwischen dem Wunsch nach Anerkennung in ihrer lebensweltlichen Gemeinschaft und dem nach einer gleichzeitig individuell bestimmten, unabhängigen Lebensweise. Weiblichkeitsbilder sowohl aus modernen wie auch aus traditionellen Versatzstücken gehen dabei in ihre Identitätskonstruktion mit ein.” Wie beobachten Sie die Entwicklung seit Veröffentlichung? Was ist positiv bzw. was darf sich Ihrer Meinung nach noch ändern?

Also auch diesen Text müsste ich nun neu denken. Natürlich kann der zitierte Satz heute genauso gelten, darin ist er aber zugegeben auch banal. Wir Frauen, als Menschen sind ja stets verfangen im Widerspruch von Anpassungswunsch und individuellem Freiheitsdrang. Aber es gibt gegenüber 2011, als ich den Text veröffentlichte, neue Herausforderungen, die u.a. durch einen von Social Media turbobeschleunigten Rückfall in alte Rollenklischees gekennzeichnet ist. Die Body Positivity Gegenbewegung etwa haben wir natürlich auch Social Media zu verdanken, aber sie kann struktureller Ungleichheit wenig entgegensetzen, wenn wir irgendwie doch immer am Frauenkörper kleben bleiben. Menschen nach ihren körperlichen Eigenheiten zu beurteilen ist so gängig wie eigentlich absurd. Politisch interessant und entscheidend sind die Themen jenseits davon.

Es muss sich vor allem institutionell noch immens viel verändern. Gleichbezahlung für gleiche Arbeitsleistung, Gleichverteilung der staatlichen Güter in Anerkennung unserer Unterschiede, Gestaltung von Integration, von öffentlichem Raum für Begegnung und Austausch usw. Zur Zeit ist in der politischen Rhetorik eher Abschottung, Vereinzelung und Erhalt präsent. Aber, und dahingehend hat sich an meinen Thesen aus meiner Arbeit nichts geändert, auch wenn wir unterschiedlich sind, und die Zeiten herausfordernd, müssten wir uns nicht im Kampf befinden. Sondern könnten die Lust entdecken, gemeinsam neue verbindende Visionen zu entwerfen.

„Am ruhigsten bin ich halt abseits von Geräten. Im Gespräch. Im Kino. Mit dem Hund am See. Wenn ich ein Gedicht lese. Wenn ich wirklich in Kontakt mit einer anderen Person bin. Das gibt nicht zwingend Zuversicht, aber immer Kraft, sie vielleicht wieder finden zu können.”

Was tun Sie, um in der aktuellen Zeit in Ihrer Kraft und in Zuversicht zu bleiben?

Lesen, Filme schauen, Freunde treffen, in der Natur sein. Diese einfachen Medikationen gegen den alltäglichen Wahnsinn, der auf den Bildschirmen flimmert, habe ich sicher nicht erfunden, aber sie helfen ja wirklich. Es hilft, sich mit der Substanz zu beschäftigen, die in alten Klassikern und guten Romanen, Filmen, einem Wald oder in Beziehungen verankert ist. Es hilft, nicht abzustumpfen. Ich bin selbst gar nicht mal so schlecht darin, mich nachts schlaflos durch Instagram oder Spiegel Online zu scrollen. Und ich mache das viel zu oft. Aber am ruhigsten bin ich halt abseits von Geräten. Im Gespräch. Im Kino. Mit dem Hund am See. Wenn ich ein Gedicht lese. Wenn ich wirklich in Kontakt mit einer anderen Person bin. Das gibt nicht zwingend Zuversicht, aber immer Kraft, sie vielleicht wieder finden zu können.

Vor kurzem haben Sie außerdem in Italien gearbeitet und dort Dreharbeiten abgeschlossen. Was können Sie uns darüber erzählen?

Seit meinem ersten Auftrag in Italien 2016 spiele ich regelmäßig auch in Italienischer Sprache. Die habe ich quasi über das Spielen gelernt, und das war nicht einfach, weil einem die übliche verbale Wendigkeit im Ausdruck fehlt. Vermeintlich. Denn spielerisch hat mich die Erfahrung in Fremdsprache meine Charaktere zu transportieren, extrem freigemacht. Gerade durch jene Hilflosigkeit, nicht alles verstehen und umsetzen zu können. Da ist plötzlich viel mehr Augenmerk auf Ebenen jenseits von Sprache, kleine Gesten, ein Zucken der Mundwinkel, eine schräge Armbewegung des Partners, das schärft die Beobachtung. Ich muss mich auf andere Signale verlassen und anders als gewohnt reagieren lernen. Kontrolle abgeben, sich dem Prozess hingeben, die eigene Fehlerhaftigkeit akzeptieren. Das tut weh, aber es tut auch gut. Als vor allem nicht so leicht habe ich es empfunden, die letzten Jahre ein zweigeteiltes Leben zu führen.

Bilder: © 1. Dreharbeiten „BlackOut” © Andrea Miconi, 2. © Federica di Benedetto, 3. © Federica di Benedetto, 4. © Plakat „Black Out – Vite Sospese“ 

Wegen meiner Projekte in Italien habe ich etwa die Hälfte Jahres dort verbracht, die andere in Deutschland. Und das eine verbindet sich nicht unbedingt mit dem anderen, es sind andere Menschen, andere Arbeitszusammenhänge, immer ein wenig das Gefühl, man lebt dort ein Leben, und hier ein anderes. In der Summe aber empfinde ich die Erfahrung, dass mir Italien über die Arbeit so nah gekommen ist, als außerordentlich wertvoll, alle Zerrissenheit inbegriffen. Mit „Maltese“ habe ich auf Sizilien gedreht, mit „Black Out“ von den Dolomiten bis Neapel, mit „Noi Siamo Leggenda“ in Rom. Mit Italienern Filme zu machen, ja, da stimmt das Klischee, ist verzweifelnd chaotisch ☺ Und ich konnte viel von jener Improvisationsfähigkeit und Intensität profitieren. Ich habe dieses Land, seine Landschaften und Leute wirklich inniglich lieben gelernt. Mit allen Ärgernissen, die zu echter Liebe dazugehören.

Worauf dürfen wir uns in naher Zukunft noch von und mit Ihnen freuen? Dürfen Sie da schon etwas verraten?

Mein aktuelles Italienisches Projekt „Black Out – Vite Sospese“ wird nach erfolgreicher Ausstrahlung in Italien eventuell 2026 auch in Deutschland zu sehen sein. Ein neuer Zweiteiler der Mystery-ZDF-Reihe „Schwarzwaldkrimi“ läuft unter dem Titel „Schwarzwaldkrimi – Vogelfrey“ ab Ende September in der Mediathek und am 6.10 im ZDF. Im Team mit Jessica Schwarz & Max von Thun spiele ich in der Reihe eine Gerichtsmedizinerin und die Frau des Kommissars. Gerade abgedreht habe ich eine Hauptrolle neben Jan Josef Liefers in „Vernau – der schwarze Schwan“. Und in meiner Arbeit als Sprecherin freue ich mich, dass diese Tage der autobiografische Roman „Aufrecht“ der französischen Philosophin Lea Ypi auch als Hörbuch erscheint. Es war eine echte Bereicherung, diesem Text meine Stimme geben zu dürfen, eine Erzählung über die Familienhistorie Ypis, die nichts anderes als ein Jahrhundert bewegte europäische Geschichte ist. Eine große Empfehlung.

Bild: © Cover: Aufrecht: Überleben im Zeitalter der Extreme | Das lang erwartete Prequel zum international gefeierten Bestseller »Frei«, Suhrkamp Verlag

Bei den Dreharbeiten zu einer ARD-Fernsehserie lernten sich Rike Schmid und Renate Delfs kennen. Daraus erwuchs eine lang andauernde Freundschaft. In Briefen tauschten sie sich über viele Jahre hinweg aus. Bald kristallisierte sich als zentrales Thema die Zeit des Nationalsozialismus heraus, die Renate Delfs als junges Mädchen miterlebte. Ein spannender und sehr persönlicher Dialog zwischen zwei Frauen entstand, die sich immer wieder fragten: Wie führe ich in meiner Gegenwart ein bewusstes Leben?

Mehr zum Buch HIER.

Buchcover: © HERBiG

Wenn Sie allein die Welt ändern bzw. verbessern könnten, was würden Sie tun? Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Alleine kann niemand etwas ändern. Wer das von sich glaubt, richtet nur Schaden an. Was ich mir wünschen würde: deutlich mehr monetäre Investition in Bildung und Kultur und Miteinander. Rhetorische Investitionen in die Freude daran. Gutes nahrhaftes Essen in der Schulkantine. Empathie auf den Stundenplan. Auch im Bundestag.

Rike Schmid beschreibt sich als jemanden, der stille Momente in der Natur als Kraftzentrum empfindet und sich in der Vergangenheit oft dorthin zurückgezogen hat. Als Soziologin hat sie sich intensiv mit Themen wie menschlicher Identität und der Gesellschaft beschäftigt, was sich auch in ihrer Arbeit als Schauspielerin und Autorin widerspiegelt.

Mehr zu Rike Schmid HIER.

Bild: © Linda Rosa Saal


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