Viele kennen Sie seit Jahren als erfolgreiche Schauspielerin. Sie bieten aber außerdem noch individuelle Coachings oder Seminare für Unternehmen an. Bitte erzählen Sie uns ein bisschen etwas darüber. Seit wann machen Sie das und wie hat sich das entwickelt?
Eigentlich kam ich dazu wie die Jungfrau zum Kind. Ich wurde vor einiger Zeit mal gefragt, ob ich nicht jemanden bei seinem Online-Auftritt für seine Firma unterstützen könnte. Daraufhin sprach sich das herum und daraus ergab sich dann auch die Seminarform. Ein Beispiel ist dafür das 2 Tages Seminar “Stimme & Präsenz”. Der Fokus liegt ja meistens darauf, dass Menschen etwas bewegen, verändern oder andere Menschen motivieren wollen. Dafür braucht es Authentizität und Emotionen. Ohne Emotionen gibt es keinen Wandel! Dafür ist es unerlässlich, die eigenen zu kennen. Dabei ist mir dann aufgefallen, dass es oft an der Kommunikation hakt (lacht) und als ich mich im Bereich Gewaltfreie Kommunikation (GFK) nach Marshall Rosenberg weitergebildet habe, hat das auch mein Leben nachhaltig verändert und beeinflusst. Bei der GfK geht es um Haltung, Werte und Bedürfnisse und das geht schnell sehr tief. So folgten dann therapeutische Ausbildungen, um tiefer und ganzheitlicher wirken zu können.
„Es liegt eine gewisse ureigene Weisheit in allen von uns. Es geht also mehr um das Abschälen der erlernten Sachen, die einen weg von sich selbst bringen.“
Sie sagen “Gedanken und Gefühle bestimmen unbewusst unser Auftreten”. Methoden dabei sind u.a. Übungen aus der Schauspieltechnik mit dem Ziel, Zugang zu den eigenen Emotionen zu bekommen, oder die Energie der Angst vor Auftritten positiv zu nutzen. Wie haben Sie erkannt, dass das gerade gebraucht wird?
Ich habe schon einige Menschen erlebt, die bereits viel in ihrem Leben u.a. in Rhetorikkursen gelernt haben, gleichzeitig immer steifer wurden und versuchten in Schablonen zu passen. Was dabei meist vergessen wird ist, dass ich mein Gegenüber so maximal oberflächlich erreiche. Klar habe ich tolle Werkzeugkästen voller effektiver Methoden, vorrangig liegt mir allerdings daran zu vermitteln, wie eine ureigene Weisheit in jedem von uns dabei helfen kann authentisch und lebendig aufzutreten, zu kommunizieren oder vor Menschen zu sprechen. Es geht also mehr um das Abschälen der erlernten Sachen, die einen weg von sich selbst bringen. Es kann hilfreich für den Einzelnen sein, um Rhetorik und Körpersprache zu wissen, gleichzeitig können wir von außen nichts verändern, solange bestimmte meist noch unbewusste Glaubenssätze und Gedanken gespeichert sind, die wiederum bestimmte Gefühle auslösen. Es geht auch viel um Erfahrungen, das ist nichts, was im Kopf und mit dem Verstand passiert. Außerdem dürfen wir akzeptieren, dass wir alle nicht perfekt sind und sein können. Nur über unsere Fehler können wir uns mit anderen verbinden. Dann fangen Menschen an lebendig zu werden und zu erblühen.
Welche Rolle spielen denn unsere Emotionen?
In allen Emotionen von uns steckt Energie. Wir können üben die Energie, wie beispielsweise die Angst, zu schnappen und in etwas anderes, für uns Hilfreiches, verwandeln, quasi recyceln (lacht). Am Schönsten zeigt sich das an Kindern und wie sie intuitiv lernen: „Ah, ich habe ein positives Erlebnis“. Auf diese Weise lernen sie weniger durch den Verstand, sondern viel mehr durch das Erleben mehr. Dadurch bleibt es in unserem System auch auf lange Sicht fest verankert und bereitet Freude.
Unsere aktuelle Zeit ist stark geprägt von Krisen und Schicksalen. Erkennen Sie in Ihrem Bereich “Mentale Gesundheit” eine Veränderung des Bedürfnisses hier Hilfe und Unterstützung zu bekommen?
Corona und die Isolierung vieler Menschen haben wie ein Brennglas gewirkt. Ich glaube nicht, dass Corona der Auslöser war. Es hat viel mehr gezeigt, was vorher schon da war und es vielmehr verstärkt. Auf diese Weise entstand mehr Wahrnehmung und es wurde zum Glück auch gesellschaftsfähiger. Es gehen mehr Menschen zum Arzt. Leider gibt es bei uns nach wie vor eine systemische Bestrafung, wenn man sich Hilfe sucht. Dass man dann beispielsweise keine Berufsunfähigkeitsversicherung mehr bekommt, ist in meinen Augen ein Unding! Ich denke es sollte viel mehr umgekehrt sein. Dafür möchte ich mehr Bewusstsein schaffen.
Foto: © Alexander Kreuzer
Und wie ist das in Unternehmen?
Unternehmen werden offener und bieten den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern inzwischen auch öfter psychologische Unterstützung an. Gemessen an dem immensen Bedarf noch immer ein Tropfen auf den heißen Stein. Das fängt beim Aufklärungsbedarf an, geht weiter über die horrenden ökonomischen Verluste für Unternehmen durch Mitarbeiter, deren Energie in innerpsychischen Konflikten gebunden ist, bis hin zu Vorteilen beim Recruiting, wenn Unternehmen auf die Not, auf dem kassenärztlichen Markt Therapieplätze zu ergattern, eingehen. Ich denke dabei übrigens nicht, dass Frauen häufiger an psychischen Erkrankungen leiden, als Männer. Zum einen zeigen sie sich anders und zum anderen suchen sich Frauen eher psychologische Hilfe.
Was kann man hinsichtlich Depression präventiv machen?
Zunächst einmal kann ich präventiv aufklären. Viele denken, dass Depressionen durch Stress, Schicksalsschläge oder Einsamkeit ausgelöst werden. Ich sage, dass dadurch vielleicht etwas getriggert aber nicht ausgelöst wird. Die Einsamkeit ist beispielsweise eher ein Symptom der Depression, nicht umgekehrt.
Wie arbeiten Sie hier?
Der erste Schritt ist zunächst einmal getan durch Akzeptanz. Anzunehmen, dass es eine psychische Erkrankung keine Charakterschwäche und kein Fehler ist! In Balance zu sein und sich zu regulieren ist der Weg unseres Systems in dem Körper, Emotion, Verstand und Seele untrennbar miteinander verbunden sind. Man kann also zunächst einmal schauen, was genau ins Ungleichgewicht geraten ist. Oft geht dieses Erforschen mit Schuldgefühlen einher. Da kann ich über Aufklärung Erleichterung und Akzeptanz schaffen. Auch genetische und biologische Dispositionen können einen Rolle spielen, wie z.B. ein ins Ungleichgewicht geratener Stoffwechsel. Das ist kann sehr unterschiedlich sein, man muss also individuell schauen.
Wenn es um Kommunikation und das Miteinander geht sagen Sie: “Konflikte sind menschlich, Eskalationen nicht.” Hier arbeiten Sie u.a. mit der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg. Wie sind hier Ihre Erfahrungen? Was können wir davon und bei all den Konflikten in der Welt über Kommunikation sowie für unseren Alltag lernen?
Marshall Rosenberg hat bestimmte Grundannahmen in der Gewaltfreien Kommunikation. Eine davon ist, dass jeder Mensch zu jedem Zeitpunkt das Beste tut, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Die Frage lautet also: Was ist das unerfüllte Bedürfnis? Und dann gibt es eine weitere Annahme: Nur ich bin verantwortlich für meine Gefühle. Menschen sind oft erstaunt zu erfahren, was sie alles für Bedürfnisse haben dürfen. Jemand, der es nicht gewohnt ist, seine Bedürfnisse wahrzunehmen und zu äußern, reagiert oft überfordert. In meinen Seminaren zur GFK geht es daher auch viel um Selbsteinfühlung, Selbstfürsorge und Eigenverantwortung. Und noch eine Annahme ist: Jeder Mensch ist daran interessiert zum Wohlergehen anderer beizutragen. Dafür darf ich erst mal dafür sorgen, dass die eigenen Bedürfnisse erfüllt sind. Deshalb: Meine einzige Aufgabe im Leben ist es mich selbst glücklich zu machen. Dann bin ich die bessere Chefin, der bessere Papa, die bessere Freundin…
Was sind Ihre Werte?
Sinnhaftigkeit, Umsicht, Demut, Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit und Verlässlichkeit sind mir wichtig. Ich habe lange danach gesucht und sie in der Wichtigkeit auch mal leicht verändert, aber das sind die Wesentlichsten.
„Es gibt in uns allen ein höheres Selbst, eine unendliche Seele, eine immerwährende Weisheit, die immer da ist.“
Mögen Sie nochmal auf den Wert Wahrhaftigkeit eingehen?
Wahrhaftig sein ist sicher auch ein bisschen wie eine Zwiebel schälen. Wie Zwiebelschalen haben wir uns Masken und Rollen zugelegt, haben erlernt wie zum Beispiel eine Mutter, eine Schwester, eine Tochter, eine Frau zu sein hat… machen einerseits unsere Erfahrungen im eigenen Leben, und sind gleichzeitig energetisch auch durch unsere Ahnenlinie und das Kollektiv geprägt. Hier kann man sich fragen, was man aus der eigenen Herkunftsfamilie oder dem soziokulturellen Umfeld übernommen hat und überprüfen, was sich stimmig anfühlt, womit man gut fährt, was man davon behalten oder vielleicht neu definieren will. Es gibt in uns allen ein höheres Selbst, eine unendliche Seele, eine immerwährende Weisheit. Wenn wir in Verbindung mit dieser Weisheit sind, sind wir wahrhaftig.
Sie beeindrucken außerdem ‑neben all Ihrer Arbeit- mit dem Schauspiel. Auf was dürfen wir uns hier freuen? Dürfen Sie das schon verraten bzw. was gibt es aktuell von und mit Ihnen zu sehen?
Was zum Beispiel schon im Fernsehen gelaufen ist und noch in der ZDF-Mediathek zu finden ist, ist “Ein Sommer auf Langeoog”. Darin spiele ich die Rolle einer verletzten trotzigen Frau, die mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wird — gleichzeitig auch mit ihrer Zukunft (wenn es dicke kommt, kommt eben alles zusammen (lacht)), dann „Hubert ohne Staller“ — aber hier kenne ich den Sendetermin noch nicht — und dann eine Folge “Watzmann ermittelt”, wo ich eine Helikoptermutter spiele. Ab dem 11. April 2024 haben wir dann mit einem hochkarätigen Ensemble tolle Theaterauftritte mit dem klugen Stück „Das Perfekte Geheimnis“ im Bayerischen Hof in München.
Sie sind außerdem sozial sehr engagiert, u.a. für Waisenkinder und den Verein „Unsere kleinen Brüder und Schwestern e.V.“ in Lateinamerika. Mit welchen Gedanken und Gefühlen ist das für Sie verbunden, wenn Sie im Vergleich dazu auf Deutschland schauen und wie wir hier leben?
Es gibt leider viele Waisenkinder und eine zerstörte soziale Struktur in vielen Ländern Mittelamerikas. Das ist häufig brutal, was dort passiert oder eben auch nicht passiert. Vor Ort herrscht mitunter eine große Hoffnungslosigkeit, denn oft sind die Frauen auch vollkommen alleine mit ihren Kindern. Da gibt es viele verlorene junge Menschen. Das Tolle an diesem Verein ist, dass man darüber wie eine Familie zusammenlebt und die Kinder die Möglichkeit haben, einen Abschluss oder gar Studium zu machen. Da gibt es einen familiären Halt und Unterstützung, das formt das Miteinander. Das Gefühl von bedingungslosem Aufgenommensein ist unglaublich wertvoll. Das hat mich sehr berührt. Im Vergleich zu Deutschland frage ich mich dann schon häufig, was ich alles bewirken kann, wenn ich beispielsweise hier eine Handtasche oder einen neuen Wintermantel weniger kaufe und im Vergleich dazu dort eine Ausbildung für ein Kind für ein Jahr finanzieren kann.
Was ist Ihnen als Mama von vier Kindern wichtig, was wir unseren Kindern für die Zukunft mitgeben sollten?
„Sei lieb zu dir, sei freundlich mit dir!“ Das Wichtigste ist, Kindern bedingungslose Liebe zu schenken. Das gucken sie sich von einem ab — oder eben nicht. „Du bist in Ordnung, genauso wie du bist!“ Kinder sind weise Wesen, die sich dann besonders gut entfalten können, wenn wir freundlich zu ihnen sind.
„Wie ich leben darf ist es ein absolutes Geschenk.“
Wie kriegen Sie bei all Ihren ganzen Tätigkeiten den Spagat zwischen Kindern, Familie und Beruf organisiert und haben dennoch Zeit für sich und was Ihnen wichtig ist?
Jetzt sage ich wahrscheinlich, was viele sagen: That´´ s my life. Ich liebe meinen Beruf und auch diesen Ausgleich. Wie ich leben darf ist es ein absolutes Geschenk. Natürlich gibt es Momente der Überforderung. Dann erinnere ich mich, dass es schon mal so war und ich es auch gemeistert habe und es vorbei geht (lacht).
Haben Sie noch einen schönen Gedanken zum Abschluss?
Was mir dazu spontan in den Sinn kommt ist: Deine einzige Aufgabe im Leben ist es, dich selbst glücklich zu machen…
Das gesamte Interview hier im Podcast.
Lara Joy Körner wurde 1978 in London geboren und lebt heute in München, wo sie auch ihre Kindheit und Jugend verbracht hat. Sie ist Mutter von vier Söhnen. Zusätzlich zu ihrer Arbeit als ausgebildete Schauspielerin in Fernsehfilmen, Serien, Kinoproduktion und auf der Theaterbühne, ist sie qualifizierte Kommunikationstrainerin und ausgebildete Heilpraktikerin für Psychotherapie. Die Fragen “Worum geht es EIGENTLICH?”, “Was treibt uns an?”, “Was ist unser Anliegen?” und “Welche Intention verfolgen wir?” haben sie schon immer fasziniert und bilden daher den Kern ihrer Arbeit — in allen Bereichen.
Verein „Unsere kleinen Brüder und Schwestern e.V.“: www.nph-kinderhilfe.org
„Das Perfekte Geheimnis“ — Komödie von Paolo Genovese, 11. April bis 19. Mai 2024 im Bayerischen Hof: www.komoedie-muenchen.de
Foto: © Alexander Kreuzer