Gemeinsam für eine bessere Welt

Das Gefühl des “Nachhausekommens” in sich selbst entdecken.

Christin Prizelius, Lars Amend
Christin Prizelius | 16.07.25 | Interview mit Lars Amend | © Farina Deutschmann

Lars Amend ist Bestsellerautor, Motivationsexperte und Coach und hat gerade sein neuestes Werk „Coming Home“ veröffentlicht. Er hat sich in den letzten Jahren einen Namen gemacht, indem er Menschen dazu inspiriert, ihr volles Potenzial zu entfalten und ein erfüllteres Leben zu führen. Seine Bücher, die oft eine Mischung aus persönlichen Erfahrungen, psychologischen Erkenntnissen und praktischen Ratschlägen sind, haben bereits zahlreiche Leserinnen und Leser begeistert.

In „Coming Home“ lädt er nun dazu ein, sich auf eine tiefgehende Reise zu sich selbst zu begeben. Das Buch verspricht, Orientierung und Trost in einer oft unübersichtlichen Welt zu bieten und Wege aufzuzeigen, wie man innere Ruhe und Zufriedenheit finden kann. Es geht darum, das Gefühl des “Nachhausekommens” in sich selbst zu entdecken und eine authentische Verbindung zum eigenen Ich aufzubauen. Mit Christin hat er sich online zum Interview getroffen…

Lieber Lars, danke für deine Zeit! Ich freue mich sehr, dass wir heute u.a. über dein neues Buch sprechen, das da heißt „Coming Home”. Was bedeutet dir dieser Titel persönlich und inwiefern spiegelt er die Kernbotschaft des Buches wider?

Hi Christin, danke für die Einladung und, dass du dir die Zeit nimmst, um ein bisschen Leben mit mir zu verbringen! „Coming Home” ist für mich eigentlich die Kernmessage des Lebens. Ich kann vielleicht gleich noch ein bisschen erzählen, wie es zu diesem Buch und auch zu dem Titel gekommen ist, aber „Coming Home” spiegelt für mich erst einmal wider, wonach wir uns alle sehnen und wonach wir alle suchen in diesem Leben, nämlich einen Ort zu finden, an dem wir Seelenfrieden haben, an dem wir einfach sein können und an dem wir „nichts müssen”. An dem eine Bedingungslosigkeit herrscht, wo wir in keine Rolle schlüpfen müssen, wo wir nichts leisten müssen, um geliebt zu sein. Wir verbringen unser ganzes Leben damit, genau das zu suchen, bewusst oder auch unbewusst. Es ist ja nicht jeder bewusst auf der Suche nach Glück, Zufriedenheit, Liebe, „Ankommen”, Ruhe und Frieden. Viele machen das unbewusst und stellen sich gar keine Fragen, aber dennoch glaube ich, dass jeder Mensch direkt oder indirekt auf dieser Suche ist. Und wir verbringen unser Leben damit, das im Außen zu suchen.

Also: Wenn ich erstmal viel Geld auf dem Konto habe, dann bin ich glücklich. Wenn ich erstmal meinen Traumjob gefunden habe, dann fühle ich mich erfüllt. Wenn ich erstmal meine Partnerin oder meinen Partner geheiratet habe, dann bin ich endlich angekommen. Wenn ich in der Zukunft irgendetwas erreiche, dann bin ich endlich happy. Das Problem dabei ist, wenn wir es dann erreichen oder auch nicht, ändert sich an dieser inneren Suche überhaupt nichts. Es gibt so viele Millionäre, die in riesigen Villen sitzen und da einsam und traurig vor sich hinvegetieren, weil sie dachten, sie bräuchten das, um endlich anzukommen, um dann festzustellen, dass die Villa zwar schön ist, aber auf der wahren Suche überhaupt nicht geholfen hat. Nichts gegen Willen, ich liebe schöne Willen, ist ja völlig klar (lacht). Ich mache auch lieber in oder an einem schönen Ort Urlaub, als auf einer Baustelle, da müssen wir gar nicht drüber reden. Wir werden dort aber nicht finden, wonach wir suchen. Im Gegenteil! Oftmals ist das nur eine Ablenkung von dem, wonach wir wirklich suchen. Es gibt so einen schönen Satz aus dem Buddhismus, der da heißt: „Du findest das Glück auf der Spitze des Berges nur dann, wenn du es selbst mit nach oben getragen hast!”. So viele Menschen reisen ans andere Ende der Welt oder wandern aus, weil sie glauben, dort etwas zu finden, was sie hier nicht haben. Aber sie verstehen nicht, dass sie all ihre Probleme mitnehmen. Viel mehr müssen sie das Glück, das sie dort suchen, dort mit hinnehmen.

„Du kannst nicht weglaufen vor deinem Leben und du kannst auch nicht weglaufen vor dem, was sich in dir befindet! (…) „Coming Home” ist schon jetzt mein absoluter Lieblingstitel, weil er einfach alles beinhaltet, worum es im Leben geht.”

Du kannst nicht weglaufen vor deinem Leben und du kannst auch nicht weglaufen vor dem, was sich in dir befindet. Und deswegen ist „Coming Home” für mich zweideutig. Auf der einen Seite betrifft es die Suche nach einem Zuhause in mir selbst und auf der anderen Seite habe ich das Buch geschrieben, weil ich meine Mutter in den Tod begleitet habe und auch über viele Monate im Krankenhaus an ihrem Sterbebett saß. Sie ist auf ihre Art und Weise dann auch nach Hause zurückgekehrt, nämlich an diesen Ort, an dem alles begann, und das ist ja für jeden etwas anderes. Je nachdem, woran man glaubt, ob man religiös oder spirituell ist, oder nichts von all dem. Aber das ist ja auch das Bild, was oft gemalt wird, wenn jemand stirbt, dass er oder sie nach Hause zurückkehrt, wohin auch immer. Und deswegen war das für mich bisher eigentlich der schönste Titel, muss ich wirklich sagen, und ich habe ja schon so viele Bücher geschrieben (lacht). Es ist schon jetzt mein absoluter Lieblingstitel, weil „Coming Home” einfach alles beinhaltet, worum es im Leben geht.

Hast du für dich auch nochmal neue Erkenntnisse innerhalb dieses Schreibprozesses gewonnen?

Ich habe mir natürlich die Frage gestellt, ob ich mich denn angekommen und zu Hause fühle, denn ich habe eigentlich mein Leben lang danach gesucht. Wenn ich ganz ehrlich bin, und das bin ich, habe ich da echt meine Schwierigkeiten mit, weil ich dieses Zuhause nie so richtig hatte. Und das sage ich jetzt völlig vorurteils- oder vorwurfsfrei. Meine Eltern haben sich scheiden lassen und meine Mutter ist dann weggegangen, als ich noch ziemlich klein war. Das war auch der Grund, weswegen ich in meinem Zuhause nie diese „heile Familie” hatte. Ich weiß noch, als ich als kleiner Junge früher bei meinen Freunden zu Hause war und man dann auch mal zusammen gegessen hat. Das kannte ich kaum. Ich bin in einem Dorf aufgewachsen, wo man überall auf der Straße gespielt und viel zusammen gemacht hat. Dabei ist mir ist aufgefallen, dass es bei meinen Freunden immer Abendessen mit der Familie gab und es dort auch irgendwie immer besser geschmeckt hat. Man saß zusammen an einem Tisch, es waren immer viele Leute da und in diesem Gewusel wurde immer ein Teller für mich mitgedeckt. Dadurch, dass meine Mutter nie da gewesen ist, gab es das bei uns nicht. Mein Papa, mein Bruder und ich waren wie eine Männer-WG. Das war schon alles mit sehr viel Stress verbunden und sehr provisorisch organisiert. Mein Vater musste arbeiten gehen und hat einfach versucht, das Beste aus der Situation zu machen. Das ist schon nicht einfach, wenn man auf einmal alleine mit allem dasteht. Dieses Gefühl von „Familie” und „Geborgenheit” kannte ich daher nicht, hatte aber immer Sehnsucht danach. Aber als kleines Kind war das für mich die Wahrheit, die ich abgespeichert habe. So ist das hier, das hier ist Familie. Dass das sehr schmerzbehaftet für mich war, habe ich aus Schutz natürlich von mir weggeschoben. Ich habe mir dafür Fantasiegeschichten erzählt, einfach um die Situation besser ertragen zu können. Da ist das Gehirn ja sehr clever, trickst uns aus und erzählt uns „alternative Wahrheiten”, damit wir besser durchs Leben kommen. So habe ich mein ganzes Leben gelebt. Jede Wohnung, in der ich war, habe ich mir auch provisorisch eingerichtet. Ich habe mir gesagt, dass das ohnehin nur übergangsweise ist. Ich habe mich nirgendwo wirklich wohlgefühlt, es war nie ein Gefühl von „Hier bin ich zu Hause”. Es war immer so ein: „Das Leben findet morgen statt!”

Ich dachte immer, dieses große „Familiending” passiert irgendwann in der Zukunft. Deswegen habe ich das erst mit dem Tod meiner Mutter zum ersten Mal so richtig reflektiert und all diese unbewussten Glaubenssätze aus mir herausgeholt. Ich konnte sie zum ersten Mal richtig sehen und das ist deshalb so absurd, weil ich mich eigentlich seit 10 — 15 Jahren mit Persönlichkeitsentwicklung beschäftige, selbst Coach und Mentor für andere bin, in der Theorie vieles weiß und auch selbst in der Praxis richtig mache, aber ich in diesem Punkt mein Leben überhaupt nicht gesehen habe, obwohl ich es bei anderen sofort erkenne. Ich habe mir diese Geschichte bis zum Tod meiner Mutter erzählt: Meine Kindheit war total glücklich und ich habe eh nie verstanden, dass meine Eltern mal zusammengefunden haben. Die Scheidung meiner Eltern war überhaupt kein Problem, das hat mich als Kind überhaupt nicht getroffen. Ich war unter der Woche bei meinem Vater und an den Wochenenden immer bei meiner Mutter. Für mich perfekt. Das war die Geschichte, die ich geglaubt und mir immer erzählt habe. Ich hätte das vor Gericht unterschrieben und eine eidesstattliche Erklärung abgegeben. Und dann, nach dem Tod meiner Mutter, habe ich sehr viel Biografiearbeit gemacht, auch was sie angeht, um besser verstehen zu können, warum sie in ihrem Leben gewisse Entscheidungen getroffen hat. Mir ist klar geworden: „Moment mal, alleine anhand der Jahreszahlen kann es gar nicht so gewesen sein, dass ich immer an den Wochenenden bei meiner Mutter war, weil ich an den Wochenenden nämlich immer Fußball und später im Verein dann immer Basketball gespielt habe.” Ich war sicher hin und wieder bei ihr, aber nicht so häufig, wie ich es mir erzählt habe. Das war schon krass, weil ich auf diese Weise natürlich auch ganz viel in Frage gestellt habe, also was mein Gehirn denn da noch alles so verarbeitet, dass ich als Kind nicht daran zerbrochen bin?!…

„Ich wollte wieder mehr erleben, das Leben inhalieren, mehr Erfahrungen, Bilder und Geschichten sammeln, das Leben wieder neu entdecken und aus neuen Perspektiven auf die Welt blicken, um wieder auf neue Gedanken zu kommen.”

Danke, dass du uns da so mitnimmst und offen drauf schauen lässt! Was hat dich denn dazu bewogen, gerade jetzt darüber zu schreiben und mit diesem so persönlichen Thema rauszugehen?

Das ist deshalb eine sehr gute Frage, weil ich mir eigentlich felsenfest vorgenommen hatte, erst einmal kein neues Buch zu schreiben (lacht). Ich habe ja auch ins Vorwort geschrieben, dass ich jetzt einfach mal ein bisschen leben wollte. Ich wollte wieder mehr erleben, das Leben inhalieren, mehr Erfahrungen, Bilder und Geschichten sammeln, das Leben wieder neu entdecken und aus neuen Perspektiven auf die Welt blicken, um wieder auf neue Gedanken zu kommen. Man muss bedenken, dass ich in den letzten Jahren 18 Bücher geschrieben habe — einige davon für Erwachsene, andere für Kinder. Zu dem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, irgendwie alles gesagt zu haben. Ich wollte daher eine Zeit lang mal etwas anderes sehen, um dann auch wieder darüber erzählen und schreiben zu können. Das war mein Plan und dann ist meine Mutter krank geworden. Auf diese Weise ist mir wieder klar geworden, dass man in seinem Leben noch so viele Pläne machen kann, aber irgendjemand im Himmel doch darüber lacht und sagt: „Du kannst noch so viele Pläne machen, aber ich habe einen anderen Plan für dich!” Als meine Mutter krank geworden ist, hat das ganz viel in mir ausgelöst. Ich habe viel über das Leben an sich nachgedacht, auch über meine Mutter, ihr Leben und unsere Beziehung. Wenn du wochenlang auf der Palliativstation die Hand deiner Mutter hältst, macht das etwas mit dir! Meine Mutter war für mich wirklich ein ganz besonderer Mensch. Ich habe nie etwas auf sie kommen lassen. Wir haben fast jeden Tag telefoniert, außer sie war mal irgendwie weg oder ich im Urlaub und nicht zu erreichen, aber prinzipiell haben wir wirklich jeden Tag miteinander gesprochen. Dabei haben wir uns gar nicht viel zu erzählen gehabt, aber es war so eine Routine oder ein Ritual: „Hi Mama, na, wie geht’s? Was machst du gerade, was gab’s zu essen, wie ist das Wetter bei dir?” Das war wie ein unsichtbares Band zwischen uns.

Man musste nicht viel sagen, es war einfach da. Ich denke gerade an dich, deswegen rufe ich dich an. Ich habe nichts zu sagen, aber trotzdem teilen wir einen kurzen Moment miteinander und erinnern uns gegenseitig daran, dass man da ist. Meine Mutter war dabei aber ein sehr verschlossener Mensch, daher ist es eigentlich immer alles an der Oberfläche geblieben. Sie hat nie Gefühle zugelassen. Sie hat alles, was in dem Spektrum von Gefühl lag, ganz tief weggesperrt und ihr Leben im Prinzip mit ihrer Arbeit verbracht. Die Arbeit war tatsächlich das Leben meiner Mutter. Darin hat sie ihre Erfüllung gesehen. Eine Überstunde war für sie wie eine Belohnung. Da konnte sie wirken. Auf ihrer Arbeit war sie wer, da hatte sie Anerkennung und etwas zu sagen. Da wurde sie respektiert, da konnte sie etwas verändern und bewirken. Da konnte sie gestalten. Ihr Name hatte Gewicht, ihr Wort hatte Gewicht, sie war hoch angesehen und eine echte Expertin auf ihrem Gebiet. Und auch wenn sie immer wieder über ihre Arbeit geschimpft hat, wie viele Probleme es gibt und wie doof die anderen Leute sind, war das ihr Leben. Also Probleme zu lösen, vor einer hochkomplizierten Situation zu stehen und einen Weg zu finden, das zu lösen… — das war die Lebensaufgabe meiner Mutter. Sie hat sehr mathematisch gedacht und konnte gut komplexe Situationen verstehen. Meine Mutter hat an der Börse gearbeitet, sie hat aber nicht getradet oder gehandelt, sondern war im Hintergrund und hat die Börsen Europas miteinander vernetzt — das heißt, sie hatte viel mit der EZB oder der Deutschen Bank und allen möglichen Banken Europas zu tun. Genau das war ihr Leben. Ich kann mich noch gut an einen Moment erinnern, als sie schon auf der Palliativstation lag und ich sie besuchen wollte. Ich bin aus Frankfurt mit dem Auto nach Stuttgart gefahren und sehe sie im Krankenhauszimmer am Tablet mit Kopfhörern sitzen, wie sie gerade in einem Meeting ist. Dann guckt sie mich an und sagt: „Ach, du bist ja schon da, ich habe gerade ein Meeting, das geht noch etwa eine Stunde. Geh doch in der Zeit mal einen Kaffee trinken.”

„In der Trauerarbeit, auch als ich dann verstanden habe, warum meine Mutter all diese Sachen gemacht hat und aus welcher Motivation heraus, wo sie herkam und wie sie aufgewachsen ist, ist mir klar geworden, dass das ihr Weg war, mit dem Lebensschmerz umzugehen. Meine Mutter hat für ihre Arbeit gelebt. Sie hat ihr Leben lang kämpfen müssen.”

Welche Erinnerungen hast du noch?

Der erste Gedanke von mir war natürlich schon, dass ich sie eigentlich nur so kenne. Sie hat immer gearbeitet und alles andere musste hinten anstehen. Später, in der Reflexion, habe ich dann nur gedacht: Eigentlich krass, da liegst du schon auf der Palliativstation, bist quasi am Ende deines Lebens und hast jetzt nicht mehr viel Zeit — und trotzdem verbringst du das bisschen Zeit, das du noch hast, damit, eine Aufgabe irgendwann in der Zukunft zu lösen und was deinen Job angeht, anstatt dich mit deinem Kind zu unterhalten. Aber das ist nur meine Perspektive! In der Trauerarbeit, auch als ich dann verstanden habe, warum meine Mutter all diese Sachen gemacht hat und aus welcher Motivation heraus, wo sie herkam und wie sie aufgewachsen ist, ist mir klar geworden, dass das ihr Weg war, mit dem Lebensschmerz umzugehen. Meine Mutter hat für ihre Arbeit gelebt. Sie hat ihr Leben lang kämpfen müssen. Sie ist in einem Vertriebenen-Lager auf die Welt gekommen, in Husum an der Nordsee. Meine Großeltern sind aus Schlesien geflüchtet, waren Heimatvertriebene und nach dem Zweiten Weltkrieg ist meine Mutter dann in bitterer Armut aufgewachsen. Da gab es nicht viel. Es gab ein paar Flocken mit Wasser und das Nötigste, aber das war’s. Meine Großeltern sind dann, so wie alle Heimatvertriebenen damals, erst einmal in Lager gekommen, und dann aus diesen Lagern in ganz Deutschland verteilt worden. Auf diesem Weg ist sie als kleines Mädchen mit ihren Eltern in einen kleinen Ort in der Nähe von Stuttgart gekommen, wo sie in der Nachbarschaft alles andere als willkommen waren. Es wurde mehr das Gefühl vermittelt: Wir werden jetzt gezwungen, euch hier aufzunehmen, weil die Regierung uns das vorschreibt, aber wir wollen euch nicht und zeigen euch das auch, wann immer wir können. Das heißt, meine Mutter ist zuerst in Armut aufgewachsen und dann in einem Gefühl von: Du bist nicht willkommen und anders als wir, deswegen meiden wir dich!

Aber sie hat sich vieles wiederum auch nicht nehmen lassen. Sie hat mir beispielsweise mal erzählt, wie sie mit ihrem Fahrrad zu einem Geburtstag gefahren ist, auf dem sie eigentlich gar nicht eingeladen war. Sie ist da nun hingefahren, hat an der Tür geklingelt und gesagt: „So, hier bin ich. Ich hatte zwar keine Einladung, finde das aber ungerecht und möchte auch ein Stück Kuchen!” Genau das beschreibt das Leben meiner Mutter. Sie hatte nichts, kam aus ganz armen Verhältnissen, aber hat zu sich gesagt: Ich hole mir mein Leben zurück! Ich mache etwas aus den wenigen Chancen, die ich habe. Deswegen war meine Mutter auch immer gut in der Schule. Sie wusste, dass wenn sie gut in der Schule ist, sie eine Chance hat, etwas aus sich zu machen. Und wir reden hier von den 60er Jahren! Meine Mutter hat als Erste in ihrer Familie Abitur gemacht, dann studiert und immer zu sich gesagt: Ich möchte niemals abhängig werden von irgendwem und ich möchte auch niemanden um Erlaubnis fragen müssen. Ich möchte mein eigenes Geld verdienen, meine eigene Chefin sein und nutze jetzt diese Chance, die ich habe — und dann ist sie mit 20 Jahren ungeplant schwanger geworden. Meinen Vater kannte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht lange. Tja, und was machst du jetzt?! Du bist gerade 20, deine Eltern haben kein Geld, du kommst aus den einfachsten Verhältnissen, hast überhaupt keine Ressourcen, absolut nichts, bist mitten in deinem Studium — und jetzt schwanger. Was machst du?! Sie hatte meinen Vater kurz vorher erst kennengelernt. Es war also keine gewachsene Beziehung, sondern mehr das Prinzip Sommerflirt. Was machst du also in den 70er Jahren in Deutschland?! Da gab es noch kein „Female Empowerment”, noch keine Community, wo sich Frauen supporten, oder Netzwerke für Frauen.

Mein Vater hat dann gesagt: Okay, du bist jetzt schwanger, alles klar, dann lass uns heiraten. Also der normale Weg. Sie haben also geheiratet, mein Vater hat für diese Familie ein Haus gebaut und viele Schulden gemacht für diese Zukunft. Meine Mutter wusste da aber schon, dass das nicht ihr Leben ist, sie ist da einfach reingestolpert. Sie wollte im Grunde auch nie Kinder haben. Dann hatte sie aber eins, aber weiter studiert und mein Vater hat das finanziert. Irgendwie ging es so auch die ersten Jahre. Mein Vater wollte irgendwann für meinen Bruder dann noch ein Geschwisterchen haben, dem meine Mutter ihm zu Liebe auch zugestimmt hat. So saß sie lange da mit zwei Kindern in diesem Kaff. Ich muss sagen, dass ich als Kind immer sehr krank war, vor allem in meinen ersten Lebensjahren. Ich bin 3 Monate zu früh auf die Welt gekommen, lag eine Zeit lang im Brutkasten, weil meine Lunge noch nicht ausgebildet war und habe wirklich um mein Leben gekämpft. Ein krankes Kind ist schon für jede gesunde Beziehung eine starke Belastung, aber so natürlich nochmal mehr. So merkst du irgendwann: Okay, entweder ich stelle jetzt all meine Bedürfnisse komplett hinten an, lebe ein Leben des Bedauerns, weil es nicht meins ist und um die Erwartungen der Welt zu erfüllen, eine gute Mutter zu sein und hier irgendwie eine heile Welt zu spielen, oder ich gehe einen anderen Weg — mit all den Konsequenzen. Ja und was soll ich sagen, meine Mutter hat sich dazu entschieden, einen anderen Weg zu gehen. Den der eigenen Erfüllung. Aus der Sicht des Kindes ist das natürlich krass. Nachdem meine Mutter gestorben ist, war ich erst einmal voller Wut und voller Enttäuschung. Bis zum Schluss hat sie gesagt, es ist doch alles gut.

„Ich habe das Schreiben darüber für mich selbst als Therapie genutzt. Ich musste einfach alles aufschreiben, was mir durch den Kopf gegangen ist. Es war wie eine Form des Verarbeitens. So habe ich verstanden, wo meine Mutter herkam, warum sie so handelte und welche Glaubenssätze und Denkmuster damit verbunden waren.”

Und später, um jetzt auch wieder den Bogen zu schließen und zu deiner Frage zurückzukommen, habe ich das Schreiben darüber für mich selbst dann als Therapie genutzt. Ich musste einfach alles aufschreiben, was mir durch den Kopf gegangen ist. Es war wie eine Form des Verarbeitens. So habe ich verstanden, wo meine Mutter herkam, warum sie so handelte und welche Glaubenssätze und Denkmuster damit verbunden waren. Vieles wurde mir dabei so viel klarer. Auf einmal konnte ich vergeben, weil ich verstanden habe, dass meine Mutter das nicht gegen uns, sondern für sich gemacht hat. Natürlich wurden dabei auch viele Fehler gemacht, aber sie konnte es nicht besser, hat allerdings das Beste versucht. Ich denke, dass meine Mutter es unter Umständen auch gar nicht so krass wahrgenommen hat, als wie ich es jetzt aus meiner Perspektive sehe. In ihrer Welt war die Arbeit einfach die absolute Nummer 1 und dadurch, dass meine Mutter schon als Mädchen immer alles verdrängt hat, vor allem ihre Gefühle und ihre Schmerzen, hat sie eine Schmerzerträglichkeit aufgebaut, die eigentlich unerträglich ist. Dadurch, dass du es aber gewohnt bist, diese Schmerzen zu haben, ist es für dich normal. Und mit Schmerzen meine ich keine körperlichen Schmerzen, sondern das, was du deiner eigenen Seele antust, wenn du etwas länger erträgst. Das, was dein „Normal” geworden ist über all die Jahrzehnte. Meine Mutter ist auch nie zur Therapie oder zu einem Coaching gegangen, sie hat es ihr Leben lang mit sich ausgemacht. Sie hat es immer verdrängt, ganz tief in sich weggesperrt und so lange sie arbeiten konnte, konnte sie alles andere ausblenden. Deswegen hat sie auch bis zum Schluss gearbeitet. Das war ihre Superkraft. Und meine Mutter hatte, daran glaube ich, wenn man jetzt mal ein paar Jahre ihres Lebens abzieht, aus ihrer Perspektive ein zufriedenes Leben.

Bild: © Farina Deutschmann

Wie hast du es geschafft, damit Frieden zu schließen?

Ich habe mich tatsächlich gefragt, was mir das Universum genau jetzt in diesen Momenten mitteilen möchte, also was die Botschaft hinter dem Ganzen ist. Ich saß wirklich tagelang bei mir zu Hause, habe aus dem Fenster geschaut und mir diese Frage immer und immer wieder gestellt. Ich glaube nun, die Botschaft ist daraus zu lernen, aus meiner eigenen Geschichte, aus meiner eigenen Erfahrung zu lernen, um genau jetzt in diesem Augenblick den Weg der Schmerzübertragung von Generation zu Generation zu beenden. Meine Großmutter hat ihren Schmerz an meine Mutter vererbt und meine Mutter an mich. Meine Großmutter hat den Krieg erlebt, ist geflohen und hat viele Teile ihrer eigenen Familie verloren. Sie hat so viel Schlimmes gesehen und erlebt, darüber aber nie gesprochen. Viel mehr hat sie es verdrängt und das Muster auf diese Weise an meine Mutter weitervererbt. Meine Großmutter konnte meiner Mutter auch keine Liebe zeigen. Viel mehr war es eine Form von Liebe, sie durchzukriegen und Essen auf den Tisch zu bringen. Das wurde aber nie ausgesprochen und auch nicht gezeigt mit Umarmungen, Körperlichkeiten oder Kuscheln. Meine Großmutter ist so aufgewachsen und meine Mutter ist es ebenfalls. Und es geht sicher noch weiter zurück. Ich habe nun beschlossen: „Dieser Schmerz endet jetzt hier!” Im Grunde kann ich meine Mutter sehr gut verstehen. Sie hatte einen sehr großen Freiheitsdrang, sich im Leben zu verwirklichen, und das hat sie mir weitervererbt, das mache ich ja nun ebenfalls. Auch mein größter Wert ist Freiheit, deswegen war ich noch nie in meinem Leben fest angestellt. Ich wollte keinen Chef haben, der mir sagt, was ich zu tun habe.

Mein Vater ist ganz anders, für ihn ist Sicherheit wichtig. Er ist Beamter, ein Lehrer. Sicherheit ist für ihn das allerhöchste Gut, die Absicherung im Alter und all das. Meine Tochter ist jetzt 3 Jahre alt, also genau in dem Alter, in dem ich ungefähr war, als meine Eltern sich getrennt haben. Das war ja aber ein langer Prozess. Meine Mutter ist gegangen und hat sich für ihren Weg entschieden. Jeder, der in einer Beziehung ist, und das kannst du mit Sicherheit ebenfalls bestätigen, durchlebt unglaublich viele Phasen. Es gibt Hochs und Tiefs, mal ist alles gut und mal möchte man seinen Partner oder seine Partnerin wirklich in die in die Tonne stopfen. Ich kenne kein Pärchen, das über einen längeren Zeitraum zusammen ist, bei denen immer alles super läuft. Es ist wie der Herzschlag des Lebens und geht immer hoch und runter. Und wenn man Kinder hat, ist es nochmal anders, das wirst du sicherlich ebenfalls bestätigen können. Auch andere, mit denen ich darüber gesprochen habe, sagen das. Viele Paare trennen sich, wenn das Kind mit 3, 4 oder 5 Jahren „aus dem Gröbsten” raus ist. Dann hast du dem Kind irgendwie erst einmal alles mitgegeben, wie Urvertrauen und so weiter, was es fürs Leben braucht. Auf einmal bekommst du dein Leben wieder so ein bisschen zurück, das Kind geht in die Kita und beginnt langsam, das eigene Leben zu führen. Man hat wieder mehr Zeit, nicht nur als Eltern, sondern auch als Pärchen, dich auf dich selbst zu fokussieren und dann kommen oft die Konflikte und Spannungen. Das war die Zeit, wo meine Eltern sich getrennt haben. Sie haben einfach zu wenig gesprochen.

Ich habe mich gefragt, warum mir das Universum nun genau jetzt diese Aufgabe schickt, mich damit zu beschäftigen. Ich sollte wohl dafür sorgen, dass ich Klarheit bekomme, und um es in meiner Beziehung besser zu machen. Wir haben uns daraufhin eine Coachin geholt, mit der wir uns regelmäßig getroffen haben. Wir konnten so miteinander reden und alles ansprechen und das kann ich wirklich nur jedem Menschen empfehlen. Macht die Sachen nicht unter euch selbst aus, sondern holt euch Hilfe und sorgt dafür, dass ihr Dinge besser besprechen könnt! Wenn du im Schmerz bist, kannst du keine klaren Entscheidungen treffen, und dann wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Im Ergebnis entfernt man sich dann Schritt für Schritt voneinander. Aber wenn du dir eine/n Coachin holst, eine/n Therapeuten/in, ganz egal — jemanden, der das professionell einordnet, nimmst du ganz viel Druck raus. Das haben wir gemacht und das ist die Botschaft, die ich mitgenommen habe. Ich habe auf das Leben meiner Mutter geguckt und mich gefragt, was ihr Leben aus meiner Sicht ist: Ein Vorbild oder eine Warnung?! Aus meiner Sicht war es nun eine Warnung. Deswegen habe ich mit meiner Frau zusammen entschieden, das für uns mit Hilfe dieser Coachin anzugehen und zu bearbeiten.

Für euch als Paar geht es da sicherlich auch viel um Heilung, oder? Heilung für dich als kleiner Junge in der Vergangenheit und im Jetzt für die Zukunft. Das zieht ja auch enorme Kreise, diesen Frieden zu finden, oder?

Klar, aber du darfst ja nicht vergessen, dass wie wir die Welt sehen, diese Glaubenssätze und Filter, durch die wir die Welt wahrnehmen, entstanden sind, als wir sehr klein waren — also in meinem Fall, aber das ist ja bei jedem Menschen so, waren die ersten 4–5 Jahre als Kind so entscheidend, weil sich genau in dem Zeitfenster diese Brille etabliert. Und wenn du dich geliebt fühlst, siehst du später auch die Welt durch diesen Filter. Wenn du Urvertrauen hast, heißt das, dass du dich etwas traust und dich dabei sicher fühlst. Du probierst Dinge aus, erlebst das Leben und fühlst dich sicher, weil du einen Raum bekommen hast, wo du hinfallen darfst, aber dich trotzdem geborgen fühlst. So entsteht Urvertrauen. So gehst du später auch durchs Leben, wenn du beispielsweise ein Bewerbungsgespräch hast oder in deinem Beruf vor einer schwierigen Situation stehst. All das entsteht in den ersten Lebensjahren. Aber wenn du als Kind das Gefühl hast, dass da etwas nicht vollständig ist, etwas fehlt oder die Liebe nicht bedingungslos ist, du dich am Ende um dich selbst kümmern muss und dich nur auf dich selbst verlassen kannst, macht das etwas mit dir. Einer meiner Glaubenssätze war auch lange, dass man sich zwischen Familie und Geld entscheiden muss, und: Geld ist schlecht, Geld hat etwas Böses und ist zerstörerisch. Ja warum war das wohl so?! Weil ich gedacht habe: Mama geht weg für das Geld. Das sind alles so kindliche Wahrheiten, die natürlich überhaupt nicht stimmen. Aber wir nehmen das so wahr aus der Perspektive eines 4, 5, 6, 7, 8 jährigen Kindes und glauben, dass das die Wahrheit ist. Wir speichern das ab als die Wahrheit und wenn wir später im Leben 40–45 Jahre alt sind und immer noch ein Problem mit Geld haben, ist es nicht der 40–45 jährige Erwachsene, sondern immer noch das fünfjährige Kind.

„Das zu verstehen, ist ein Game Changer, weil erst wenn du es verstehst und ein Bewusstsein dafür hast, du es aufarbeiten kannst. Erst mit Selbstliebe, Kursen oder was auch immer, das kann ja jeder für sich selbst entscheiden, was der richtige Weg ist, arbeitest du es auf. Und zwar nicht nur auf einer theoretischen Kopfebene, sondern wirklich mit dem Herzen.”

Das zu verstehen, ist ein Game Changer, weil erst wenn du es verstehst und ein Bewusstsein dafür hast, du es aufarbeiten kannst. Erst mit Selbstliebe, Kursen oder was auch immer, das kann ja jeder für sich selbst entscheiden, was der richtige Weg ist, arbeitest du es auf. Und zwar nicht nur auf einer theoretischen Kopfebene, sondern wirklich mit dem Herzen. Das hat mir sehr geholfen. Das ist im Grunde absurd. Bei anderen Menschen erkenne ich all diese Sachen sofort. Wenn Menschen damals über Geld gesprochen haben, bin ich zum Teil aus dem Zimmer gegangen. Ich konnte es nicht ertragen, aber trotzdem nicht sagen, warum. Geld ist doch nichts Schlimmes! Jeder von uns muss Geld verdienen. Wir machen alle unsere Verträge, handeln Honorare aus oder Sonstiges, aber wenn ich aus dem Raum gehen wollte, war das nicht ich von heute, sondern der kleine Lars von früher. Das zu verstehen, veränderte alles.

Du sagst, der größte Erfolg im Leben ist es, bei sich selber anzukommen, und da sind wir wieder bei deinem Buch. Deine Erkenntnis ist, dass das Leben mit allen Licht- und und Schattenseiten immer die Möglichkeit bietet, in dem, was passiert, einen Sinn zu sehen, und auch die Möglichkeit, bei sich selber ein Zuhause zu finden. Und wenn man es in der Vergangenheit nicht hat, du es dennoch später finden kannst. Welche Tipps hast du denn dafür? Wie schaffen wir es, bei uns zu Hause anzukommen?

Das ist ganz individuell. Ich würde sagen, dass der erste Schritt ist, sich überhaupt einmal zu fragen, was in einem selber vorhanden ist, was man gerne mit der Welt teilen möchte. Ich glaube, das ist der Sinn des Lebens, bzw. einer davon. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass in uns allen eine Künstlerin oder ein Künstler steckt, und dass das bei jedem Menschen etwas anderes ist — auch wenn es vielleicht nicht das ist, was wir auf den ersten Blick als Kunst definieren würden. In meinem Fall ist zum Beispiel der Weg, mich auszudrücken, sei es Bücher zu schreiben, Podcasts aufzunehmen oder zum Beispiel, wie jetzt mit dir, mich zu unterhalten. Ein anderer Mensch backt wiederum gerne und gut Kuchen und das ist sein Weg, sich auszudrücken. Wieder ein anderer Mensch unterrichtet gerne, räumt Müll weg oder spielt Tennis. Es kommt darauf an, wie du darauf blickst und welchen Wert du dem gibst, was du tust. Es geht nicht darum, wieviel Geld man dadurch verdient, sondern etwas zu tun, was dich von innen heraus erfüllt. Ich denke auch, dass die allermeisten Menschen das deshalb vergessen haben, weil wir in einer kapitalistischen Welt leben, wo alles monetarisiert werden muss. In dem Buch schreibe ich übrigens auch darüber, dass ich ein großer Fan des guten alten Hobbys bin, wo man nicht gut in etwas sein muss, aber was einen trotzdem total erfüllen kann. Nicht jede Erfüllung im Leben muss man in seinem Job haben, sondern wenn du einen Job hast, der dich nicht krank macht, der sich gut anfühlt und in dem du auch gut bist, der dir deine Miete bezahlt und ein Gefühl von Sicherheit gibt, dann ist das ok! Wenn der Job dir Sicherheit und einen finanziellen Spielraum gibt, womit du dein Leben bestreiten kannst und dieser Job dafür sorgt, dass du an den Wochenenden und nach Feierabend alles tun kannst, was du möchtest, ist das ebenfalls ok!

Wenn du es beispielsweise liebst, zu malen, aber bei einer Bank als Sachbearbeiterin arbeitest, solltest du nicht überlegen, deinen Job zu kündigen, um jetzt professionelle Malerin zu werden. Das ist in meinen Augen ein riesen Irrtum! Das ist der direkte Weg ins Unglück, denn nicht jede Malerin wird berühmt und verkauft ein Bild für viele Tausend Euro. Aber das in der heutigen Zeit, vor allem, wenn man mal auf Instagram und auf Tik Tok unterwegs ist, auch schwer zu erkennen. Du hörst von allen Seiten: „Lebe deinen Traum” und du musst nur dies oder das tun, um deinen deinen Job zu kündigen und deine Erfüllung zu leben. Vergiss es! Klar, es kann sein, aber ich sage ganz ehrlich: Ja, das ist vielleicht ein Weg und wenn du bereit bist, schlaflose Nächte zu haben, weil du kein Geld hast, aus deiner 4 — Zimmer Wohnung auszuziehen und in eine 2 — Zimmer Wohnung zu ziehen, mit sehr viel weniger glücklich zu sein, nicht mehr in den Urlaub zu fahren und auf ganz viel zu verzichten: dann mach es! Aber wir haben als Mensch noch so etwas wie den logischen Verstand. Das heißt, wenn du einen Job hast, der dir dein Leben finanziert, der dir die Miete bezahlt, den Kühlschrank füllt und dich nicht krank macht, behalte ihn! Behalte ihn und male an den Wochenenden oder wenn du Feierabend hast! Das ist so entscheidend! Viele glauben, ein erfülltes Leben bestehe nur dann, wenn man diese Erfüllung auch in seinem Hauptjob hat. Das ist ein Irrglauben!

Rede mit deinen Liebsten, solange es noch geht. Mach die Dinge, solange du noch die Chance dazu hast, und verschiebe das Wichtige nicht mehr auf Morgen. Wir müssen wieder mehr in dieses Bewusstsein der Dankbarkeit kommen und ich glaube dann ist auch der allgemeine Umgang wieder besser.”

Mit welchen Gedanken und Gefühlen ist das für dich verbunden? Wenn du auf die aktuelle Zeit, die Menschen und den Umgang miteinander schaust, nicht nur in Deutschland, sondern auch global gesehen, womit ist das für dich verbunden? Wenn du was daran ändern könntest, was wäre das?

Wenn ich etwas entscheiden könnte, würde ich erst einmal Kriege verbieten, und das Geld, was da fließt, komplett neu verteilen. Das Bittere ist ja, dass eigentlich genug Essen für alle da wäre, aber in Amerika aktuell Millionen Tonnen an Essen verrotten, weil die aktuelle Regierung die Leute rausgeschmissen hat, die als Einzige die Zugangscodes kennen, um an die Lager zu kommen. Das ist so absurd! Im Grunde könnte man mit dem, was vorhanden ist, die ganze Welt ernähren. Das wäre überhaupt kein Problem! Das wäre das Erste, was ich verändern würde, aber ich bin nun nicht der Präsident der Erde. Ich bin ein Autor und kann die Welt auch nicht verändern, aber was ich verändern kann, ist ein kleines bisschen in meinem eigenen Leben. Darauf sollte man sich konzentrieren! Also hilf den Menschen in deinem Umkreis, mach das, was du machen kannst. Wenn jeder ein bisschen etwas unternimmt, ist das schon eine ganze Menge. Ich bin hier in Deutschland geboren, meine Tochter ist in Deutschland geboren und auch meine Frau ist in Deutschland geboren, ihre Eltern aber sind aus dem Iran geflohen. Das heißt, meine Tochter ist halb persisch. Wenn man sich jetzt mal ansieht, was aktuell im Iran los ist, wird einem anders, denn da ist Krieg! Vor dem Krieg gab es allerdings auch schon eine andere Form von Krieg, denn die Mädchen dort sind nicht frei. Sie können ihre Meinung nicht frei äußern und zum Teil nicht mal in die Schule gehen. Hier in Deutschland hingegen ist man frei. Meine Tochter ist frei, aber das gleiche Mädchen im Iran ist nicht frei, ohne etwas dafür zu können.

Also sollten wir an dieser Stelle auch mal wieder erkennen, was für ein Glück wir haben. Ich kann nichts dafür, hier in Deutschland geboren zu sein. Ist es ein Geschenk des Himmels?! Das müssen wir auch mal wieder sehen, bei all den Problemen, die wir haben. Das heißt nicht, dass ich Gefahren schön oder klein reden möchte. Es gibt so vieles, über das ich sprechen könnte, wie politische oder wirtschaftliche Themen, da müssen wir überhaupt nicht drüber reden. Das ist alles da. Und dennoch haben wir hier immer noch ein Stück heile Welt. Dafür sollten wir mal ein Grundgefühl von Dankbarkeit haben. Schau mal, wie es in der Welt gerade zugeht, und dann guck dir deine Probleme an. Sag zu dir selbst: „Ich bin dankbar für die Probleme, die ich habe, denn das heißt, dass ich sie lösen kann. Natürlich habe ich Empathie mit der Welt und Verständnis für die Menschen, denen es gerade überhaupt nicht gut geht, aber vergiss es gleichzeitig nicht, wenn bei dir die Sonne scheint, du am Leben bist und es dir gut geht. Entweder weil du jetzt gerade in diesem Augenblick diesen Podcast hören oder ins Café gehen kannst, um dir einen Kaffee oder ein Croissant zu bestellen.

Was für viele das Normalste auf der Welt ist, ist ein unglaubliches Geschenk. Und, dass du dir diesen Gedanken erlauben kannst, was du mit deinem Leben machen möchtest. Wo möchte ich leben?! Welche Ausbildung möchte ich machen?! Also dieses „Mind Blowing”, von dem wir glauben, dass es ganz normal ist. Nein, es ist ein Geschenk, das du hast! Wenn du auf andere schaust und du den Eindruck hast, dass es ihnen so viel besser geht, kann ich nur sagen: Du weißt gar nicht, ob es ihnen wirklich besser geht, vielleicht schauspielern sie nur. Aber egal, wie es in Wirklichkeit auch ist, es spielt keine Rolle. Guck auf dein Leben und was du jetzt konkret machen kannst. Und dann vergeude deine Zeit nicht mit Belanglosigkeiten, sondern mach etwas aus deinem Leben. Das ist am Ende auch die Botschaft meines neuen Buches. Rede mit deinen Liebsten, solange es noch geht. Mach die Dinge, solange du noch die Chance dazu hast, und verschiebe das Wichtige nicht mehr auf Morgen. Wir müssen wieder mehr in dieses Bewusstsein der Dankbarkeit kommen und ich glaube, dann ist auch der allgemeine Umgang miteinander wieder besser. Ich glaube, dass das automatisch wiederkommt, wenn der Blick und die Wahrnehmung eine andere sind. Das Gefühl von Dankbarkeit und, dass es eben nicht selbstverständlich ist, wie wir hier leben, dass die Supermarktregale voll sind und alles im Überfluss vorhanden ist. Ich glaube, das kann sowohl im Kleinen als auch dann im Großen eine Menge bewirken.

Wenn du Gutes tun kannst, tue es. Wenn du deine Begabung nutzen kannst, um das Leben anderer zum Positiven zu ändern, tue es. Rettest du nur eine einzige Seele, dann rettest du damit die ganze Welt!

Hast du zum Schluss einen Satz für uns aus deinem Buch?

Ja, zum Beispiel auf Seite 234. Dort sage ich: „Wenn du Gutes tun kannst, tue es. Wenn du deine Begabung nutzen kannst, um das Leben anderer zum Positiven zu ändern, tue es. Rettest du nur eine einzige Seele, dann rettest du damit die ganze Welt! Denn die Welt, wie wir sie kennen, steht in Flammen.”

Dankeschön für deine Zeit und all dein Wirken!

Ich danke dir, bis bald!

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Mehr Informationen

Das ganze Interview gibt es bei uns HIER im Podcast (#Folge50).

Die Bücher von Lars Amend wurden bereits in mehrere Sprachen übersetzt und haben das Leben sehr vieler Menschen positiv beeinflusst. Er ist auch als Life Coach aktiv und gibt Seminare und persönliche Coachings, in denen er Themen wie Achtsamkeit, Glück und Persönlichkeitsentwicklung behandelt. Seit über fünf Jahren veröffentlicht er zudem den Podcast „Auf einen Espresso mit Lars Amend”, in dem er regelmäßig über Erfolg, Glück und Bestimmung spricht.

Mehr zum aktuellen Buch „Coming Home” HIER.

www.lars-amend.de

www.instagram.com/larsamend

Bild: © Farina Deutschmann


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