„Auf unserem Hof möchten wir die Menschen einladen zu träumen: Von einer besseren Welt, einem angenehmeren Umgang miteinander und einem Alltag, in dem wir voneinander lernen und uns als Menschen und Tiere wertschätzend begegnen.“, sagen Karin Grygier und Schwester Debora Schneider. Dieser „Abenteuer & Pädagogik Mensch-Tier-Begegnungshof Lamahausen ist ein kleiner Ort mit Lamas, Alpakas, Eseln, Ziegen, Schafen, Schweinen, Hunden, Kaninchen, den Hofkatzen und Menschen, die hier in der hessischen Rhön miteinander leben und arbeiten. Der gemeinnützige Verein fördert die Mensch-Tier-Begegnung für Personen jeden Alters. Es erwartet einen dort ein erfahrenes Ehrenamtsteam, pädagogisch geschultes Personal und freundliche tierische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, mit denen man eine besondere Zeit verbringen kann.
Wie kommt man dazu, einen Mensch-Tier-Begegnungshof aufzubauen? Wie war der Weg dorthin und was habt ihr vorher gemacht?
Sr. Debora Schneider: Spirituell faszinierten mich schon sehr die Erzählungen über den Heiligen Franz von Assisi und seine Nähe zur Natur und den Tieren. Ich fand es im eigenen Leben sehr spannend, auf Augenhöhe mit Tieren zu gehen, um im Miteinander zu lernen. Fasziniert hat es mich auch, einander vertraut zu machen und dadurch tierische Persönlichkeiten kennenzulernen. Begonnen hat alles mit meiner Katze Priska und meiner Hündin Finchen… Beide lernte ich als tierische Persönlichkeiten mit ihren Fähigkeiten und Besonderheiten kennen. Das hat mich sehr geprägt und als Mensch meinen Umgang mit Tieren hinterfragt. Bei meinen Aufgabenbereichen in der Seelsorge und im sozialen Bereich hatte ich meinen Hund Finchen oft dabei. Die Hündin ging sehr freundlich und schwanzwedelnd auf Menschen zu. Ohne Worte – nonverbal – wie ein Vertrauensbonus für meinen Gegenüber. Ein Tier hört zu – ohne es weiterzuerzählen.
“Ein Tier spürt eine wohlwollende Nähe und zeigt es ehrlich im Verhalten. Ein Tier spiegelt eigene Stärken und Schwächen.”
Ein Tier spürt eine wohlwollende Nähe und zeigt es ehrlich im Verhalten. Ein Tier spiegelt eigene Stärken und Schwächen. Und letztendlich macht es mir mein eigenes „Tier-Sein“ bewusst, mit Instinkten und Empfindungen, die wir in unserer Gesellschaft oft gar nicht mehr bewusst wahrnehmen können oder wollen. Das alles hat mich motiviert, Tiere mit Fluchtinstinkt genauer in den Blick zu nehmen. Schließlich entschied ich mich, eine Farm zu mieten und mit vier Lamas, einem Hund und zwei Katzen eine Wohngemeinschaft zu gründen. Inzwischen hat sich die Mensch-Tier-Natur – WG erweitert…Es gab freundliche, humorvolle und kritische Kommentare auf diesem Weg, mit dem Ziel, die Tiere als wertvolle Mitgeschöpfe zu sehen und zu fördern, mit ihren individuellen Fähigkeiten. Wir betreiben den Hof rein ehrenamtlich, alles kommt den Tieren zugute. Das war eine bewusste Entscheidung, um die Tiere keinem Zwang an Mensch-Tier-Begegnung auszusetzen. Wir Menschen gehen also unserer hauptberuflichen Tätigkeit nach und genießen die freie Zeit mit unseren Tieren und den vielfältigen Begegnungen.
Karin Grygier: Als ich Sr. Debora kennenlernte, hatte sie das Vorhaben, Lamas für die Mensch-Tier-Begegnung zu halten, bereits in die Wege geleitet. Die Farm war schon gemietet, der Plan stand. Ich selbst fand diese Idee gleichermaßen abenteuerlich und verlockend. Das Landleben war für mich schon immer reizvoll, die Begegnung mit den Neuweltkameliden, die mir zwar schon in wilden Herden in den Anden über den Weg gelaufen waren, war neu und voller Überraschungen. So haben wir den von Sr. Debora begonnenen Weg gemeinsam fortgesetzt und als Rechtsform für unser Projekt den gemeinnützigen Verein gewählt. Das Leben auf dem Hof mit den Tieren und den Menschen, die zu uns kommen, füllt die Freizeit, die unser Berufsleben uns lässt, ziemlich gut aus. Allerdings ist genau diese Art zu leben für mich eine immerwährende Kraftquelle.
Bild: © Lamahausen, Privat: Karin Grygier, Christin Prizelius und Schwester Debora Schneider
“Auf unserem Hof möchten wir die Menschen einladen zu träumen: Von einer besseren Welt, einem angenehmeren Umgang miteinander und einem Alltag, in dem wir voneinander lernen und uns als Menschen und Tiere wertschätzend begegnen.”
Eure Arbeit steht unter anderem für Abenteuer und Pädagogik. Wie sieht euer Alltag aus? Welche Geschichten von Menschen begegnen euch hier täglich?
Ein Abenteuer ist es jeden Tag, den Tieren auf Augenhöhe zu begegnen. Da gibt es die verschmusten, die launischen, die freundlichen und die scheuen Mitbewohner und Mitbewohnerinnen. Sie reagieren auf Laute, auf Pfeifen, erwarten ihre Streicheleinheiten oder ihre individuellen Leckereien. Es zaubert mir immer ein Lächeln ins Gesicht. Pädagogisch ist es toll, mit und von Kindern zu lernen. Es rührt mich oft, wenn ganz persönliche Beziehungen entstehen, und unsere Tiere dann auch Postkarten aus den Urlaubsorten der Kinder erhalten, die wir ihnen natürlich vorlesen. Auch Menschen mit psychischen Einschränkungen und schwierigen persönlichen Phasen entdecken oft mit tierischer Hilfe eine innere Ruhe, die mitten in der Natur zu finden ist. Daneben laden die Persönlichkeiten der Tiere und ihre Fähigkeiten oft zum Schmunzeln ein. Schwein Frederik, der es liebt, Törchen zu öffnen, Ziege Carlos, die gerne kuschelt, oder Henne Julia, die Menschen auf dem Hof gerne begleitet und beobachtet. Und da gäbe es jetzt noch so viele Beispiele, bei denen mir das Herz aufgeht… Menschen erleben, wie die unterschiedlichen Tierarten gut miteinander leben können, ihre Grenzen erweitern und nonverbale Fähigkeiten im Miteinander entwickeln. Manchmal kommt auch Traurigkeit auf, wenn uns Menschen bewusst wird, wie wir mit Tieren umgehen, die so tolle Fähigkeiten in sich haben. Hin und wieder fließt auch eine Träne, da sich einzelne Personen angenommen fühlen, weil ein Tier bei ihnen liegt, sie anschaut, oder auf ihrem Schoß sitzt. Diese individuelle Form erleben manche in ihrem Alltag nicht mehr. Auf unserem Hof möchten wir die Menschen einladen zu träumen: Von einer besseren Welt, einem angenehmeren Umgang miteinander und einem Alltag, in dem wir voneinander lernen und uns als Menschen und Tiere wertschätzend begegnen.
Bild: © Lamahausen
Bei euch gibt es Lamas, Alpakas, Esel, Ziegen, Schafe, Schweine, Hunde, Kaninchen, Hühner, Hofkatzen und Menschen, die miteinander leben und arbeiten. Worin seht ihr den größten Mehrwert und Nutzen? Was bereitet euch hier die größte Freude?
Ein Mehrwert besteht in der Art des Zusammenlebens, dem Kennenlernen von tierischen Persönlichkeiten und der Förderung von den Fähigkeiten der Tiere. Ein Mehrwert sind die zahlreichen wertvollen Begegnungen mit Menschen und das heilsame Erleben von tierischen Verhaltensweisen. Vielleicht hat die Welt den Nutzen davon, dass wir bewusster mit Tieren und der Natur umgehen und dadurch eine Sensibilität zugelassen werden kann, die unsere Mutter Erde betrifft. Menschen bewegen sich in der freien Natur viel lieber in Begleitung von Tieren. Das kenne ich aus eigener Erfahrung. Für Kinder ist eine Wanderung in Begleitung eines kuscheligen Alpakas mitten durch den Wald und über einige Kilometer ohne Ermüdungserscheinungen möglich. Auch mit einem Hund auf der Wiese zu liegen und in den Himmel zu schauen, oder mit einem Schwein im Matschloch zu sitzen…, das ist mit Tieren etwas Besonderes und mit viel Spaß verbunden.
Der Begegnungshof bietet ein buntes Programm, um mitten in der Natur und in der Mensch-Tier-Begegnung eine heilsame Zeit zu erleben. Wie sorgt ihr dafür, dass die Arbeit gut funktioniert?
Unser Kernteam sind natürlich wir beide, die wir auf dem Hof leben, uns täglich um die Tiere kümmern, mit ihnen arbeiten und alle Angebote und Aktionen organisieren, pädagogisch ausarbeiten und begleiten. Bei größeren Aktionen und Arbeitseinsätzen werden wir durch unsere Vereinsmitglieder, Freunde, Familienmitglieder, Tierpatinnen und ehrenamtlichen Helfer/innen unterstützt, die sich mit ihren vielfältigen Talenten (handwerklich, pädagogisch, kreativ, naturkundlich usw.) einbringen.
Es gab auch schon Veranstaltungen wie „die Kräuterwerkstatt: Heilkraft der Wildkräuter“ oder das „Frauenwochenende“, wo alle Einnahmen in den Unterhalt der Tiere fließen. Wie finanziert ihr euch sonst?
Als gemeinnütziger Verein arbeiten wir natürlich ausschließlich ehrenamtlich. Unser Ziel ist es, mit den Einnahmen und Spenden den Unterhalt für die Tiere und den Verein zu finanzieren (Futter, Tierarzt, Instandhaltung der Stallungen und Zäune, Vereinshaftpflicht usw.). Vor allem in den Sommermonaten und, sofern es das Wetter erlaubt, rund ums Jahr, ist unser Terminkalender nach Feierabend, an den Wochenenden und während unseres Urlaubs, gefüllt mit Angeboten, die wir für Menschen mit Förderbedarf, für Kinder, Jugendliche und tierbegeisterte Menschen jeden Alters machen. Die Einnahmen aus diesen Angeboten und Aktionen sind ein wichtiger Bestandteil der Finanzierung. Weiterhin wichtig – besonders in den Wintermonaten – sind Spenden, Tierpatenschaften und Mitgliedsbeiträge. Öffentlich gefördert werden wir nicht. Sehr dankbar sind wir über die Förderung durch AKTION MENSCH, mit deren Hilfe wir unsere Angebote barrierefrei zugänglich machen konnten.
Bild: © Lamahausen
“Wir stellen uns sehr individuell auf die jeweiligen Personen ein und ermöglichen zudem behindertengerechte Formen der Begegnung.”
Was gibt es bei euch für die Kleinen und Familien zu entdecken und zu erleben?
Viele liebenswerte Tierpersönlichkeiten, die sich darauf freuen, Menschen zu begegnen, sei es durch ein Hofprogramm oder eine Wanderung. Wir stellen uns sehr individuell auf die jeweiligen Personen ein und ermöglichen zudem behindertengerechte Formen der Begegnung. Unser Hof bietet ein Jahresprogramm mit festen Punkten und die Möglichkeit individueller Termine.
Die Begegnungshöfe haben sich zu einem wichtigen regionalen Angebot in den Bereichen pädagogische und therapeutische Projekte, Naherholung, Freizeitaktivität und Tourismus entwickelt. Was wünscht ihr euch für die Zukunft und wie kann man euch unterstützen?
Wir wünschen uns tier- und naturbegeisterte Menschen oder solche, die es werden wollen. Damit andere Menschen diese Form der Begegnung erleben können, sind zeitliche oder auch finanzielle Ressourcen nötig, die Kindergruppen, Schulklassen, Gruppen von Menschen mit psychischen Einschränkungen oder dementiell erkrankte Personen benötigen. Dabei wäre eine Unterstützung toll. Zu uns kommen auch Menschen, die aus verschiedensten Gründen keine Tiere halten können. Denen ermöglichen wir eine angeleitete Begegnung mit einem Hund, den Spaziergang mit einer Ziege oder das Spielen mit einer Katze. Als Hof mit ehrenamtlichem Engagement können wir uns keine Werbung leisten oder erhalten keine finanziellen Hilfen, weil wir in die bestehenden Branchen der Gesellschaft nicht passen. Es wäre toll, wenn wir auf unterschiedlichste Art unterstützt werden könnten. Da wir gemeinnützig arbeiten, sind finanzielle Spenden toll. Auch ein Karottenabo oder die Übernahme der Kosten von Tierfutter wären denkbar. Wir freuen uns auch über Patenschaften für unsere Tiere. Die Tiere spüren dann zusätzlich eine innere Verbundenheit, da Besuche und persönliche Zeiten dazugehören. Unser kleines Alpaka, zum Beispiel, freut sich immer wieder über die besondere und ganz individuelle Zeit mit seiner Tierpatin…
Mehr unter: www.lamas-helfen-menschen.com
Das ganze Interview ist in einer vorherigen Ausgabe des Magazins Pure & Positive erschienen.