Gemeinsam für eine bessere Welt

Mit den Flügeln der Zuversicht.

Christin Prizelius | 02.05.25 | Interview mit Abdul von „Village of Hope” | © Daniela Böhm, Privat

Die Mission von Abdul von „Village of Hope” ist es (zu seiner Sicherheit haben wir auf die Nennung seines vollständigen Namens verzichtet), Waisenkindern in Uganda Liebe, Fürsorge und die Möglichkeit zu geben, sich zu entfalten. Wir waren mit Daniela Böhm und ihm im Austausch und sprachen über seine Geschichte, seinen Weg, wie er nach Deutschland kam, wie die beiden sich kennengelernt haben und darüber, welche Träume und Wünsche er hat sowie was ihm Zuversicht gibt. Für sein Herzensprojekt sagt er: „Gestalte mit uns eine Zukunft, in der Hoffnung gedeiht und Potenziale ausgeschöpft werden. Gemeinsam können wir nachhaltige Veränderungen bewirken, die über Generationen hinweg spürbar sind.”

Lieber Abdul, bitte erzähle uns etwas über dich und deine Geschichte.

Ich bin Anfang März 2024 nach Deutschland gekommen. Es war das erste Land, von dem ich einen positiven Bescheid zu meiner Bitte um Asyl erhielt. Mein Heimatland Uganda musste ich verlassen, weil mein Leben bedroht war. Ich stamme aus einer Familie mit islamischen Glauben, entschied mich aber, zum Christentum zu konvertieren. Für mich hat es sich richtig angefühlt, mein Vater fand das jedoch gar nicht gut, während es meine Mutter schließlich akzeptiert hat. 2023 wurde ich vergiftet, aber ich überlebte den Anschlag. Zwei Wochen lang lag ich im Krankenhaus. Meine Mutter setzte daraufhin alles in Bewegung, damit ich in ein sicheres Land ausreisen konnte. Sie schrieb damals auch England und Kanada an. In Uganda sind Verfolgungen von Christen leider keine Seltenheit und vom Islam zum Christentum zu konvertieren, ist in den Augen vieler Moslems erst recht schlimm. Ich bin sehr dankbar, dass ich nach Deutschland kommen konnte, ich bin gerne hier, auch wenn es manchmal nicht leicht ist, weil ich immer wieder großes Heimweh habe. Momentan bereite ich mich auf meine Prüfung in B1 vor und hoffe, im September einen Kurs als Informatiker in einer Schule in München beginnen zu können. In Uganda war ich für die Telekommunikationsfirma Africel tätig und während eines zweijährigen Aufenthalts in Dubai von 2020 bis 2022 habe ich auch für ein Unternehmen dieser Branche gearbeitet.

Wie hast du Daniela kennengelernt?

Im September 2024 begann ich mit meinem Deutschkurs und fuhr jeden Tag mit dem Zug nach München. Ich war noch sehr neu in diesem Land und begrüßte fast jeden Menschen, dem ich begegnete, mit einem freundlichen „Hallo”. Es gab aber auch schon einige nicht so schöne Erlebnisse. Ich erinnere mich gut an den Tag, als ich mich in einem recht vollen Zug hinsetzen wollte und eine Dame höflich fragte, ob ich mich auf den freien Platz neben sie setzen könne. Sie antwortete mit einem kurzen „Nein” und legte ihre Taschen auf den Sitz. Ich dachte mir, sie wird ihre Gründe haben, aber ein Mann, der das Ganze aufmerksam verfolgt hatte, rief den Zugbegleiter. Sie sprachen mit der Frau und baten sie, den Sitz freizumachen, damit ich mich hinsetzen konnte. Zu meiner Überraschung stand die Frau auf und zog es vor, den Rest der Reise im Gang zu stehen. Auch als ich einmal zum Einkaufen ging, drehte mir eine ältere Dame den Rücken zu. Ich grüßte sie trotzdem, aber sie sagte ‚Scheißer‘ zu mir und deutete mir mit abweisenden Gesten wegzugehen. Nach diesen Ereignissen wurde ich zurückhaltender und grüßte auch keine fremden Menschen mehr. Es war ein regnerischer Tag im November, als ich Daniela kennenlernte. Ich war wieder in den Zug eingestiegen und versuchte mit einem Taschentuch ein paar Schmutzspuren auf meinem Anorak zu entfernen, die durch die Fahrt mit dem Fahrrad entstanden waren. Ich stand an der Tür im Gang und Daniela hatte mich beobachtet. Mit einem Lächeln bot sie mir ein Tuch aus einer Packung Hipp-Feuchttücher an (Unbezahlte Werbung wegen Namensnennung). Ich war überrascht über diese freundliche Geste und bedankte mich sehr. Tatsächlich gingen die Schmutzspuren weg. Als der Zug in München ankam und wir ausstiegen, bedankte ich mich nochmals bei ihr.

Bild: © Daniela Böhm, Privat


Drei Tage später stieg ich in den gleichen Zug ein, der am Freitag nicht ganz so voll war, wie sonst. Auf der Suche nach einem Platz erkannte ich Daniela wieder und sah, dass der Sitz neben ihr frei war. Es fühlte sich wie eine himmlische Fügung an. Wir begannen, uns über alles Mögliche zu unterhalten, und ich erzählte ihr ein wenig von mir. Als wir in München ankamen, tauschten wir unsere Telefonnummern aus, denn sie bot mir an, über WhatsApp in Kontakt zu bleiben. Zwei Wochen später telefonierten wir dann das erste Mal und sehr lange. Wir sprachen über mein Heimatland und sie erzählte mir von ihrem Vater und seiner Hilfsorganisation „Menschen für Menschen in Äthiopien. Daraufhin erzählte ich ihr natürlich von „Village of Hope”, unserem Waisenhaus, und schickte ihr später den Link, damit sie sich unsere Website ansehen konnte. Als wir uns einige Zeit später auf einen Kaffee in München trafen, fragte mich Daniela viel über unser Projekt und wie sich das Waisenhaus finanzieren würde. Ich antwortete ihr, dass anders als hier, solche Projekte meist privat unterstützt würden und Fundraising-Kampagnen nicht einfach ohne Weiteres zugänglich wären. Sie war von all dem sehr berührt und bot mir an, hier in Deutschland eine Spendenaktion zu starten. Je besser ich Daniela im Laufe der Zeit in ihrer warmherzigen und mütterlichen Art kennenlernte, desto mehr wurde sie für mich zu einer guten Freundin. Mittlerweile nenne ich sie jedoch ‚Mom‘, denn sie ist ein bisschen meine ‚German Mom‘ geworden.

Wie ist die Idee entstanden, ein Waisenhaus in deinem Heimatland zu gründen?

Meine Freunde Sam, Fahad und ich haben schon in unserer Kindheit und Jugend mitbekommen, wie schwer es verlassene Kinder und Waisenkinder haben, und wie traurig das ist. Wir waren privilegiert, uns hat es an nichts gefehlt, und wir fragten immer unsere Eltern, den Kindern zu helfen, hauptsächlich mit Essen. Als wir erwachsen wurden, haben wir begonnen zu arbeiten, und ich verdiente als Telekominformatiker gutes Geld. Mein Freund Fahad schlug vor, ein Waisenhaus zu gründen, das jeder von uns mit einem Geldbetrag unterstützen sollte, damit es die Kinder gut haben. Zum Glück konnte ich meine Mutter von unserem Projekt überzeugen und auch die Familien von Sam und Fahad haben das Waisenhaus eine ganze Zeitlang unterstützt. Momentan sind es vor allem Sam, Fahad und meine Mutter, die für die Kinder sorgen. Wir hatten eigentlich nie daran gedacht, an die Öffentlichkeit zu gehen, um Spenden zu sammeln, aber mittlerweile ist es wichtig geworden, auch deshalb, weil ich nicht mehr vor Ort sein kann und momentan noch nichts verdiene.

Wir glauben, dass es jedes Kind verdient hat, beschützt heranzuwachsen, gefördert zu werden und seinen Träumen zu folgen, ganz gleich, wo seine Wurzeln liegen. (…) Die Kinder im „Village of Hope” sind meine Inspiration. Jeden Tag lehren sie mich die Kraft der Liebe, der Hoffnung und der Widerstandsfähigkeit. Wir möchten ihnen ein Zuhause schenken, in dem sie aufblühen können – das ist unsere Mission.”

Was ist deine Mission und deine Vision? Kannst du das unseren Leserinnen und Lesern schildern?

Als einer der Gründer von „Village of Hope” bin ich tief mit der Mission verbunden, die unsere Arbeit antreibt. Wir helfen Waisenkindern zwischen vier und sechzehn Jahren – für die noch Kleineren gibt es eine andere private Einrichtung in unserer Hauptstadt Kempala. Wir glauben, dass es jedes Kind verdient hat, beschützt heranzuwachsen, gefördert zu werden und seinen Träumen zu folgen, ganz gleich, wo seine Wurzeln liegen. Unser Ziel ist es, ein behütetes Ambiente für die Kinder zu gestalten. Wir setzen uns für gesundheitliche Versorgung sowie für Bildung ein, damit sie etwas lernen, das ihren Fähigkeiten entspricht, um ein eigenes Leben aufzubauen. Wir versuchen auch, ihnen später Ausbildungsmöglichkeiten zu vermitteln, die ihren Fähigkeiten entsprechen. Die Kinder im „Village of Hope” sind meine Inspiration. Jeden Tag lehren sie mich die Kraft der Liebe, der Hoffnung und der Widerstandsfähigkeit. Wir möchten ihnen ein Zuhause schenken, in dem sie aufblühen können – das ist unsere Mission. Aber sie geben uns so viel mehr. Sie erinnern mich auch immer daran, warum wir uns auf diese Reise gemacht haben. Zusammen, mit der Unterstützung einer wachsenden Gemeinschaft, gestalten wir für sie eine Zukunft, in der sie ihre Möglichkeiten realisieren und als Teil eines Paradigmenwechsels zu Anführern und Träumern werden können. Ich lade die Leserinnen und Leser herzlich ein, ein Teil der Geschichte dieser Kinder zu werden, zu dieser Veränderung beizutragen und zu entdecken, was eine in die Tat umgesetzte Hoffnung für wundervolle Auswirkungen hat.

Bild: © Village of Hope

Wie können andere Menschen ein Teil dieser Veränderung sein?

Daniela und ich haben eine Fundraising Kampagne auf der „Go Fund Me Plattform” gemacht. Dort haben wir ausführlich beschrieben, wie „Village of Hope” entstanden ist, was bereits erreicht wurde und was wir noch erreichen möchten.

In Uganda kostet der Schulbesuch für ein Kind im Jahr von 150–180 Euro. Hierfür brauchen wir finanzielle Unterstützung, aber auch für spezielle Therapien für diejenigen Kinder, die unter einem Trauma leiden.

Was braucht euer Projekt am meisten?

Wir können in jeder Hinsicht Unterstützung brauchen: ob es finanzielle Hilfe ist oder Sachspenden wie Schuhe, Kleidung und Schulmaterialien. Eine langjährige Freundin von Daniela aus Wien, deren Familie eine Firma hat, die Hilfsmittel für Menschen mit körperlicher Einschränkung herstellt, wird uns jetzt einen Rollstuhl spenden. In unserem Waisenhaus gibt es einen fünfzehnjährigen Jungen, der durch einen schweren Unfall querschnittsgelähmt ist. Peter kam mit zwölf Jahren zu uns, weil sich sein Vater, der alleinerziehend war, nicht ausreichend um ihn kümmern konnte. Er benötigt schon länger einen besseren Rollstuhl, aber das war eine Ausgabe, die wir uns nicht leisten konnten. Peter ist ein wunderbarer Junge, sehr intelligent und einer der Besten in der Schule. Auch die Schulgebühren machen uns zu schaffen. In Uganda kostet der Schulbesuch für ein Kind im Jahr von 150–180 Euro. Hierfür brauchen wir finanzielle Unterstützung, aber auch für spezielle Therapien für diejenigen Kinder, die unter einem Trauma leiden.

Du musstest dein Land verlassen, als sich deine Vision bereits realisiert hatte. Wie schaffst du es, das jetzt von hier aus zu organisieren?

Meine zwei Freunde, die das Waisenhaus mit mir gegründet haben, kümmern sich vor Ort, genauso wie meine Mutter. Im Waisenhaus selbst sind drei Betreuer, zwei Männer und eine Frau, die dort mit den Kindern leben. Auch meine Mutter betreut momentan fünf Kinder bei uns Zuhause. Es ist schwer für mich, dass ich mich aufgrund meiner persönlichen schwierigen Umstände nicht mehr wie vorher kümmern kann, und ich vermisse den persönlichen Kontakt zu den Kindern, sie fehlen mir sehr.

Bild: © Village of Hope

„Unsere Kinder sind lebhaft, voller Lebensfreude und haben viel individuelles Potential trotz der Herausforderungen, mit denen sie in ihrem jungen Leben bereits konfrontiert waren. (…) Wenn man ihnen begegnet, merkt man ihnen die Entbehrungen und Schicksalsschläge erst einmal nicht an, sondern sieht nur ihr Lachen, ihre Neugier und ihre Träume. Sie lassen es nicht zu, dass die Vergangenheit ihr Leben bestimmt, sondern glauben an ihre zukünftigen Möglichkeiten, für die wir uns einsetzen. Jedes Kind bringt etwas Einzigartiges in unsere Gemeinschaft. (…) Bildung und Kreativität sind dabei die Grundpfeiler ihrer Entwicklung.”

Wie viele Kinder leben dort momentan? Kannst du ein bisschen mehr über sie erzählen?

Derzeit leben 79 Kinder im „Village of Hope” und, wie gerade erwähnt, fünf sind momentan im Haus meiner Mutter untergebracht. Die Kinder stehen im Mittelpunkt von allem was wir tun. Gerne erzähle ich etwas über sie und die Hoffnung, zu der sie uns inspirieren. Unsere Kinder sind lebhaft, voller Lebensfreude und haben viel individuelles Potential trotz der Herausforderungen, mit denen sie in ihrem jungen Leben bereits konfrontiert waren. Viele unter ihnen haben einen schweren Verlust erlitten, sind wegen Armut, Krankheit und anderer Not zu Waisenkinder geworden. Einige tragen an der Last physischer oder emotionalen Beeinträchtigungen, während andere nur einen mangelhaften Zugang zur Gesundheitsversorgung oder Schulbildung hatten. Doch wenn man ihnen begegnet, merkt man ihnen die Entbehrungen und Schicksalsschläge erst einmal nicht an, sondern sieht nur ihr Lachen, ihre Neugier und ihre Träume.

Sie lassen es nicht zu, dass die Vergangenheit ihr Leben bestimmt, sondern glauben an ihre zukünftigen Möglichkeiten, für die wir uns einsetzen. Jedes Kind bringt etwas Einzigartiges in unsere Gemeinschaft. Da ist zum Beispiel Sarah, die es liebt zu zeichnen und unsere Wände mit Bildern bemalt, die freudige Geschichten erzählen. Oder der kleine Joseph, dessen ansteckendes Kichern jedermanns Stimmung selbst an schwierigen Tagen hebt. Und da gibt es Aisha, die trotz ihrer stillen Art immer die Erste ist, einem Freund oder einer Freundin zu helfen. All diese Kinder sind nicht einfach nur Hilfsempfänger sondern beteiligen sich aktiv am Aufbau eines unterstützenden familienähnlichen Umfelds, in dem sie heilen und wachsen können. Bildung und Kreativität sind die Grundpfeiler ihrer Entwicklung. Wir möchten ihnen gerne maßgeschneiderte Lernmöglichkeiten bieten, die sie unterstützen – ob es der Besuch einer Schule ist oder Fähigkeiten, die durch unsere Handwerk- und Kunstkurse gestärkt werden. Sie zu beobachten, wenn sie ihre Talente entdecken – ob es das Flechten eines Korbes ist oder eine Mathematikaufgabe lösen – ist eine Erinnerung an ihr unbegrenztes Potential.

Wenn Menschen jetzt diesen Artikel lesen und helfen wollen, was können sie tun?

Wir freuen uns über jede Aufmerksamkeit oder jedes Like auf unseren Social Media Seiten wie Facebook, X, Instagram, YouTube, über WhatsApp und über eine Unterstützung unserer „Go Fund Me Seite”.

Was ist dir sonst noch wichtig?

Ich möchte meine Kompetenzen als Programmierer weiter entwickeln und verbessern und eine gute Arbeit finden, um aus der Ferne die Kinder in meinem Herzensprojekt „Village of Hope” auch wieder finanziell unterstützen zu können.

Ein Auszug aus dem Gespräch mit Abdul und Daniela auf Englisch gibt es HIER:

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Mehr Informationen

Abdul sagt: „Wir glauben, dass es jedes Kind verdient hat, beschützt heranzuwachsen, gefördert zu werden und seinen Träumen zu folgen, ganz gleich, wo seine Wurzeln liegen. Unser Ziel ist es, ein behütetes Ambiente für die Kinder zu gestalten. Wir setzen uns für gesundheitliche Versorgung sowie für Bildung ein, damit sie etwas lernen, das ihren Fähigkeiten entspricht, um ein eigenes Leben aufzubauen!” Er möchte von Deutschland aus auf seine Geschichte aufmerksam machen und „Village of Hope” unterstützen. Bei seiner Geschichte und wie er Daniela kennenlernte, geht es beiden auch darum, Herzen zu öffnen und Menschen wieder mehr zu verbinden: Nicht gegen- sondern MITeinander.

Mehr dazu hier: www.villagehopes.org

Sowie auf der „Go Fund Me — Seite”

Bild: © Daniela Böhm, Privat

Wir danken Daniela Böhm sehr für die Initiative und Unterstützung im Rahmen dieses Beitrags. Das Interview mit ihr, u.a. zu ihren Tierschutzprojekten, gibt es nochmal HIER.


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