Die erfahrene Skipperin und Segelsportjournalistin, Mareike Guhr, ist seit über 30 Jahren auf den Weltmeeren unterwegs. Die gebürtige Hamburgerin hat schon viele Crews auf Törns und Regatten geführt, segelte bereits einmal um die Welt und wurde für diese Reise auch ausgezeichnet. Sie möchte Menschen für das Segeln begeistern, von daher sind sowohl Anfänger als auch erfahrene Segler bei ihr an Bord herzlich willkommen. Sie sagt, dass es vor allem die Neugier war, die sie gepackt hat, und es ihrer Meinung nach auch keinen besseren Zeitpunkt als jetzt gibt, um die Welt zu erkunden. Aber dabei auch neue Völker und Kulturen kennenzulernen und diese mit ihrem Schiff als Transportmittel zu unterstützen, liegt ihr sehr am Herzen. Besonders Kinder unterstützt sie durch ihre Hilfsprojekte, wie beispielsweise durch das Haiti-Projekt.
Du bist schon sehr viel rumgekommen in der Welt. Deine Leidenschaft für das Segeln wurde dir quasi in die Wiege gelegt. Was war bisher besonders beeindruckend für dich auf deinen Törns und was ist dir vor allem im Gedächtnis geblieben? Welche Botschaft hast du durch deine Projekte für die Welt und welche Erkenntnisse dadurch auch gewonnen?
Es gibt so viel, was ich schon erleben durfte, da ist es schwer, sich in einer Antwort zu beschränken, aber es ist vor allem die Natur, die mich immer und immer wieder beeindruckt. Ob es die unfassbar leuchtenden Farben eines tropischen Regenbogens sind, die düsteren Wolken eines heranziehenden Tiefs, die Glut eines Sonnenuntergangs, springende Delphine oder das kristallklare, türkis leuchtende Wasser eines Atolls. Unser Planet ist wunderbar! Es sind die Ankünfte an besonderen Orten und nach langen Überfahrten, die wie ein Geschenk im Gedächtnis bleiben. Und die immer wiederkehrende Erkenntnis, dass wir auf die Natur Rücksicht nehmen müssen, statt sie auszubeuten — sonst sägen wir an dem Ast, auf dem wir sitzen, und zerstören diese Naturwunder! Zudem zeigt einem die Reise durch viele, deutlich weniger, entwickelte Länder unterwegs ständig, wie gut es uns geht in unserer westlichen Zivilisation. Das erzeugt eine große Dankbarkeit, ausgerechnet in diese Gesellschaft geboren worden zu sein, und sofort entsteht der Wunsch, denen zu helfen, die nicht so viel Glück hatten.
Bild: © MagSail, Mareike Guhr
„Und wer einmal dort war und gesehen hat, unter welchen Bedingungen die Menschen ums Überleben kämpfen, kann sich nicht zurücklehnen und das Leben genießen, ohne etwas tun zu wollen.”
Besonders beeindruckend finde ich im Rahmen deiner Tätigkeiten auch dein Engagement für Menschen, vor allem Kinder, die nicht so privilegiert sind. Du versorgst sie über dein Schiff als Transportmittel mit Hilfsgütern und vielem mehr. Dabei unterstützt du vor allem das Projekt Island Child Care. Magst du uns bitte ein bisschen etwas darüber erzählen?
Ich habe meine erste große Reise vor zehn Jahren gestartet und den Vertrag zu dem damals geliehenen Schiff im Januar 2010 unterschrieben. Genau zu dem Zeitpunkt zerstörte das schwere Erdbeben Haiti und die schon lange gebeutelte Nation wurde in schreckliches Elend gestürzt. Mir war sofort klar, dass ich auf meinem Weg nach Panama dort nicht einfach vorbeisegeln konnte, ohne etwas zu tun, denn es war auch klar, dass ein Jahr später keine Medien mehr berichten und keine großen Spendengelder mehr eintreffen würden. Also habe ich Spenden gesammelt und 2011 in der Dominikanischen Republik damit eingekauft, vor allem Lebensmittel, und alles nach Haiti gesegelt. Das habe ich 2013 auf der nächsten Reise wiederholt. Und wer einmal dort war und gesehen hat, unter welchen Bedingungen die Menschen ums Überleben kämpfen, kann sich nicht zurücklehnen und das Leben genießen, ohne etwas tun zu wollen. Daher habe ich jetzt ein eigenes Schiff gekauft, das ich natürlich noch abbezahlen muss, aber damit bin ich freier darin, solche Hilfsaktionen auszubauen. Den Verein Island Child Care haben wir daher gegründet, um dem Projekt noch mehr Fundament und weitere Hilfen zu ermöglichen. Hier wird ständig Unterstützung gebraucht.
„Ich schätze, da bin ich einfach ein Kind unserer Leistungsgesellschaft. Und ich kann verraten: ich liege selten in der Sonne oder wandere über grüne Inseln. Wenn ich mir eine solche Auszeit nehme, dann sehr bewusst und tanke dadurch viel Kraft.”
Welche Gedanken hast du am Ende des Tages, wenn du so alleine für dich bist – mit all den gemachten Eindrücken? Magst du uns daran mal teilhaben lassen?
Ehrlicherweise ist es oft nicht ganz so einfach loszulassen und die nicht enden wollenden To-Do-Listen mal aus dem Kopf zu kriegen. Dieses Projekt kostet mehr Kraft und Zeit, als eine Person leisten kann, und so muss ich oft daran arbeiten zufrieden zu sein, mit dem was ich tagsüber geschafft habe, statt darüber nachzudenken, was alles noch nicht vollbracht ist. Ich schätze, da bin ich einfach ein Kind unserer Leistungsgesellschaft. Und ich kann verraten: ich liege selten in der Sonne oder wandere über grüne Inseln. Wenn ich mir eine solche Auszeit nehme, dann sehr bewusst und tanke dadurch viel Kraft. Dennoch ist es meist die bereits oben erwähnte Dankbarkeit, das tun zu dürfen, was ich hier mache: auf dem Wasser leben, Menschen an das Segeln heranzuführen und ihre Freude zu spüren und hoffentlich bald auch wieder Waisenhäuser zu unterstützen.
Bild: © MagSail, Mareike Guhr
„Das Bedürfnis, auf dem Weg dorthin Kindern zu helfen, entstand durch das Erdbeben in Haiti und die anschließenden Erlebnisse. (…) Natürlich überkommt mich dabei auch manchmal ein Gefühl der Ohnmacht und die Erkenntnis, dass es nur sehr kleine Schritte sind, die wir schaffen, und so viel mehr Hilfe und Gerechtigkeit notwendig wäre, um diese Welt etwas gerade zu rücken.”
Wie ist deine Herzensmotivation für all das entstanden, was du heute tust?
Der Ursprung meines Antriebs liegt in der Südsee. Ich war 1999 einmal dort und habe einen Chartertörn von Tahiti nach Bora Bora und zu den naheliegenden Inseln geskippert. Das hat mich ungeheuer beeindruckt und damals entstand der Wunsch, eines Tages auch die entfernteren, einsameren Inseln zu erkunden. Vierzehn Jahre später habe ich es umgesetzt und bin hingesegelt. Das Bedürfnis, auf dem Weg dorthin Kindern zu helfen, entstand durch das Erdbeben in Haiti und die anschließenden Erlebnisse. Mein Vater hat in den 80ern bereits ein Entwicklungshilfeprojekt auf den Seychellen aufgebaut, auch weil er das Bedürfnis hatte, von unserem Überfluss etwas weitergeben zu wollen. So bin ich früh in Entwicklungsländer gereist und habe dort teilweise auch gelebt. Ich merke oft, dass wir erst dadurch, dass wir hautnah erleben, wie es tatsächlich vor Ort zugeht, begreifen können, wie gut es uns geht und wie wichtig unsere Hilfe ist. Natürlich überkommt mich dabei auch manchmal ein Gefühl der Ohnmacht und die Erkenntnis, dass es nur sehr kleine Schritte sind, die wir schaffen, und so viel mehr Hilfe und Gerechtigkeit notwendig wäre, um diese Welt etwas gerade zu rücken. Aber alles ist besser als nichts zu tun.
Was hat es mit der Hamburger Stiftung H.I.T. auf sich, die sich neben der Verbesserung der Sehfähigkeit von Kindern in unterentwickelten Ländern auch die Verbreitung eines humanistischen, liberal-demokratischen, zukunfts- und friedensorientierten Wertebewusstseins zur Aufgabe gesetzt hat? Und inwiefern ist sie ein Kooperationspartner von dir? Wie und mit wem arbeitest du noch zusammen?
Die HIT Stiftung hat ein ganz tolles Projekt ins Leben gerufen und einen Koffer entwickelt, mit dem auch Laien Kinderaugen dort untersuchen zu können, wo es keine Augenärzte oder Optiker gibt. Die Ergebnisse werden dann nach Hamburg geschickt und dort Brillen für sehschwache Kinder erstellt, die dann wiederum zu diesen Kindern transportiert werden müssen. Und da Segler oft entfernte, abgelegene Orte und Inseln ansteuern, sind sie die idealen Transporteure. Der Gedanke ist der gleiche wie bei meinem Project Island Child Care und so habe ich, bevor der Verein gegründet werden konnte, mit der HIT Stiftung Spenden gesammelt, um gemeinsame Projekte zu ermöglichen. Peter Kaupke, als Gründer der HIT Stiftung, hat zudem einige sehr bemerkenswerte Ideen zum Erhalt unseres Wertebewusstseins, vor allem für junge Menschen, entwickelt und so arbeiten wir an derselben Idee.
Bild: © MagSail, Mareike Guhr
Wie kann man dich erreichen und mit dir in Kontakt treten? Wo werden die nächsten Törns starten? Wie kann man bei dir mitsegeln?
Den Törnplan gibt es auf meiner Website und ich freue mich über alle, die das Segeln für sich entdecken oder ausbauen möchten. Auf meinem Katamaran „Moana“ finden sechs Gäste Platz und die Karibik bietet als sonniges Segelrevier beste Bedingungen. Und nur wenn genügend Mitsegler zu mir finden, werde ich es schaffen, dieses Projekt zu finanzieren und das Schiff auch für Hilfstörns nutzen zu können. Ich befinde mich meist außerhalb der telefonischen Erreichbarkeit, aber heutzutage verbindet uns das Internet fast überall und das ist großartig. Dennoch habe ich wunderbare Helfer in Deutschland, die jederzeit angemorst werden können, sowohl für alle Fragen rund ums Mitsegeln, www.magsail.de, als auch, um den Verein zu unterstützen, www.islandchildcare.de.
Du hast außerdem ein Buch geschrieben. Auf welche Reise nimmst du deine Leserinnen und Leser darin mit? Worum geht es in dem Buch?
„Blau Türkis Grün“ beinhaltet die Erlebnisse meiner ersten Weltumsegelung von 2012 — 2016 und gibt vor allem den Bildern Platz, die ich unterwegs gemacht habe. Ein Buch, das Fernweh weckt und mein Leben abseits der üblichen Reiserouten zeigt. Ich habe in einzelnen kleinen Geschichten die spannendsten Abenteuer in Wort und Bild gefasst. Wer noch mehr erleben will, sollte an Bord kommen und mich ein Stück begleiten!
„Mareike Guhr ist Journalistin, Törnberaterin und Seglerin seit Kindertagen. Ihre Projekte: mit dem Kat unterwegs zu den schönsten Revieren der Welt, dem tiefsten Blau und dem leuchtendsten Türkis auf der Spur. Dabei will sie wieder Gäste an Bord mitnehmen, aber vor allem auch benachteiligten Kindern in entlegenen Gebieten helfen. Dauer? Ungewiss. So lange die Energie reicht, die Mitsegler fröhlich sind und der Wind sie begleitet…”
Hier geht es zum Buch.
Bild: © Cover: Delius Klasing Verlag
Mehr unter www.magsail.de & www.islandchildcare.de.
Hinweis: Mareike Guhr macht sich neben ihrem eigenen Verein Island Child Care für eine bessere Zukunft von Kindern weltweit auch stark für die H.I.T Stiftung, die im Jahr 2014 ins Leben gerufen wurde und das Entwickeln, Sehen und Wahrnehmen eines zukunfts- und friedensorientierten Wertebewusstseins bei jungen Menschen fördert und unterstützt. Am 10. Oktober wird der “Welttag des Sehens (World Sight Day)” gefeiert. Hier soll vor allem aufgeklärt und die Bedeutsamkeit eines gesunden Sehvermögens in den Fokus gestellt werden. |
Das gesamte Interview ist in einer vorherigen Ausgaben des Magazins Pure & Positive erschienen.