Gemeinsam für eine bessere Welt

Lernen selbst muss ins Zentrum der Bildung!

Christin Prizelius | 18.09.24 | Interview mit Lehrer, Blogger und Podcaster Bob Blume | © Bob Blume Privat

Bob Blume ist Jahrgang 1982, wohnt mit seiner Familie in Baden-Württemberg und ist dort hauptberuflich Gymnasiallehrer für die Fächer Deutsch, Englisch und Geschichte, arbeitet aber außerdem auch als Autor, Referent und Keynote-Speaker im Bereich Digitalisierung, Referendariat und Unterrichtsentwicklung. Als Netzlehrer wurde er als “Blogger des Jahres” ausgezeichnet. Wir durften mit ihm über die Herausforderungen in Schule und Bildung sprechen sowie darüber, wie man Veränderungen positiv angehen kann.

Wie schauen Sie auf unser Schulsystem und was muss sich in Zukunft ändern? Wie können wir uns für die Herausforderungen der Zukunft wappnen?

Wie man weiß, schaue ich sehr kritisch auf das deutsche Schulsystem, denn aus meiner Sicht gibt es im Grunde genommen keine Dimension, die sich nicht ändern sollte. Das fängt an bei den Noten, den Prüfungen, bei der Lehrkräfteausbildung und vielem mehr. Auf der anderen Seite denke ich schon, dass man auf allen Ebenen auch etwas tun könnte. Wenn die Frage jetzt ist, wie wir uns für die Herausforderungen der Zukunft wappnen können, ist das Erste, dass wir das Lernen selbst ins Zentrum der Bildung bringen müssen. Das ist im Grunde genommen auch das Hauptargument meines neuen Buches “Warum noch lernen?”, denn es geht darum, dass Schulen eigentlich seit vielen, vielen Jahren dafür da waren, dass dort gelehrt wird. Das heißt, vorne steht jemand und erklärt, wie die Welt funktioniert, und die Schülerinnen und Schüler haben zuzuhören und das im besten Fall zu memorieren und wieder auszuschütten, wenn es zur Prüfung kommt. Mittlerweile leben wir aber in einer Welt, in der die Informationen schon da sind. Die Lehrkraft ist nicht mehr das einzige Medium im Raum, sondern es geht viel mehr darum, dass es sehr viele verschiedene Medien gibt. Dabei stellt sich dann ja die Frage, warum man an diesen Ort, in diese Schule gehen sollte, um die Informationen zu erhalten?!

„Mit Mut ausgestattet, etwas anders zu machen, kann man jetzt schon viel tun.”

Und meine Antwort ist: sollte man nicht, wenn es weiter so läuft! Es ergibt nämlich nur dann Sinn, wenn da jemand ist, der einen beim eigentlichen Lernprozess begleitet. Wenn man von diesem Kern aus überlegt, wie Schulen aussehen könnten, strahlt das auf ganz unterschiedliche Dinge aus. Ein Beispiel ist dafür die Rolle des Lehrers oder der Lehrerin, die dann viel mehr zum Lernbegleiter bzw. zu Mentoren werden, Prozesse steuern und die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzen, diesen Lernprozess auch als das wahrzunehmen, was es ist: eine sehr sinnstiftende Sache! Dadurch müsste sich allerdings auch die Lehrerausbildung ändern und die Frage danach, was Schulen wie zu leisten haben. Es ist ganz klar, dass wir das natürlich auch mit finanzieller Unterstützung machen müssten, um gut ausgestattet zu sein. Dieses Theater rund um die Finanzierung z.B. von digitalen Endgeräten ist lächerlich. Auf der anderen Seite können wir aber auch nicht warten. Mit Mut ausgestattet, etwas anders zu machen, kann man jetzt schon viel tun.

„Deutschland hat nur Bildung, wir haben nichts anderes!”

Als Netzlehrer, Bildungsinfluencer, Bestseller Autor und Blogger des Jahres 2022 sind Sie mit DER Experte in der deutschen Medienlandschaft zum Thema Schule. Welche Botschaft(en) möchten Sie durch Ihre Arbeit vor allem übermitteln?

Ich habe unterschiedliche Botschaften, die ich übermitteln möchte. Eine klare Hauptbotschaft in Richtung Verwaltung und Politik ist: SO GEHT ES NICHT WEITER! Deutschland hat nur Bildung, wir haben nichts anderes. Wir haben schließlich kein Gold, Öl oder sonstige Ressourcen. Wir haben nur die Köpfe unserer Kinder, die irgendwann die Köpfe derjenigen sind, die die Demokratie tragen und finanzielles Einkommen generieren sollen. Weil wir eben nur das haben, dürfen wir uns nicht damit zufrieden geben. Die eine Botschaft, die wir haben, ist nur Bildung und um die müssen wir uns kümmern. Eine andere Botschaft ist auch, dass man auch im Kleinen schon etwas ändern kann. Es geht nicht immer darum, auf die “große Politik” zu warten, sondern selber etwas zu tun. Indem was ich tue, indem ich schreibe, indem ich Podcasts mache mit Menschen, die Bildung auch schon anders denken, erwarte oder erhoffe ich mir, die anderen wiederum ein bisschen zu schubsen. Schubsen hin zu einer Perspektive, hin zu verschiedenen innovativen Möglichkeiten und hin zu Bildung auch anders zu denken. Ja, wir können das auch hinkriegen, ohne dass wir darauf warten, dass in der großen Politik mal irgendwas passiert. Es ist sehr frustrierend, das eher nicht erwarten zu können.

„Egal, wie man Bildung denkt, man gute Leute haben, die das auch umsetzen.”

Wie sind die Schulen in anderen Ländern im Vergleich zu Deutschland aufgestellt? Was dürften wir uns da abschauen und wo ist Ihrer Meinung nach absolut dringender Handlungsbedarf? Warum ist bisher auch so wenig passiert?

Es gibt im Vergleich zu anderen Ländern eine positive und eine negative Antwort. Die positive Antwort ist, dass wir eigentlich noch so aufgestellt sind, dass wir sehr gute Bildung leisten könnten. Es gibt ja schließlich nicht nur schlechte Resultate in den verschiedenen Bereichen. Auf der anderen Seite sind wir aber auch nicht so gut, wie wir sein könnten und als Exportnation auch müssten. Die letzte PISA-Studie ist da ein guter Vergleich, denn wir waren allenfalls Durchschnitt, auch was die Gymnasien angeht. Außerdem hat PISA auch gezeigt, dass Deutschland besonders ungerecht ist und dass eben große Defizite herrschen. Wir haben 25 % der Kinder, die nicht richtig lesen und schreiben können, bevor sie in die weiterführende Schule gehen. Das ist eine absolute Katastrophe! Gleichzeitig haben wir auch einen Investitionsstau von 57 oder 58 Milliarden Euro. Und das ist natürlich horrend! Der Handlungsbedarf bezieht sich auf die monetäre Unterstützung von Bildung grundsätzlich, aber vor allen Dingen auf die frühkindliche Bildung. Dort muss ganz viel gemacht werden, gerade im Bereich der Sprache und der basalen Grundkompetenzen, aber auch in der Ressourcenorientierung, bei den Gebäuden und so weiter. Eines der drängendsten Punkte ist aber bekanntlich das Personal. Egal, wie man Bildung denkt, man gute Leute haben, die das auch umsetzen.

Bild: © Benji Friant

Gerade ist Ihr neues Buch erschienen: “Warum noch lernen?“. Bitte nehmen Sie uns hier ein bisschen mit. Sie sagen: „Die deutschen Schulen sind marode und nicht nur die Gebäude sind sanierungsbedürftig. Das ganze Bildungssystem müsste umgebaut werden.” Wie muss denn eine Schule in Zeiten von KI, Krisen und sozialer Ungerechtigkeit Ihrer Meinung nach aussehen? 

Ein wichtiger Ansatz in der Schule ist, dass das Lernen vor allen Dingen gelingt, wenn Lehrkräfte den Inhalt den Schülerinnen und Schülern sichtbar machen. Das ist wiederum dann der Fall, wenn sie bestimmte Techniken an die Hand bekommen, wie zum Beispiel das qualitativ hochwertige und gegenseitige Schülerfeedback im Dialog. Das muss zwar erst erlernt werden, ist aber dann klar und wenn du in der Lage bist, etwas, was du verstanden hast, jemand anderem zu erklären und der dir wiederum authentisch sagen kann, was daran gut oder nicht gut war, kannst du dich dadurch unheimlich verbessern. Das ist auch der Grund, warum dieses gemeinsame, soziale Lernen so wichtig ist. Übrigens würde das auch mit KI gehen, weil KI adaptiv ist, was heißt, dass man sich auf das Level des Lerners jeweils angleichen kann. Was Eltern unterstützend machen können, ist den Prozess selbst auch in den Blick zu nehmen, und nicht nur das Talent oder eine Note zu sehen.

„Innerhalb des Kultusministeriums hat man aber oftmals das Gefühl, dass diejenigen, die da Entscheidungen treffen, nicht immer die eigentliche schulische Realität erleben.”


Im sogenannten Growth Mindset von Carol Dweck hat man nachweisen können, dass, wenn man sozusagen eine sture Haltung zum Lernen hat, es zwar sein kann, dass jemand einen für das Talent lobt, aber Kinder dann denken: wenn ich etwas gut kann, bin ich talentiert, und wenn ich es nicht gut kann, bin ich eben nicht talentiert. Hier auf den Prozess und die Anstrengung zu gehen, ist besser. Den Kindern zu sagen, dass sie etwas vielleicht noch nicht können. Das ist in meinen Augen etwas, wo Eltern auch hinzulernen können und nicht zuletzt braucht Verwaltung und Kultusbürokratie dann auch einen Rückkanal, was ich als Bildungsinfluencer ja quasi habe. Innerhalb des Kultusministeriums hat man aber oftmals das Gefühl, dass diejenigen, die da Entscheidungen treffen, nicht immer die eigentliche schulische Realität erleben.

„Wenn das Lernen in den Mittelpunkt der schulischen Bildung kommt, kann Schule leisten, es gerechter werden zu lassen.”

Ihr Buch richtet sich dabei an Eltern, Schülerinnen und Schüler und natürlich an Lehrende und soll eine Antwort darauf geben, wie wir im 21. Jahrhundert lernen. Darin geben Sie ganz konkrete Strategien an die Hand, wie es besser gehen kann. Zuhause, im Unterricht, aber auch im Bildungssystem selbst. Bitte nennen Sie uns mal ein paar Ansätze…

Zu Beginn hatte ich schon erwähnt, was ich meine, was Schulen in Zeiten von KI-Krise und Bildungsungerechtigkeit eigentlich zu leisten hätte, drehe das aber nochmal ein bisschen um. Wenn man weiß, dass Lernen für einen gut ist, guckt man vielleicht eher ein Video, kann einen Podcast machen, schaut man sich eher die Kommentare durch oder die weiterführenden Links zu einem Blog, der wiederum ein Buch empfiehlt. Man sieht, es ist eine vernetzte Gesellschaft, eine Kultur der Digitalität, die dann dazu führt, dass man das Lernen auch vertiefen kann. Diese Diskrepanz zwischen eigenem individuellen Lernen und schulischem Lernen führt dazu, dass diejenigen, die es sowieso schon können, einigermaßen durchkommen. Deshalb ist der Aufschrei auch noch nicht ganz so groß, weil wenn man Akademiker-Eltern oder KI hat, man eben das System hackt, in dem der Prozess dann nicht wichtig ist, sondern man das Produkt einfach abgibt. Und wenn du das eben nicht hast, und ganz wichtig, wenn du auch gar nicht die Auffassung hast, dass Lernen für dich sinnvoll ist, dann kannst du das eben nicht tun.

„Lernen ist eine Tätigkeit, Lernen ist nicht passives Sitzen, sondern ein Machen mit den Dingen!”



Insofern gehen die Dinge aus meiner Sicht zusammen, denn wenn das Lernen in den Mittelpunkt der schulischen Bildung kommt, also der eigentliche Prozess der Aufbereitung, der Recherche, der Umsetzung, der Aneignung, der Tätigkeit, kann Schule leisten, es gerechter werden zu lassen. Das heißt nicht, dass man immer die absolute Gerechtigkeit leisten kann, aber es heißt, dass man sich annähern kann, weil dann das eigentliche Lernen nicht zu Hause stattfindet, sondern in der Schule. Lernen ist eine Tätigkeit, Lernen ist nicht passives Sitzen, sondern ein Machen mit den Dingen!

Bild: © Thomas Clemens

Warum fasst die Politik das Thema Ihrer Meinung nach nicht an (Corona hat ja mehr als deutlich viele Schwachstellen aufgezeigt)? Warum gab es bisher noch keine Bildungsdebatte in Deutschland, die wirklich mal alles auf den Prüfstand stellt? Warum schaut man weg und läuft somit Gefahr, dass noch mehr Länder an uns “vorbeiziehen”?

Die Politik fasst die Bildungsarbeit meiner Meinung nach aus verschiedenen Gründen nicht an. Ich glaube, was man sagen kann ist, dass man mit Bildung oft nur verlieren kann. Sie ist erstmal föderal, was heißt, dass sie von den Ländern bestimmt wird. Und eben weil sie von den Ländern bestimmt wird, will sich keiner im Hinblick auf seine Wiederwahl zu weit aus dem Fenster trauen. Corona hat gezeigt, dass sich Dinge sehr schnell ändern können, wenn es eine Alternativlosigkeit gibt, aber die gibt es eben nicht wirklich. Warum es die Bildungsdebatte nicht so wirklich gibt, ist eine sehr gute Frage. Mir haben allerdings auch schon Leute widersprochen, die gesagt haben, dass es sehr wohl eine Bildungsdebatte gibt. Ich würde aber sagen, die findet lediglich in einer Blase statt.

„An der Bildung hängt auch der Generationenvertrag!”


Ich sehe auch nicht, dass das die wirklich großen deutschen Zeitungen mal in einem Streit von Expertinnen und Experten ausführen, sondern es viel mehr im Feuilleton in einer kleinen Kolumne verschwindet. Ich nehme an, das ist auch der Tatsache geschuldet, dass es eben in der großen Politik lediglich eine marginale Rolle einnimmt. Warum das wiederum so ist, kann ich nicht verstehen, denn an Bildung hängt schließlich auch der Generationenvertrag. Wenn man nicht genügend Kinder und Jugendliche hat, die sehr gut gebildet sind, werden die auch nichts in die Beitragskassen zahlen und das wiederum gefährdet die Renten. Das ist einer der Gründe, warum ich darauf poche und versuche, diese Debatte immer wieder zu starten. Und zu der Frage, ob die Gefahr besteht, dass die Länder an uns vorbeiziehen, sage ich ganz klar: das ist schon so!

Wenn Sie in Ihren Schulalltag schauen und Ihre Schülerinnen und Schüler betrachten: Wie steht es um die Medienbildung und überhaupt Digitalisierung, KI, etc.? Bereiten unser Schulsystem und überhaupt die Inhalte, die vermittelt werden, überhaupt noch auf die Berufe der Zukunft vor?

Schulen und das Bildungssystem bereiten Kinder und Jugendliche teilweise schon auf Medienbildung vor, aber das Problem ist, dass das zu sehr vom Zufall abhängt. Das ist eher das Problem. Ich glaube, man kann immer Beispiele dafür finden, wo Medienarbeit schon ganz gut funktioniert, was auch gut ist, aber im Grunde genommen betrifft Medienbildung ja alle Fächer und Fachbereiche. Das sehe ich noch nicht! Ich sehe noch nicht, dass die Relevanz von einer umfassenden Form der Medienbildung wirklich erkannt wird, die dazu führt, dass Kinder und Jugendliche nicht nur mit Medien arbeiten können, sondern sie auch weglassen können, wenn es für sie nicht sinnvoll ist. Wenn klar ist, okay, ich weiß, KI könnte das übernehmen, sollte es aber nicht. Gleichzeitig aber eben natürlich auch für Formen der Vernetzung oder der Zusammenarbeit. Wir sind zwar besser geworden, weil wir durch Corona mussten, aber den großen Wurf sehe ich leider noch nicht.

„Das System ist nicht zwangsläufig darauf ausgelegt, dass diese Beziehungsarbeit, die fürs Lernen so wichtig ist, in den Vordergrund gestellt wird. Es ist natürlich absolut fatal, wenn Kinder und Jugendliche das so wahrnehmen.”

Eine Sozialstudie hat ergeben, dass ein Drittel der Jugendlichen in Deutschland sich von Lehrkräften nicht wirklich beachtet fühlt. Stimmen Sie dem zu? Wie nehmen Sie das wahr und wo kann man hier ansetzen? Wie kann man Schülerinnen und Schüler noch besser abholen und gemeinsam daran arbeiten? 

Ja, die Studie besagt, dass sich 1/3 der Schülerinnen und Schüler nicht beachtet fühlen. Da kann man gar nicht nicht zustimmen, sondern das ist erst einmal Fakt. Man kann jetzt natürlich über irgendwelche Zahlen sprechen, aber ich meine, das war repräsentativ und ist ein Alarmsignal. Ich würde so weit gehen und sagen, man braucht, so krass es auch klingt, für einige Schulformen nicht mal Menschen zu mögen, um eingestellt zu werden. Das System ist nicht zwangsläufig darauf ausgelegt, dass diese Beziehungsarbeit, die fürs Lernen so wichtig ist, in den Vordergrund gestellt wird. Es ist natürlich absolut fatal, wenn Kinder und Jugendliche das so wahrnehmen. Wir müssen sie viel mehr ernst nehmen und sagen: daran müssen wir etwas ändern! Das wiederum hat auch mit der Lehrerausbildung zu tun. Wir sprachen schon über Begleitung von Kindern und Jugendlichen, die Motivation, das Erschaffen von Lernlust im Sinne von Initiierung von Lernprozessen. Das sind alles Dinge, die ja die wichtigsten Punkte überhaupt sind, aber oft in der Lehrerausbildung überhaupt keine Rolle spielen. Deshalb müsste man da ansetzen und schon früh, sehr früh daran arbeiten.

Bild: © Benji Friant

„Es ist höchste Zeit, dass Schule demokratischer wird.”

Sie sagen: „Auch die Demokratie muss in der Schule gelehrt werden. Nicht an einem, sondern an jedem Tag. Es würde sich lohnen. Und es würde die Kinder und Jugendlichen vielleicht nicht auf den Krieg vorbereiten, aber vielleicht auf einen anhaltenden Frieden.” Wie kann das aus Lehrersicht gelingen und was braucht es dafür?

Bei der Demokratiebildung ist mir vor allem wichtig, dass es nicht ein Arbeitsblatt gibt und gesagt wird, jetzt lernen wir mal, wie der Bundestag funktioniert. Es nützt auch nichts, einfach nur zu sagen, dass Demokratie wichtig ist. Nicht der Wahlmechanismus an sich ist wichtig, sondern dass Demokratie im besten Fall Teilhabe und Selbstwirksamkeit erlaubt, also genau die Dinge, die an Schulen eben nicht zwangsläufig gegeben sind. Das fängt schon klein an, dass die Schülerinnen und Schüler durch ihre Fragestellungen mitdenken und mitarbeiten können. Es geht darum, dass es eine tatsächliche Partizipation gibt und dass man nicht die ganze Zeit das Gefühl hat, ohnmächtig und abhängig von Noten zu sein. Nach 10, 12 oder 13 Jahren kommt man dann aus der Schule raus und hat sich noch nie selbstwirksam gefühlt, weil das eben das Gegenteil von dem ist, was Demokratie ist. Wenn dann Leute kommen und sagen: „Komm, wir geben dir diese Selbstwirksamkeit zurück”, ist das eben gefährlich. Deshalb kann Demokratie-Bildung immer nur heißen, auch tatsächlich an demokratischen Prozessen teilzunehmen. Dafür ist wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen mit den Lehrerinnen und Lehrern zusammen Dinge diskutieren. In Karlsruhe macht das eine Schule mit dem sogenannten “Roten Salon” oder es gibt auch das aula-Projekt von Marina Weisband als ein innovatives Beteiligungskonzept, das Jugendlichen aktive Mitbestimmung im Alltag ermöglicht, sie so partizipieren und auf die Art und Weise Demokratie kennenlernen. Und es ist höchste Zeit, dass Schule demokratischer wird.

„Wir brauchen Hoffnung, aber gleichzeitig auch den Mut, Dinge zu verändern und loszulegen.”

Eine These bzw. Forderung von Ihnen ist außerdem: „Wir müssen weg von einer Schule, in der Schülerinnen und Schüler genötigt werden, passiv Inhalte zu konsumieren, die für ihr Leben überhaupt keine Relevanz besitzen. Wir müssen hin zu einem Verständnis, dass Lernen im 21. Jahrhundert immer mit Autonomie, Relevanz und einem Sinn für das Gemeinsame zusammenhängen muss.“ Für wie realistisch halten Sie es, dass hier wirklich kurzfristig nachhaltige Veränderungen geschaffen werden und eine bessere (Lern-/Schul-)Welt gestaltet werden kann? 

Ich finde die Frage danach, wie realistisch ich irgendwas finde, immer sehr schwer zu beantworten, weil das ja eine Prognose ist. Was ich aber sagen kann und was ich sehe, ist, dass die Inhalte von mir und auch von anderen Bildungsinfluencern offensichtlich ankommen. Wenn die Views von einem Video, in dem ich etwas erkläre oder kritisiere, eine Million Aufrufe bekommen, heißt das ja, es erreicht andere. Wir haben jetzt einen Prozess in Gang gesetzt in der Schule und vielem mehr. Das macht mir Hoffnung. Wir brauchen Hoffnung, aber gleichzeitig auch den Mut, Dinge zu verändern und auch den Mut, loszulegen und zu machen und nicht darauf zu warten, dass andere uns irgendeine Erlaubnis geben. Ich glaube, dafür ist es einfach zu spät. Deshalb kann man aus einer realistischen Sicht darüber, was alles negativ läuft, auch positiv sagen: „Viel schlimmer kann es nicht mehr werden! Also lass uns anstrengen, es besser zu machen!”

In seinem Buch “Warum noch lernen?” behandelt Bob Blume, wie Schule in Zeiten von KI, Krisen und sozialer Ungerechtigkeit aussehen muss. Der Lehrer und Bildungsinfluencer sagt: „Wir müssen uns darüber klarwerden, warum wir im 21. Jahrhundert lernen. Dieses Warum muss im Zentrum der Bildung stehen. Denn nur dann kann Lernen erfüllend und sinnstiftend sein. Er formuliert eine klare Vision für die Schule der Zukunft und zeigt, dass ein gemeinsames Verständnis von Bildung und Lernen der einzige Weg aus der Bildungsmisere ist.” (Unbezahlte Werbung)

Mehr unter: www.bobblume.de @netzlehrer

Hier geht es zum Buch.

© Bild: Buchhandlung Roth, Buchcover: Mosaik

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