Gemeinsam für eine bessere Welt

Als Arzt unterwegs in zwei Welten.

Christin Prizelius | 08.11.2024 | Interview mit Dr. med. Afschin Fatemi | © Dr. Fatemi / S‑thetic Gruppe

Dr. med. Afschin Fatemi ist Facharzt für Dermatologie mit den Schwerpunkten Dermatochirurgie und Ästhetische Medizin sowie Gründer und ärztlicher Leiter von der S‑thetic-Gruppe. Mit uns spricht er über seine Passion, die Gründung seiner Umbrella-Stiftung und Erfahrungen in seiner täglichen Arbeit, aber auch was sich in den letzten Jahren verändert hat und wie er in die Zukunft schaut.

Warum sind Sie Arzt mit diesem Schwerpunkt geworden? Was bedeutet es Ihnen, in diesem Beruf tätig zu sein?

Mein Tätigkeitsschwerpunkt hat sich eher ein bisschen zufällig ergeben. Als ich damals mit Medizin anfing, wusste ich gar nicht, dass es so etwas in diesem Umfang überhaupt gibt, und was alles möglich ist. Das ist jetzt aber nun auch schon fast drei Jahrzehnte her (lacht). Ursprünglich wollte ich im klassischen medizinischen Bereich tätig sein und habe auch angefangen, in einer Klinik zu arbeiten, die traditionelle und operative Dermatologie macht. Mein damaliger Oberarzt hat Lasermedizin angeboten und Fettabsaugungen durchgeführt. So kam ich überhaupt erst dazu, mich dafür zu interessieren, bzw. so fing es an, mich zu inspirieren.

„Bezüglich der Selbstwertprobleme wäre es natürlich jetzt schon schwer zu versprechen, dass man danach automatisch glücklicher ist. Das funktioniert verständlicherweise nicht immer, aber wir haben schon Patienten, die mitunter jahrelang unter bestimmten Problemen leiden. Wenn man die dann beseitigen kann, sind sie natürlich schon zufriedener, was wiederum das Selbstbewusstsein stärkt.”

Sie sagen: „Manche Behandlungen der ästhetischen Medizin, die noch vor wenigen Jahren sehr belastend waren, können wir zum Wohle von Patientinnen und Patienten inzwischen besonders schonend durchführen. Die S‑thetic Gruppe steht ganz besonders für solche innovativen Verfahren.“ Was sind das für Verfahren und was denken Sie bewirkt Ihre Arbeit nachhaltig für das Leben Ihrer Patientinnen und Patienten, die so sicher mitunter auch von großem Leiden und Selbstwertproblemen befreit werden können?

Wenn wir so 20 — 25 Jahre zurückgehen, gab es viele Verfahren zum Beispiel nur als Operation. Einmal sind bestimmte Operationen weniger invasiv als früher, auch wenn es natürlich Operationen bleiben. Wenn man sich aber beispielsweise mal die traditionelle Fettabsaugung anguckt, was bestimmt schon jeder mal abschreckenderweise gesehen hat, wie man mit dicken Stahlkanülen durch das Gewebe fährt und was früher ausschließlich unter Vollnarkose stattfand und die Todesfallrate bei 1 zu 5000 lag, ist das schon relativ viel. Da hat sich inzwischen viel getan. Dazu haben wir als Ästhetik-Klinikgruppe auch wesentlich beigetragen. Heutzutage wird mehr mit örtlicher Betäubung gearbeitet und man geht mit Laserfasern unter die Haut. Das ist wie als ob man ein Stück Butter oder Eiswürfel in die Sonne legt. So geht man viel schonender mit dem Gewebe um. Bezüglich der Selbstwertprobleme wäre es natürlich jetzt schon schwer zu versprechen, dass man danach automatisch glücklicher ist. Das funktioniert verständlicherweise nicht immer, aber wir haben schon Patienten, die mitunter jahrelang unter bestimmten Problemen leiden. Wenn man die dann beseitigen kann, sind sie natürlich schon zufriedener, was wiederum das Selbstbewusstsein stärkt.

„Als Arzt möchte man selbstverständlich in allererster Linie Menschen helfen und dort hingehen, wo es noch sinnvoller ist und die ärztliche Versorgung nicht so gut ist.”

Sie haben außerdem die Umbrella-Stiftung für Entwicklungs‑, Kinder- und Jugendhilfe sowie Waisen gegründet, die insbesondere in Krisengebieten wie dem Senegal in Westafrika für eine bessere ärztliche Versorgung sorgt. Der Gedanke war dabei nicht nur Patienten zu behandeln, sondern auch größere Projekte wie den Bau von Krankenhäusern oder Schulen zu unterstützen. Wie kam es dazu?

Als Arzt möchte man selbstverständlich in allererster Linie Menschen helfen und dort hingehen, wo es noch sinnvoller ist und die ärztliche Versorgung nicht so gut ist. Ich glaube fast jeder Arzt, den ich kenne, möchte das irgendwie gerne mal machen, und ich hatte die Möglichkeiten dazu, das technische Können und das Team, das mitkommen wollte. So kam es vor knapp 15 Jahren zum ersten Einsatz in Uganda. Seitdem waren wir dann eigentlich immer jedes Jahr irgendwo im Ausland unterwegs, beispielsweise Ägypten, dann nach dem Erdbeben im Nordiran, mehrfach in Tansania oder im Senegal sowie in den Massai-Gebieten. Da haben wir schon unter verschiedenen Voraussetzungen gearbeitet. Im Senegal gibt es zwar schon ein Krankenhaus und Ärzte, die Operationen durchführen, aber nicht die rekonstruktiven Eingriffe, die wir machen können. Wir haben auch schon einen Arzt ausgebildet, der das gerne weitermachen möchte. So ist es eigentlich auch am sinnvollsten, weil man nicht darauf warten muss, bis jemand wie ich dorthin kommt und das macht. Im Massai Gebiet war das aber zum Beispiel ganz anders, da sind überhaupt keine Ärzte. Da gab es eine Hütte, die man dann erst einmal einrichten und operationsfähig machen musste. Es gibt keinen Strom und Generatoren müssen mitgebracht werden. Was wir machen können, machen wir, vor allem finanziell. Bisher wird die Umbrella-Stiftung nämlich fast ausschließlich nur durch mich selbst finanziert wird und deswegen hat die Stiftung zwar das Ziel, in Zukunft auch größere Projekte zu gestalten, wie Krankenhäuser aber auch Schulen zu bauen, aber dafür braucht es wie gesagt finanzielle Mittel.

Bild: © Dr. Fatemi / S‑thetic Clinic — Gruppe

„In diesen Fällen können auf einmal Hände nach Jahren wieder benutzt werden, was schon ein schönes Erlebnis ist, den Menschen dann in die Augen zu schauen und ihr Lächeln zu sehen.”

Gibt es Fälle, die Sie bei dieser Arbeit besonders berührt haben?

Teilweise hat man nach Erdbeben einmalige Akuteinsätze, wo man die Patienten dann nicht wiedersieht, aber wenn wir wiederholte Einsätze, wie z.B. in Tansania oder Senegal haben, wo wir mehrmals an einer Location sind, sehen wir einige Patienten schon wieder. Das ist dann natürlich schon schön zu sehen, was für einen Impact das macht. Unter anderem behandeln wir dann Verbrennungsnarben oder Verbrennungskontrakturen. In Deutschland kennt man so etwas gar nicht, wenn die Patienten ihre Hände verbrennen und diese Hände dann nicht richtig versorgt werden. Bei sogenannten Kontrakturen ziehen sich die Finger und Hände durch die Narbenstrukturen zusammen und dann können die Hände nicht mehr benutzt werden oder die Ellenbeuge zieht sich zusammen und der Arm kann nicht mehr richtig benutzt werden. Wenn wir dann hingehen und nicht nur die Narben lösen sondern auch die Finger wieder rekonstruieren und beweglich machen, ist das natürlich einschneidend. Das hat dann einen ganz anderen Effekt, als wenn man eine Falte wegmacht. In diesen Fällen können auf einmal Hände nach Jahren wieder benutzt werden, was schon ein schönes Erlebnis ist, den Menschen dann in die Augen zu schauen und ihr Lächeln zu sehen. Auch wenn man sie erst nach 1–2 Jahren wiedersieht, freuen sie sich immer noch darüber. Das berührt dann schon sehr.

Wenn Sie dabei im Vergleich nach Deutschland schauen, was sind da Ihre Gedanken? Wie kann man die Kinder vor Ort unterstützen?

Natürlich ist es so, dass nicht alle Patienten, die wir sehen, Falten haben. Es gibt ja auch Fälle wie Sichtfeldeinschränkungen, ein Lipödem oder Tumore, also medizinische Themen, die wir behandeln. Auch Rekonstruktionen gehören dazu. Wenn man nach 2 — 3 Wochen direkt aus Afrika wiederkommt und hier jemand lediglich Botox haben möchte, ist das im ersten Moment zwar schon komisch, aber der Mensch gewöhnt sich ja bekanntlich sehr schnell und so ist man auch wieder schnell im Thema drin. Außerdem muss ich ja auch sehen, dass ich die Einsätze in Afrika nur durchführen und begleiten kann, weil ich hier Faltenbehandlungen durchführe. Also ist es sehr hilfreich, die Stiftung direkt zu unterstützen.

Wie geht es Ihnen, wenn Sie gesamtgesellschaftlich in die Zukunft schauen? Was stimmt Sie sorgenvoll aber auch optimistisch?

Das Thema Social Media und die Beeinflussung der Patienten durch Social Media ist natürlich ein großes Thema. Zum einen, weil Patienten über Social Media leichter sehen können, was in der ästhetischen Medizin überhaupt möglich ist, aber eben auch in verfälschter, oft verharmlosender Form. Es wird oft als viel zu einfach dargestellt. Man sieht dann nur irgendwelche vorher — nachher — Bilder und erkennt nicht, welche Schritte eigentlich dazwischen liegen oder welches Risiko mit einer Behandlung auch verbunden ist. So gibt es bestimmt auch Ärzte, die nicht auf die entsprechenden Risiken hinweisen und Patienten werden so eher verleitet, Behandlungen zu machen, über die sie vorher vielleicht nicht nachgedacht haben. Zum anderen ist es so, dass sich Menschen durch diese ständigen bearbeiteten Selfies, die sie einstellen, ständig selber sehen. So haben sie immer ein bestimmtes Bild von sich im Kopf, wie sie sich darstellen wollen, und das Bild von sich selber nähert sich diesem Selbstdarstellungsbild immer weiter an. Dieses Selbstdarstellungsbild ist aber immer ein Bild aus einem bestimmten Winkel. Irgendwann stimmt das Bild von sich selber dann überhaupt gar nicht mehr mit dem Bild überein, das sie tatsächlich von sich im Spiegel sehen. Diese Diskrepanz zwischen den ständig von sich selbst gemachten Bildern, die mit Filtern bearbeitet werden, und dem, was halt wirklich da und Realität ist, ist dann groß. Und sie werden auch immer jünger. Kinder wachsen ja auf mit diesem „Ich bin jetzt so, wie ich bin, aber ich sehe, wie toll die anderen aussehen” — Gedanken. Das macht etwas mit einem. Gleichzeitig muss man auch zu sich selbst ehrlich sein, dass es schließlich ein irreales Bild ist, was man sich anguckt.

Bild: © Dr. Fatemi / S‑thetic Clinic — Gruppe

Noch einmal kurz zu Ihrem Alltag als Schönheitschirurg. Sie sagen, eine vertrauensvolle Kommunikation ist tragender Bestandteil Ihrer Philosophie. Wie beobachten Sie die aktuelle Zeit? Was hat sich aber vielleicht auch verändert in den letzten Jahren?

Es wird ja schon alles ein bisschen schroffer und „ego-bezogener” und natürlich nehme ich auch wahr, dass außerhalb der Praxis die Tonlage eine andere ist, aber da wir jetzt innerhalb der Klinik nicht über politische Themen oder ähnliches reden, kann ich das jetzt nicht unbedingt sagen. Früher war es so, dass wenn die Patienten etwas wollten oder eine Zwischenfrage hatten, sie entweder in der Klinik angerufen bzw. eine E‑Mail geschrieben haben oder vorbeigekommen sind. Heute werde ich auch mal über Instagram angeschrieben und dann ist man verwundert, wenn ich nicht innerhalb von 5 Minuten reagiere oder antworte. Das fällt schon auf, aber ansonsten ist alles gut.

„Ich wollte einfach Menschen helfen.”

Wollten Sie immer schon Arzt werden? Was ist das große “Warum” hinter Ihrem Tun?

Ein bisschen habe ich den Arztberuf ja in die Wiege gelegt bekommen, da mein Vater schon Arzt war. Ich kann also nicht sagen, dass das jetzt gar keinen Einfluss gehabt hätte (lacht), aber aus Prinzip schon und um erstmal zu testen, wie sehr ich wirklich Arzt werden möchte, habe ich erst einmal mit Biochemie angefangen, dann aber relativ schnell gemerkt, dass ich doch näher an Patienten rangehen möchte. So bin ich wieder auf Medizin umgeschwenkt, was auch richtig war. Ich wollte einfach Menschen helfen.

Erlauben Sie mir zum Abschluss noch eine kleine provokante Frage, weil sich diese Annahme ja inzwischen auf mehrere Studien stützt: Macht Botox denn wirklich glücklich? Wie stehen Sie dazu und was beobachten Sie bei Ihren Patientinnen und Patienten in der Praxis?

Ich bin bei diesen Studien immer sehr vorsichtig, weil diese häufig von bestimmten Unternehmen oder der herstellenden Industrie gesponsert werden und vorher schon klar ist, in welche Richtung das Ergebnis gehen wird. Man muss also genauer hinschauen, wenn die Ärzte, die die Studien durchführen, offensichtlich von den Firmen bezahlt werden. Dennoch ist es natürlich so, wenn man die Psychologie dahinter betrachtet, dass wenn ich immer eine Zornesfalte habe, grimmig gucke und mich selber im Spiegel so anschaue, das etwas mit mir macht. Das überträgt eine gewisse Stimmungslage. Wenn ich dann aber diese Grimmigkeit ein bisschen rausnehme, mein Gesicht entspannter aussieht und ich nicht mehr grimmig in den Spiegel schaue und mein Spiegelbild sehe, spiegelt das einem ja schon morgens und tagsüber eine andere Stimmung zurück. Insofern verspürt man vielleicht schon durch diesen Mechanismus eher eine Grundzufriedenheit.

Bild: © Dr. Fatemi / S‑thetic Clinic — Gruppe

Wie wichtig ist denn eigentlich das „Nein sagen” als Arzt?

Bei bestimmten Behandlungen gibt es zwei „Neins” aus meiner Richtung. Das eine Nein für bestimmte Behandlungsformen, die wir nicht für sinnvoll halten, die zu risikoreich sind oder die eine zu hohe Versagerquote haben. Das andere Nein ist dafür, wenn Patienten sich Dinge wünschen, die wir nicht für richtig halten. Nur weil ein Patient sagt, dass er oder sie gerne so riesengroße dicke Lippen haben möchte wie ein bestimmter Promi, dann ist das ja vielleicht der Wunsch des Patienten, heißt aber nicht, dass wir das auch machen müssen. Wenn es nicht sinnvoll ist oder wir glauben, dass wir dem Patienten keinen Gefallen tun, machen wir es auch nicht. So müssen wir Patienten manchmal schon auch Dinge ausreden, entweder weil die Operationen zu risikoreich sind, oder sie einen zu stark verändern würden.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Wie kann man aus Ihrer Sicht gemeinsam ein besseres Morgen gestalten?

Da gibt es natürlich einiges, was ich mir neben bestimmten politischen Verläufen und ganz viel Geld (lacht) wünschen würde. Im Bereich der ästhetischen Theorie wünsche ich mir eigentlich nur, dass die Entwicklung der nicht operativen Methoden sich so weiterentwickelt, dass wir irgendwann mal gar keine OPs mehr brauchen.

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Mehr Informationen

Mehr dazu unter: s‑thetic.de

Dr. med. Afschin Fatemi über den Fokus unseres Beitrags: „Für korrektive und rekonstruktive Chirurgie besteht in den Krisengebieten unserer Erde ein besonders hoher Bedarf. Krankheiten, Naturkatastrophen und Kriege sorgen vielfach für körperliche Entstellungen. In den medizinischen Einrichtungen vor Ort können sie oft nicht behandelt werden, die finanziellen Mittel dazu haben viele arme Menschen schon gar nicht. Dr. med. Afschin Fatemi, ärztlicher Leiter von S‑thetic, hat deshalb die Umbrella-Stiftung gegründet. Sie sammelt unter anderem Geld dafür, dass ein Ärzteteam von S‑thetic unter Leitung von Dr. Fatemi jedes Jahr in Krisengebieten tätig werden kann…”

Bild: © Dr. Fatemi / S‑thetic Clinic — Gruppe


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