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Initiative Rehkitze retten.

Christin Prizelius | 05.06.24 | Interview mit Barbara Bausch | © Kitzrettung Hilfe

Die erste Mahd ist jedes Jahr aufs Neue ein emotionsgeladenes Thema. Just zu der Zeit, in der die Kitze in schützende Wiesen gesetzt werden, hat das Gras die Höhe und den besten Nährwert, so dass es zum ersten Mal gemäht werden kann. Der natürliche Schutzmechanismus der Kitze, sich bei Gefahr zu „drücken“, also klein zu machen und regungslos liegen zu bleiben, wird ihnen beim Anrücken der großen Mähmaschinen tausendfach zum Verhängnis. Ebenso ergeht es jungen Hasen. Weder ist es im Interesse der Landwirte, Jungwild zu verletzten oder töten, noch möchten Jäger und nicht jagende Tierschützer, dass so etwas passiert. Doch obwohl die Interessen identisch sind, gibt es jährlich Zündstoff: Landwirte beschweren sich, dass der Jäger, den sie rufen, um die Wiesen nach Kitzen zu durchsuchen, nicht erscheint. Jäger bemängeln, dass Landwirte ihre Mahd nicht ankündigen. Und noch oft genug gibt es Missverständnisse zwischen Tierliebhabern und Jägern. Die Initiative Kitzrettung-Hilfe, eine Kooperation zwischen der Jägervereinigung Lauterbach e. V. und dem Tier- und Naturschutz Unterer Vogelsberg e. V. möchte dem entgegenwirken und ruft dringend zur Zusammenarbeit auf.

Liebe Frau Bausch, wie und wann hat alles angefangen mit der Initiative „Kitzrettung-Hilfe“? 

Die Initialzündung für die Initiative Kitzrettung-Hilfe gab Hans-Ullrich Weidner, Vorsitzender der Jägervereinigung Lauterbach e. V. Vor etwas mehr als zwei Jahren kam er auf mich zu und mahnte, dieses Hin und Her zwischen den Beteiligten bei der Kitzrettung müsse ein Ende haben, wir sollten etwas tun. Wir hatten in der Vergangenheit bereits im Bereich Wildtierschutz zusammengearbeitet. Daher wusste er, dass unser Verein unvoreingenommen „Themenkoalitionen“ eingeht, sprich, dort, wo Interessen sich decken, selbstverständlich auch mit Landwirten und Jägern zusammenarbeitet. Wir organisierten einen großen Runden Tisch als Auftaktveranstaltung zu dem Thema, und luden Teilnehmer aus allen Interessengruppen zum Erfahrungsaustausch.

Über 50 Personen, darunter Jäger, Landwirte, Tierschutzorganisationen, Politiker, Biologen und Mitarbeiter diverser Behörden nahmen an dieser Veranstaltung teil, die erfreulich konstruktiv, konzentriert und informativ verlief. Der Tenor des mit dreieinhalb Stunden recht langen Abends war eindeutig: man wünsche sich engere Vernetzung untereinander und bessere Kommunikation. Daraus entstand die Initiative Kitzrettung-Hilfe, für die wir eine Internetplattform schufen, die sowohl dazu dient, rund um das Thema Jungwildrettung zu informieren, als auch dem Wunsch nach Vernetzung gerecht wird. Auf www.kitzrettung-hilfe.de listen wir beispielsweise bestehende Kitzrettungs-Organisationen aus ganz Deutschland, denen man sich anschließen kann, wenn man selbst keine Gruppe gründen möchte. Außerdem findet man eine ganze Reihe von Drohnenpiloten, die anbieten, Felder mit Wärmebildkameras abzufliegen. Und wir haben eine Datenbank, in die man sich als Helfer eintragen kann, um im Falle eines Falles von Jägern, Landwirten oder Organisationen angefordert zu werden. Das alles geschieht absolut datenschutzkonform.

Wie sind Sie aufgestellt und wie ist Ihre Arbeit organisiert?

Derzeit sind 8 Personen auch außerhalb der Mähsaison, die von April bis Juli geht, dauerhaft mit dem Projekt beschäftigt. In der Zeit, in der es etwas ruhiger ist und keine Einsätze stattfinden, organisiert die uns angeschlossene Drohnenfirma Fuchs aus Gelnhausen Schulungen, um künftige Copterpiloten auszubilden. Außerdem unterstützt sie drei aktive Mitglieder unseres Vereins, darunter unsere erste Vorsitzende, Anke Feil, bei Vorträgen, sowohl in Schulen und Kindergärten als auch auf Versammlungen der Jäger, der Bauernverbände und diverser Interessengruppen. Die Datenbank, die inzwischen rund 580 registrierte Helfer beinhaltet, basiert auf der Initiative von Manfred Wysocki aus Niedersachsen, und wird von ihm betreut. Unsere Facebook-Seite und die Organisation von Spenden und Veranstaltungen liegen in den Händen unserer TiNa-Mitglieder Ursula Hugo und Susanne Schmidt, während der Gründungsvater, Hans-Ullrich Weidner, sich hauptsächlich um behördliche Belange kümmert. Die Pflege der Internetseite und Beantwortung von Fragen per Mail unterliegen meiner Verantwortung.

Wie sieht Ihre tägliche Arbeit aus? Vor welchen Herausforderungen sehen Sie sich jeden Tag gestellt?

Die Arbeit der Kitzrettung-Hilfe besteht in erster Linie aus Tätigkeiten im Hintergrund, die der Vernetzung der Akteure vor Ort dienen oder sie in anderen Belangen unterstützen. Beispielsweise bekamen wir eine Anfrage nach Handtüchern oder Decken, auf denen Kitze gelegen haben. Die Fragestellerin wollte Hunde an dem Minimum an Geruch, den die Tiere hinterlassen, darauf ausbilden, auch diese mit der Nase zu finden. Dank unserer Vernetzung mit Auffangstationen konnten wir das ermöglichen. Wir bekommen auch immer wieder Hinweise und Ergänzungen, die wir auf die Internetseite integrieren, sowie Fragen rund um die Kitzrettung. Unsere größte Herausforderung ist derzeit das Thema Sondergenehmigung für Drohneneinsätze in Schutzgebieten. In solchen Gegenden dürfen zum Beispiel zum Schutz von Vögeln per Gesetz vernünftigerweise erst einmal keinerlei Multikopter steigen. Andererseits wird auf dem Boden auch dort Landwirtschaft betrieben und es bestehen für junge Tiere, die sich im Gras aufhalten, dieselben Gefahren wie außerhalb der Gebiete. Da der Einsatz von Drohnen das bisher zuverlässigste Mittel ist, um Unfälle zu vermeiden, setzen wir uns dafür ein, dass sowohl der Zugang zu Sondergenehmigungen einfacher wird, als auch die Vorgaben für Piloten, die in Schutzgebieten fliegen, und an die Bedürfnisse angepasst werden, die die Situation erfordert. Da sich dieses Bestreben an ein geltendes Gesetz richtet, in dem der Tierschutzeinsatz leider (noch?) nicht verankert ist, nimmt die Angelegenheit viel Zeit in Anspruch.

“Findet man zufällig auf einem Spaziergang ein Kitz, sollte man sich ebenfalls schnellstmöglich entfernen. Auf keinen Fall ist so ein Tier anzufassen, und schon gar nicht darf es mitgenommen werden.”

Was passiert genau, wenn ein Rehkitz gefunden wird?

Wird ein Kitz am Tag vor der Mahd gefunden, wird das vermerkt und es werden Maßnahmen ergriffen, die Wiese über Nacht „ungemütlich“ für Ricke und Kitz zu machen. Das können Scheuchen, Windräder oder akustisch-optische Geräte sein. Ziel ist, dass die Ricke ihr Junges nachts in eine ruhigere Wiese führt. Findet man ein Kitz kurz vor der Mahd, wird es mit Handschuhen und einer großzügigen Menge Gras aufgenommen und aus der Wiese getragen. Damit es sicher außerhalb des Gefahrenbereichs bleibt, legt man es in einen großen Karton oder Wäschekorb, bis der Mähvorgang vorüber ist. Danach setzt man es geschützt an den Wiesenrand, bestenfalls ein wenig ins Gebüsch, und entfernt sich schnellstmöglich. Ein solcher Einsatz bedeutet für das oft erst ein paar Tage alte Tier enormen Stress, der ausschließlich dann gerechtfertigt ist, wenn die Alternative Tod oder Verstümmelung durch die Mähmaschine ist. Man sollte diesen Stress deshalb nicht unnötig herauszögern. Findet man zufällig auf einem Spaziergang ein Kitz, sollte man sich ebenfalls schnellstmöglich entfernen. Auf keinen Fall ist so ein Tier anzufassen, und schon gar nicht darf es mitgenommen werden. Kitze sind die meiste Zeit des Tages alleine. Auch das dient ihrem Schutz, da die Mutter auf dem Weg zu ihrem Jungen Spuren hinterlässt, denen Fressfeinde folgen könnten. Deshalb reduziert die Mutter den Kontakt auf das Nötigste. Kitze, die mehrere Stunden alleine sind, sind also nicht verlassen! Die Ricke ist immer in der Nähe, auch wenn man sie nicht sieht. Leider ist das nicht jedem bewusst, und so landen jährlich immer wieder unnötigerweise Kitze in Auffangstationen, während die jeweilige Mutter noch ein, zwei Wochen lang nach ihrem Kleinen sucht. Nicht zuletzt sollte man sich im Klaren darüber sein, sich der Wilderei schuldig zu machen, wenn man ein Wildtier, sei es ein Junghase, ein junger Fuchs oder eben ein Kitz, einsammelt und mitnimmt.

Bild: © Kitzrettung Hilfe

“Unfälle lassen sich vermeiden, indem alle Beteiligten konsequent und zuverlässig zusammenarbeiten.”

Wie lassen sich diese Unfälle vermeiden und was können Landwirte, Jäger und Hilfskräfte genau tun? Sie sagten eben etwas von Drohnen. Welche Hilfsmittel gibt es sonst noch?

Unfälle lassen sich vermeiden, indem alle Beteiligten konsequent und zuverlässig zusammenarbeiten. Für Landwirte gilt dabei, die Mahd je nach Rettungsmaßnahme rechtzeitig beim zuständigen Jäger anzumelden, damit dieser aktiv werden kann. Ganz wichtig ist, sich an den Termin zu halten. Sowohl früher als vereinbart, als auch später zu mähen, hat verheerende Folgen. Beim Einsatz konventioneller Methoden wie Wiese ablaufen, Scheuchen stellen et cetera muss spätestens einen Tag vorher Bescheid gegeben werden, da die Vergrämungsmaßnahmen nur nachts greifen. Ein Beispiel: werden zwei Stunden vor Mähbeginn Scheuchen aufgestellt, wird keine Ricke in der Kürze der Zeit am helllichten Tag und während Menschen in der Nähe sind, ihr Kitz aus der Wiese führen. Auch Helfer brauchen eine gewisse Zeit, Wiesen, die zu dem Zeitpunkt oft hüfthoch sind, konzentriert zu durchlaufen. Für Jäger gilt, Hilfe keinesfalls abzulehnen. Jäger wissen in der Regel am besten, wo jährlich Kitze gesetzt und abgelegt werden. Ebenso sollten freiwillige Helfer, wenn sie als solche zur Verfügung stehen und angefragt werden, zuverlässig sein.

Ein, zwei Mal nicht aufgetaucht oder – schlimmer noch – nur vor Ort, um im Falle eines Unfalls Anzeige zu erstatten, und schon hinterlässt die Hilfsbereitschaft, die ansonsten ernst- und gutgemeint ist, einen faden Beigeschmack, der nur schwer wieder loszubekommen ist. Außer den oben genannten konventionellen Vergrämungsmethoden eignen sich auch ausgebildete Hunde, die an kurzer Leine mit durch die Wiese laufen. Zweck dieser Maßnahme ist dafür zu sorgen, dass die Wiese nach Hund riecht. Ein Fläschchen Parfüm, aus dem ab und zu ein bisschen gesprüht wird, kann ebenfalls helfen. Über Nacht sollte dafür gesorgt werden, dass es unruhig in der Wiese wird. Raschelnde Müllsäcke an langen Stangen, quietschende Blech-Windräder, technische Mittel wie akustisch-optische Wildwarner, die piepsen und blinken, sind probate Mittel. Leider oft nicht zu 100 % sicher. Eine Mischung aus allem dürfte an das gewünschte Ergebnis nahe bis gänzlich herankommen und zu Erfolg führen. Einen möglichen idealen Ablaufplan stellen wir übrigens im Download-Bereich unserer Internetseite zur Verfügung.

“Jede Hilfe ist sinnvoll. Nicht zu unterschätzen sind Helfer, die Getränke und etwas zu Essen zum Einsatzort bringen.”

Wer kann mitmachen? Was kann man tun?

Jeder kann mitmachen. Kinder können sich zusammen mit Lehrern oder Eltern daran beteiligen, Landwirte auf charmante Weise auf ihre Pflicht hinzuweisen –ich komme später noch genauer darauf zu sprechen–, Helfer jeden Alters können ihre Hilfe anbieten und Jägern und Landwirten zur Verfügung stehen. Ob man gut zu Fuß ist und stundenlange, hoch konzentrierte „Märsche“ durch hüfthohes Gras problemlos bewältigen kann, oder nur zur Verfügung steht, um am Tag der Mahd beim Einsammeln der Scheuchen zu helfen…, jede Hilfe ist sinnvoll. Nicht zu unterschätzen sind Helfer, die Getränke und etwas zu Essen zum Einsatzort bringen. Spätestens nach 4 Stunden Wiesen absuchen sind diese Menschen die Engel der Rettungsmannschaft.

Wie genau kann man mitmachen?

Um seine Hilfe anzubieten, gibt es diverse Möglichkeiten. Eine davon, ist, sich in unsere Helfer-Datenbank einzutragen. Dort gibt man seine PLZ an und einen Radius, den man bereit ist, sich für einen Einsatz vom Wohnort zu entfernen. Derjenige, der Helfer braucht, gibt im Anfrage-Formular auf Kitzrettung-hilfe.de die PLZ und Adresse des Einsatzortes ein und das System sucht automatisch alle registrierten Helfer, deren Wohnort inklusive Radius deckungsgleich mit dem Einsatzort sind. Diese bekommen die Anfrage über das System automatisch per Mail geschickt, sodass sie sich als verfügbar oder nicht zurückmelden können. Während derjenige, der die Anfrage verschickt, vom System lediglich mitgeteilt bekommt, wie viele Personen seine Anfrage erreicht hat, bleiben bis zum Zeitpunkt der Rückmeldung die Helfer anonym. Weitere Möglichkeiten sind, sich einer bestehenden Kitzrettungsorganisation anzuschließen, oder sich mit Freunden, Bekannten, Familie selbst zu einer Gruppe zusammen zu schließen und Landwirte und Jäger in der Umgebung ein paar Wochen vor Mähbeginn darüber zu informieren, dass man im Bedarfsfall zur Verfügung steht.

“Man sollte nur wissen, dass man Kitze nicht mit bloßen Händen anfassen darf, und sich bewusst sein, dass Kitzrettung nichts Romantisches an sich hat.”

Was muss man wissen, wenn man bei Ihnen mitmachen möchte? Welche Vorkenntnisse braucht man?

Vorkenntnisse sind nicht notwendig. Man sollte nur wissen, dass man Kitze nicht mit bloßen Händen anfassen darf, und sich bewusst sein, dass Kitzrettung nichts Romantisches an sich hat. Es ist harte Arbeit, die einzig dem Zweck dient, junges Leben vor dem Tod und vor Leid zu schützen. Auch sollten sich besonders Menschen, die der Jagd kritisch gegenüber stehen, im Klaren darüber sein, dass Kitzrettung ausschließlich in Zusammenarbeit mit Jägern betrieben wird. Da bei diesem Anlass alle dasselbe Interesse verfolgen, sollten Animositäten und Vorurteile auf keiner Seite Platz finden. Alles Weitere, was es in der speziellen Situation zu wissen gilt, wird der anwesende Jagdausübungsberechtigte den Helfern kurz vor dem Einsatz vor Ort erklären. Weitere Einblicke in das, was einen erwartet, haben wir unter „Hinweise für Helfer“ auf unserer Internetseite zusammengestellt.

Was sind die schönen Momente Ihrer Arbeit und herzerwärmende Bilder, die Sie mit nach Hause nehmen und Sie immer aufs Neue für diese Arbeit motivieren?

Besonders motivierend ist die hohe Akzeptanz unserer Hilfestellung. Die enorme Bereitschaft, sich für Kitzrettung in unterschiedlichster Weise einzusetzen, ist überwältigend und treibt einen an, auch wenn es mal schwierig wird. Ein rührendes Beispiel dafür ist unser Crowdfunding-Projekt, über das wir eine Drohne kaufen wollten. Es hat kaum zwei Wochen gedauert, und wir hatten so viele Spenden bekommen, dass es nun zwei Multikopter geworden sind, die ab sofort Einsätze fliegen können.

Welche rechtlichen Bestimmungen gibt es in diesem Zusammenhang? Was sollte jeder von uns wissen?

Landwirte sollten wissen, dass zunächst sie die Verantwortung dafür tragen, bei der Ausführung ihrer Arbeit kein Wirbeltier zu schädigen (§ 4 TierschG). Jäger tragen mit ihrer Pflicht zur Hege und zum Schutz des Wildes die Verantwortung, die Jungwildrettung zu unterstützen. Helfer dürfen nur in Begleitung eines Jagdausübungsberechtigten aktiv werden, da sie sich andernfalls der Wilderei schuldig machen, sollten sie ein Jungtier aus der Wiese entfernen. Einzelfallentscheidungen gibt es vor Gericht zwar immer wieder, aber grundsätzlich raten wir davon ab, unnötige Risiken einzugehen, für die es Alternativen gibt.

Bild: © Kitzrettung Hilfe

Was können wir alle gemeinsam – jede/r Einzelne von uns – im Alltag vielleicht auch tun, um die Kitze vor dem grausamen Mähtod zu bewahren? Wie kann man Sie und Ihre Arbeit außerdem unterstützen?

Ist die Mähsaison vorbei und sind die Kitze der Wiese entwachsen, ist Zeit durchzuatmen und sich auch über sein eigenes Konsumverhalten Gedanken zu machen. Unsere Forderung nach billigen Lebensmitteln, insbesondere Fleisch, fordert der Landwirtschaft entsprechendes Handeln ab. Dazu gehören immer größere landwirtschaftliche Flächen, die Nahrung für immer mehr Nutztiere liefern müssen. Je größer die Fläche, desto mehr Subvention erhalten Landwirte von der EU, was es ihnen wiederum ermöglicht, die Erträge preisgünstig zu liefern. Riesige Flächen können allerdings nur noch mit entsprechend großem und schnellem Gerät bewirtschaftet werden. Mit konventionellen Methoden ist Jungwildrettung dort kaum bis gar nicht mehr umsetzbar. Zwar ist das nur ein Faktor, aber einer, auf den wir Einfluss haben. Unterstützt man bewusst heimische, kleinere landwirtschaftliche Betriebe und gibt dafür ein paar Cent mehr aus, ist man bereits auf einem besseren Weg. Auch sollte man überlegen, Nahrung lediglich in solchen Mengen einzukaufen, dass nichts weggeworfen werden muss. Durchschnittlich landen in Deutschland jährlich Lebensmittel im Wert von 400 Euro pro Kopf im Müll. Zwar wird die Landwirtschaft technisch sicher keinen Schritt mehr zurück machen, aber wir haben eine Möglichkeit, die Entwicklung nicht zusätzlich voranzutreiben.

Welche Kitzrettungs-Organisationen gibt es bundesweit?

Die Organisationen sind unterschiedlichster Konstellation. Es gibt spontan entstandene und entstehende Facebook-Gruppen, die durch die hohe Akzeptanz sozialer Medien sehr effizient agieren können. Andere bilden sich aus bereits bestehenden Vereinen, wieder andere schließen sich um besonders aktive  Jägerschaften oder bestehen komplett aus solchen.

“Ziel ist es, die Kinder frühzeitig darüber zu informieren, was in der Natur vor ihrer Haustüre vor sich geht, ohne sie selbst durch Wiesen schicken oder gar mit einem verletzten Tier konfrontieren zu müssen.”

Wie funktioniert Ihr Schulprojekt? Wie kann man hier mitmachen?

In Zusammenarbeit mit Alexandra Baumann, Biologielehrerin der Haupt- und Realschule Birstein, haben wir ein Unterrichtspaket inkl. Anleitung zusammengestellt, das wir auf kitzrettung-hilfe.de zum Download zur Verfügung stellen, und das ein paar Wochen vor Mähbeginn (zum Beispiel im März) beginnen sollte: In einer ersten Unterrichts-Phase lernen Schüler über einen kurzen Filmbeitrag, um was es grundsätzlich geht.

Danach bekommen sie Fragebögen, die sie in Gruppen erarbeiten können. Aus diesen sollen sie unter anderem Möglichkeiten der Vermeidung von Mähunfällen herleiten. Am Schluss werden diese Möglichkeiten gemeinsam besprochen und gesammelt. In einer zweiten Phase (an einem weiteren Tag) basteln die Schüler Windrädchen, die sie mit den Maßnahmen beschriften. Diese werden auf einem Wandertag / Klassenausflug auf umliegende landwirtschaftlichen Betrieben den jeweiligen Landwirten überreicht, als Erinnerung an die bevorstehende Mahd und die damit verbundenen Schutz-Maßnahmen. Ziel ist es, die Kinder frühzeitig darüber zu informieren, was in der Natur vor ihrer Haustüre vor sich geht, ohne sie selbst durch Wiesen schicken oder gar mit einem verletzten Tier konfrontieren zu müssen. Rechtlich und organisatorisch wäre das ohnehin kaum machbar. Stattdessen geben wir ihnen die altersgerechte Möglichkeit an die Hand, besagte Erinnerungsfunktion bei Landwirten einzunehmen. So wissen sie, selbst auch einen unterstützenden Beitrag zur Rettung der kleinen Tiere geleistet zu haben. Und vielleicht treffen wir sie später wieder einmal als Erwachsene in unserer Helferdatenbank.

Barbara Bausch

ist Vorstandsmitglied des Tier- und Naturschutz Unterer Vogelsberg e. V. Sie sagt: “Besonders motivierend ist die hohe Akzeptanz unserer Hilfestellung. Die enorme Bereitschaft, sich für Kitzrettung in unterschiedlichster Weise einzusetzen, ist überwältigend und treibt einen an, auch wenn es mal schwierig wird.”

Mehr zur Initiative Kitzrettung und die Möglichkeit der Unterstützung unter:
www.kitzrettung-hilfe.de

Bild: © Kitzrettung-Hilfe

Das ganze Interview wurde in einer vorherigen Ausgabe vom Magazin Pure & Positive veröffentlicht.


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