Die Klinik- und Seniorenclowns von den „Klinik Clowns Hamburg”, sowie das engagierte Team vor und hinter den Kulissen, haben es sich zur Aufgabe gemacht, Momente der Leichtigkeit in die medizinischen und pflegerischen Einrichtungen der Stadt zu bringen. Ziel der Vereinsarbeit ist es, die regelmäßigen Einsätze in Kliniken und Pflegeeinrichtungen abzusichern und an den tatsächlichen Bedarf in den Einrichtungen des Gesundheitswesens anzupassen, die Qualität der künstlerischen Arbeit der Klinik-Clowns zu gewährleisten sowie langfristig die Finanzierung von Klinik-Clowns im Gesundheitssystem zu verankern.
Sie sagen: „Wir sind in den Kinderkrankenhäusern und auf den Kinderstationen der Hansestadt unterwegs, begleiten Familien im Kinderhospiz Sternenbrücke und werden in verschiedenen Wohneinrichtungen für Kinder und Familien in besonderen Lebenssituationen herzlich empfangen. Auch Erwachsene profitieren von den „Clownsvisiten“: Die kreativen Ideen unserer Humorbotschafter motivieren therapiemüde Patientinnen und Patienten im BG Unfallkrankenhaus und sind auf der Knochenmarktransplantationsstation des UKE ebenso gern gesehen. Mit ihrem herzlichen und unbeschwerten Spiel bringen sie eine bunte Abwechslung auch in Seniorenheime und sorgen dort für berührend schöne Momente…” Hier geht es außerdem um die Diagnose Humorbedarf (Titel der dazugehörigen Podcastserie) und es wird „das Schwere” gemeinsam getragen. Wir waren mit Annika Corleis aus dem Team im Austausch. Ein Gespräch mit mehr als Gänsehaut…
Liebe Annika, ihr verbindet künstlerisches Können mit einfühlsamem Spiel, das auch immer an die jeweilige Situation individuell angepasst ist. Ihr seid mit den unterschiedlichsten Zuständen konfrontiert. Da geht es dann um Lachen und um Humor. Manchmal ist es bunt und lebhaft, sagt ihr, manchmal aber auch ruhig, bedacht und besonders liebevoll. Magst du da bitte mit uns nochmal ein bisschen einsteigen? Wie läuft das genau ab bei euch? Wie bist du dazu gekommen?
Du hast schon wunderschöne Sachen gesagt, die wir wirklich alle tun und machen. Ich selber bin vor 12 Jahren dazu gekommen. Mit Ende 20 habe ich eine Laien-Clownausbildung hier in Hamburg gemacht und wusste eigentlich noch gar nicht so genau, auf welchen Weg mich das mal bringen könnte. Ich habe zwar immer gerne schon Menschen zum Lachen gebracht, aber mich nicht getraut, auf eine Bühne zu gehen. Ich mochte dieses im Mittelpunkt stehen im Grunde gar nicht. Ich fand es einfach immer total schön, dass Narren und Clowns sagen dürfen, wie es wirklich ist, ohne eine Konsequenz erwarten zu müssen. Außerdem war ich eher ein ruhiges Kind, aber mit Wortwitz, und mochte es, lustig und spielerisch Sachen zu sagen, die ich eigentlich schon auch ernst meinte. Später habe ich mich dann mit Till Eulenspiegel beschäftigt und dachte: Hej wie cool, der hat eigentlich die Wahrheit gesagt und es ist ihm nichts passiert. Die Gesellschaft hat sich eher über ihn geärgert, als dass er da irgendwie eine Strafe für bekommen hat. Im Laufe der Zeit habe ich eine Ausbildung zur Theaterpädagogin gemacht und gemerkt, dass dieses „Clown sein” etwas mit mir macht. Ich werde wieder kindlicher, albern und komme wieder in diese Spielfreude. Dann hörte ich von dem Verein “Klinik Clowns Hamburg”. Zunächst dachte ich allerdings schon, dass es schwierig werden könnte, denn es sind ja immerhin Krisensituationen für die Menschen und dann soll man rumalbern?!
„Es war immer wichtig für uns, dass man nicht irgendeine Show macht, sondern dass da jemand kommt, der einen Augenblick des Vergessens schenken möchte. Wir wissen, dass die Kinder krank sind, und es ist egal, ob das jetzt eine schwere Krankheit ist oder ein Armbruch. Wir wollen eigentlich alle Menschen berühren und sagen, dass die Ressource Humor in jedem von uns steckt. Jeder hat sie.”
Dann ist mir aber eingefallen, dass ich als Kind über Wochen und in einer Zeit, wo es noch Besuchszeiten gab, selber im Krankenhaus war, also dementsprechend wenig Besuch bei mir gewesen ist. Das war mit ausschlaggebend dafür, mich zu bewerben, und wenig später bin ich beim Casting bei den Klinik Clowns Hamburg gelandet. Das war anfangs etwas naiv und ich dachte, ich probiere es einfach mal, aber sie haben mich genommen und schwupp war ich Klinik Clown mit 1000 Fragen (lacht): Wie geht das hier überhaupt? Warum mit roter Nase? Gibt es nicht vielleicht auch Leute, die Angst vor einer roten Nase haben könnten?! Schließlich ist es ja im Grunde die kleinste Maske der Welt und man weiß nicht, was als Nächstes passiert — was aber wiederum auch schön sein kann, denn viele Kinder tauchen so ja auch in Fantasiewelten ein. Es hat mir gleich viel Spaß gemacht und ich war sofort verliebt in diese Arbeit. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht und kann jetzt sagen, dass es mein Herzensberuf ist. Alle von uns haben ja auch noch einen Zweitberuf. Es war immer wichtig für uns, dass man nicht irgendeine Show macht, sondern dass da jemand kommt, der einen Augenblick des Vergessens schenken möchte. Wir wissen, dass die Kinder krank sind, und es ist egal, ob das jetzt eine schwere Krankheit ist oder ein Armbruch. In dem Moment sind die Kinder in einer Krise und die Eltern in einem Ausnahmezustand, weil sie nicht den normalen Alltag haben können, da hilft uns immer sehr die Pflege.
Wir sind unfassbar dankbar für die Zusammenarbeit mit der Pflege, weil sie uns unterstützt und immer sagt, was uns im jeweiligen Zimmer erwartet. Wir klopfen auch erst an und fragen, ob wir reinkommen dürfen, und dann entsteht dieser Zauber. Ich möchte ein paar Momente des Vergessens und der Freude schenken und den Eltern eine Art Entspannung. Als ich damals angefangen habe, waren wir neun Kolleginnen und Kollegen. Inzwischen sind wir auf 16 gewachsen und gehen auf Palliativstationen, in Kinder- und Jugendschutzhäuser, ins Unfallkrankenhaus Boberg oder in Demenz WGs. Wir wollen eigentlich alle Menschen berühren und sagen, dass die Ressource Humor in jedem von uns steckt. Jeder hat sie. Wir nehmen Gefühle ernst, hören auch einfach mal zu und lassen so etwas entstehen. Wenn Gefühle sein dürfen und wir ihnen Raum geben, kann danach auch wieder etwas Neues kommen. Ich lerne viel von Groß und Klein und bin dankbar, dass ich diese Arbeit machen darf.

Bild: Annika hier als Kinderclown „Nika” (© Philipp Riemann)
„Ja, die Welt ist schlecht und sie ist ungerecht. Das sehen wir heute, das sahen wir gestern und das werden wir leider auch in Zukunft sehen. (…) …aber ich möchte dem mit der Ressource Humor begegnen können sowie mit Leichtigkeit und positivem Denken. Und das möchte der Verein auch. Unser Verein hat auch gesagt: Ja, das Kind ist krank oder der Arm ist gebrochen, aber nun geht die Tür auf und wir können ein Lächeln schenken oder ein bisschen die Welt verändern. (…) Darum gehen wir los, weil wir einen Moment der Freude schenken wollen.”
Was ist die große Vision des Vereins? Warum und wie sind die „Klinik Clowns Hamburg” entstanden?
Es gibt den “Dachverband Clowns in Medizin und Pflege Deutschland e.V.”, der in Süddeutschland sitzt, und dann sind um die 20 Vereine unter ihm unterwegs. Es gibt ja auch noch andere Vereine, sowie einen weiteren in Hamburg, die anders vernetzt und unterwegs sind. Es gibt also sehr viele Vereine in Deutschland, die diese wunderbare Arbeit machen. Entstanden ist das Ganze in den USA durch den Arzt Hunter „Patch” Adams, der wirklich anfing, die Menschen ganzheitlich zu sehen. Er hat sich auch mal verkleidet, um Kindern auf der onkologischen Station spielerisch zu begegnen, damit auch sie mal lachen können. Es ist erwiesen, dass das Kuschelhormon freigesetzt wird, wenn Menschen in Entspannung kommen und lachen können. Das ist unser Ziel! Ja, die Welt ist schlecht und sie ist ungerecht. Das sehen wir heute, das sahen wir gestern und das werden wir leider auch in Zukunft sehen. Auch in unserem eigenen Leben gibt es Ungerechtigkeiten, die sind da und die will ich auch nicht wegdrücken, ich will sie auch nicht nicht sehen. Das wäre ebenfalls nicht gesund, aber ich möchte ihnen mit der Ressource Humor begegnen können, sowie mit Leichtigkeit und positivem Denken. Und das möchte der Verein ebenfalls. Unser Verein hat auch gesagt: Ja, das Kind ist krank oder der Arm ist gebrochen, aber nun geht die Tür auf und wir können ein Lächeln schenken oder ein bisschen die Welt verändern. Darum gehen wir los, weil wir einen Moment der Freude schenken wollen! Meine Clownin heißt zum Beispiel bei den Kindern „Nika” und bei den Erwachsenen und Senioren „Marie”. Die Vision des Vereins ist immer noch die gleiche. Ich glaube es ist eine Wunschvorstellung, aber es wäre doch schön, wenn Menschen irgendwann fragen, wenn sie in einer Pflegeeinrichtung oder in einem Krankenhaus sind, warum es hier noch keine Clowns gibt (lacht)?! Wir wissen ja auch, dass man nicht gleichzeitig lachen und weinen kann.
Weißt du zufällig etwas mehr über langfristige positive Effekte, die die angewandte Humorpraxis hat?
Ja, dazu gibt es inzwischen einige Studien. Wir wissen alle, wie gut positives Denken wirkt, aber wir wissen auch, dass es Schicksale und gesundheitliche Situationen gibt, in denen das einfach schwierig ist. Kindern fällt es dennoch leichter, sich auf etwas anderes einzulassen, weil sie noch nicht so belastet sind und vielleicht auch vieles noch nicht so verstehen, wie wir Erwachsene. Ich bin selber Mama und merke sehr schnell, wer sich darauf einlassen kann. Es ist sehr schön, wenn man nach Jahren wieder ehemalige Patientinnen und Patienten bei Kontrollterminen- und Untersuchungen auf der Station trifft, und sie einen noch erkennen. Da entsteht eine besondere Atmosphäre. Auch wenn die Pflege uns auf der Station sagt, in dieses oder jenes Zimmer müsst ihr mal gehen, da herrscht gerade viel Traurigkeit, und dieser Kontrast entsteht, macht das etwas mit einem. Jedes Zimmer ist anders und man muss immer anders darauf reagieren. Ein Zimmer kann eben noch total wild und albern gewesen sein, dann kommen wir mit unserer Energie auf den Flur und müssen sofort switchen, weil hier vielleicht eine ganz andere Stimmung herrscht. So ist das von Zimmer zu Zimmer. Es hilft daher auch einfach mal in der Achtsamkeit mit sich selbst zu sein. Deswegen geht ein Einsatz auch maximal 3 Stunden.
„Wir spüren sehr schnell, ob eher eine abwartende Haltung gegeben oder gleich der direkte Kontakt da ist. Wir gehen ja auch immer zu Zweit in das Zimmer, daher spüren wir schnell, was passt und angebracht ist. Das fühlen wir und es braucht dann oft Improvisation.”
Habt ihr ein bestimmtes Grund- bzw. Rahmenprogramm im Hinterkopf, wo ihr individuell drauf eingeht, oder ist es wirklich ganz spontan und kurzfristig und ihr schaut, was da für eine Energie ist, was gebraucht wird und wofür der Raum gerade da ist?
Es ist ein Zusammenspiel von beidem, aber die Improvisation macht schon um die 70% aus. Wenn ich die Türklinke runterdrücke, kenne ich lediglich das Alter, aber mehr weiß ich noch nicht. Da unser Verein aber professionell aufgebaut ist, haben wir einmal im Monat Training, Supervisionen und natürlich auch Requisiten und kleine Tools in der Tasche, die wir rausnehmen können, um eine Verbindung aufzubauen oder merken, dass es gerade etwas anderes braucht. Wir spüren sehr schnell, ob eher eine abwartende Haltung gegeben oder gleich der direkte Kontakt da ist. Wir gehen ja auch immer zu Zweit in das Zimmer, daher spüren wir schnell, was passt und angebracht ist. Das fühlen wir und es braucht dann oft Improvisation. Wir wissen auch um die Humorentwicklung im jeweiligen Alter und ob Seifenblasen angebracht sind oder man kognitiv bzw. verbal darauf aufbauen sollte.
Du hast ja schon erzählt, dass es eine Ausbildung dafür gibt und man „Clown sein” schon lernen muss, aber was gibt es sonst noch für Anforderungen? Wie ist da der Ablauf?
Wenn sich jemand eine Clownsfigur entwickelt hat und auf einer Schule war, um Clown zu sein und zu werden (besonders auch mit der Zusatzqualifikation Klinik Clown, die es in Hamburg und Hannover gibt), kann er oder sie sich bei uns bewerben und dann entscheidet unsere künstlerische Leitung, ob Bedarf ist. Je nachdem, ob wir viel Bedarf haben oder wenig, gibt es entweder ein Casting, wie ich es damals gemacht habe, oder man kommt zu einem offenen Training. Nur weil ich jetzt eine Ausbildung habe, heißt es nicht, dass ich zum Verein kommen kann. Ansonsten bildet der Verein auch nicht aus, außer mit unserer Weiterbildung, wo wir sagen, wir geben euch Raum und Zeit, um eure Figur neu zu entwickeln, zu entdecken oder zu coachen. Unser Verein ist und bleibt spendenfinanziert und das muss auch alles in seiner Balance bleiben. Es ist wichtig, dass wir eine Kontinuität der Einsätze haben können, damit die Kinder, die lange auf einer Station sind, ihre regelmäßigen Besuche bekommen.
„Wir haben ja auch mal Kinder verloren, die wir lange betreut haben oder wo einfach ein intensiver Austausch war. Das sind dann natürlich auch Momente, wo wir die Nase abmachen und einmal kurz unsere Gefühle zum Ausdruck bringen müssen. Die Nase schützt uns, aber hinter der Nase geht es zu mir an den Menschen…(…) Das sind sehr bewegende Momente, die wir alle mitnehmen und über die wir reden, damit auch wir gesund und gestärkt weitermachen können.”
Ihr bringt Freude, Wärme und Zuneigung in den oft belastenden Alltag unterschiedlicher medizinischer und pflegender Einrichtungen. Ich konnte außerdem lesen, dass ihr über 1500 Einsätze im Jahr habt. Gibt es Momente, die einen besonders berührt haben und in Erinnerung geblieben sind?
Ja, viele, sowohl bei den Kindern als auch bei den Seniorinnen und Senioren. Wir haben ja auch mal Kinder verloren, die wir lange betreut haben, oder wo einfach ein intensiver Austausch war. Das sind dann natürlich auch Momente, wo wir die Nase abmachen und einmal kurz unsere Gefühle zum Ausdruck bringen müssen. Die Nase schützt uns, aber hinter der Nase geht es zu mir an den Menschen, dann brauche ich auch mal eine Supervision für mich oder ich spreche mit meiner Kollegin. Wir wurden auch mal von Eltern eingeladen, zu der Beerdigung ihres Kindes zu kommen, weil sie alle dabei haben wollten, die ihr Kind in der schweren Zeit betreut haben. Das haben wir „ohne Nase” gemacht und wie wir sind. Das sind sehr bewegende Momente, die wir alle mitnehmen und über die wir reden, damit auch wir gesund und gestärkt weitermachen können. Ich muss wirklich sagen, dass die positiven Situation überwiegen, aber natürlich gibt es auch ganz ungerechte, fiese und traurige Geschichten. Auch die kriegen wir mit und verarbeiten wir. Bei den Seniorinnen und Senioren habe ich auch wunderschöne Momente, wo wir einfach ruhig sind, zuhören und Zeit geben. Manche Menschen haben im Alter Sprachschwierigkeiten und brauchen einfach länger, möchten aber etwas sagen. Mit manchen sitzen wir einfach nur zusammen, halten die Hand und sie sagen, dass genau das gerade gut tut. Wir können die Dunkelheit nicht nehmen, aber wir können Nähe schenken.

Bild: © Philipp Riemann
„Es ist ein Balanceakt für jede und jeden von uns, in seiner Balance zu bleiben. Trotzdem würde ich immer sagen, dass ich unfassbar glücklich und dankbar dafür bin, wo ich jetzt stehe und das ist ein riesen Geschenk! (…) Wir müssen nicht immer funktionieren, wir müssen nicht immer geben, wir müssen nicht immer perfekt sein, aber wenn wir etwas müssen, dann auf uns hören!
Was macht all das mit dir? Auch du gehst ja als Mama nach Feierabend nach Hause… 12 Jahre sind eine lange Zeit! Wie schaffst du es, gut für dich zu sorgen?
Es gab auch bei mir Phasen, wo ich das nicht so gut gekonnt, viel gegeben und nicht darauf geachtet habe, dass ich mir selbst genug gebe und auch etwas bekomme. Ich habe gemerkt, dass es im Leben immer die Schattenseite und die Lichtseite gibt und das ist auch gut so. Es war wichtig, dass ich für mich gemerkt habe, dass meine Arbeit wirklich komplex ist, aber auch wunderschön, denn sie ist auch sehr „gebend”. Das musste mir auch erstmal bewusst werden. Durch eine tiefere Phase, wo es mir dann auch mal nicht gut ging, habe ich gemerkt, was ich da eigentlich leiste. Dann wurde ich auf einmal nett zu mir, habe mir Pausen gegönnt, habe liebevoll zu mir gesprochen, und mir gesagt, wie toll es ist, was ich mache. Wir alle kommen schnell in diesen Strudel des negativen Denkens, Perfektionismus und der Forderung, alles besser zu machen. Da drinnen war ich auch. Keiner ist davor gefeit, dass uns das passiert. Und ich möchte sagen, bitte lasst uns ehrlich sagen, dass es jedem von uns passieren kann. Ich würde lügen, wenn ich sage: „Annika war 12 Jahre immer in der Balance!”.
Ich konnte auch eine Zeit lang nicht mehr und es ging mir auch schlecht. Dann habe ich gelernt zu verstehen, mir zu sagen, dass alles gut ist und ich jetzt einfach mal ein bisschen weniger mache: Jetzt kümmerst du dich um dich, um deinen Sohn und deinen Mann und dann gehst du wieder los. Es ist ein Balanceakt für jede und jeden von uns, in seiner Balance zu bleiben. Trotzdem würde ich immer sagen, dass ich unfassbar glücklich und dankbar dafür bin, wo ich jetzt stehe, und das ist ein großes Geschenk! Dass ich Schattenseiten erleben musste, war nicht schön, aber dass ich gestärkt aus ihnen herausgehen durfte, um dann wieder ins Geben kommen zu können, ist mein großes Lebensgeschenk. Mir ist bewusst, dass das Leben wellenartig ist. Ich versuche jeden Tag bei mir zu sein und mich zu fragen: Wie fühlst du dich? Geht es dir gut? Können wir weitermachen oder braucht es eine Pause? Und trotzdem ist das Leben manchmal so schnell, dass man hinterherläuft. Wir müssen nicht immer funktionieren, wir müssen nicht immer geben, wir müssen nicht immer perfekt sein, aber wenn wir etwas müssen, dann auf uns hören! Meine Kollegin sagte kürzlich in einem Vortrag: „Wir dürfen einfach ehrlich zu uns sein und diese Ehrlichkeit und diese Ressource Humor, die in uns allen ist, nach außen tragen!” Es ist immer wieder schön zu sehen, wenn ich anderen Kolleginnen zuhöre, wie sehr wir uns gegenseitig berühren können. Wir gehen los, um zu geben, aber wir bekommen auch sehr viel zurück! Es sollte immer ein Geben und Nehmen sein.
Ihr sagt, Lachen löst uns gedanklich aus schwierigen Situationen und hilft auch, Schmerzen zu lindern und die psychische Widerstandskraft zu stärken. Magst du da bitte nochmal ein bisschen auf die Rückmeldungen eingehen? Wie erlebst du das mit dem Personal aber auch mit den Angehörigen? Wie nachhaltig sind die Begegnungen und die Gespräche und das, was man so mitnimmt?
Wir haben in dem “team momentum”, was zwar die Trägerschaft der Klinik Clowns aber gefördert ist von der Securvita Krankenkasse, auch einen Podcast aufgenommen. Der ist ganz schön, weil wir nicht über die Pflege, über Angehörige oder über Bewohnerinnen und Bewohner reden, sondern sie reden selber. Da hat mal eine Angehörige davon erzählt, wie Kollegen von uns ihren Vater besucht haben. Es wurde zusammen der 90. Geburtstag gefeiert und mit was für einer Liebe sie darin über unsere Arbeit spricht, hat mich wirklich zutiefst berührt. Aber das ist eher selten. Bei den Kindern sind die Eltern da, aber auch hier kommt es mal vor, dass wir wieder gehen müssen, weil das Kind nach einer Bauch-OP einfach noch nicht lachen darf. Kinder wissen das oft gar nicht einzuschätzen. Sie können das oft gar nicht benennen. Sie waren in dem Moment frei und danach kommen sicherlich wieder die Schmerzen, aber es ist einfach erwiesen, dass Hormone freigeschüttet werden, wenn Kinder entspannen oder wenn sie lachen. Ich hoffe, dass jeder Besuch, ob das nun von uns ist oder auch Pflegekräften, Pädagogen etc. (jetzt auch Musik- oder Theaterpädagogen, die ihre Arbeit ebenfalls toll machen), zum Wohlbefinden beiträgt sowie heilt und trägt. Aber ich bin keine Medizinerin und kann nicht genau sagen, wie die Schmerzen in dem Moment sind, wenn wir sie besuchen. Ich spüre einfach, dass es ihnen gut tut, dass jemand da ist.

Bild: © Philipp Riemann
Eure Expertise und euer Fachwissen beruhen auf unterschiedlichen Bildungsangeboten zum Thema „Humor”. Spannend war für mich zu lesen, dass es sogar eine Unterrichtseinheit zum Thema „Humorkompetenz in der Pflegepraxis” gibt und ihr in Kooperation mit dem genannten Dachverband den Workshop „Balsam für die Pflege” anbietet. Magst du da mit uns bitte auch nochmal ein bisschen einsteigen?
Es gibt die „HIP — Humorkompetenz in Pflegeeinrichtungen”, was in der Corona-Zeit entstanden ist. Mittlerweile sind wir in fünf verschiedenen Pflegefachschulen in und um Hamburg herum aktiv und stehen richtig auf dem Stundenplan. Da kommen wir dann für zwei bis drei Doppelstunden mit unserer PowerPoint Präsentation hin — allerdings ohne „Nase” (lacht). Wir kommen „in Zivil” dorthin, besuchen die Pflegekräfte in der Ausbildung und fragen danach, in welchem Jahrgang sie gerade sind, ob sie das Praxispraktikum mit den Kindern schon absolviert haben, ob sie noch Informationen brauchen oder in welche Richtung sie später gehen wollen. Inzwischen ist die Ausbildung auch generalisiert und wir gucken, wenn viele mit Senioren arbeiten, dass wir denen viel Handwerkszeug mitgeben — also: Woher kommt Humor? Was ist Humor? Welche Humorarten bzw. Humortypen gibt es? Welche Humor-Theorien benutzen wir alle in unserem Leben? Wer hat den Humor eigentlich erfunden? Gibt es kulturelle Unterschiede? Da tauchen wir in die Theorie ein, aber auch in die Humorbiografie, also: Was ist dein individueller Humor? Woher kommt er? Wie war der in der jeweiligen Familie? Wer oder was hat dich geprägt? Das kann ich eigentlich auch jedem empfehlen, das mal für sich zu machen, und seine Biografie zu entwickeln.
Und: Man kann seinen Humor trainieren! Ich würde aber eher sagen, man kann dem Humor auf die Schliche kommen. Jeder von uns hat eine Ressource „Humor” und das heißt nicht, dass ich sie aktiv benutzen muss. Wir reden offen darüber, denn es gibt ja auch Menschen, die Clowns nicht passend finden, weil der Clown ein Klischee ist, der gerne für Horrorshows und Filme benutzt und daher mit Horror und Angst verbunden wird. Es ist ein großes Geschenk, dass wir in diese Schulen gehen dürfen oder auch mit „Balsam in der Pflege” in einer Einrichtung einen interaktiven Workshop veranstalten können — oder jetzt auch neu, ebenfalls unterstützt durch die Securvita, in die Einrichtung gehen und sagen können: „Humor pflegt”. Da halten wir einen Impulsvortrag für Pflegekräfte oder für pflegende Angehörige. Das alles machen wir ohne rote Nase, weil wir über unsere Arbeit erzählen und warum wir sagen, dass es schön ist, wenn durch einen Klinik- oder Seniorenclown Hierarchien gebrochen werden können. Bei den Seniorenclowns ist das Kostüm sehr entscheidend, weil wir in alte Zeiten einladen.
Wie kann man euch erreichen? Wo kann man euch finden und wie unterstützen?
Zunächst einmal kann man uns direkt über unsere Webseite finden, wo es auch die Möglichkeit gibt, zu spenden, aber auch auf Facebook oder Instagram. Da freuen wir uns natürlich, wenn uns gefolgt wird.
„Ich wünsche mir, dass wir uns alle wieder daran erinnern, dass in uns eine Ressource ist, die Humor heißt. Humor ist Liebe, Humor ist Verbindung.”
Was wünschst du dir für deine und eure Arbeit und für uns alle für die Zukunft?
Ich glaube, ich wünsche mir das, was ich gerade gesagt habe, dass wir uns alle wieder daran erinnern, dass in uns eine Ressource ist, die Humor heißt. Humor ist Liebe, Humor ist Verbindung und Humor ist, dass ich mich mag, mich um mich kümmere und dem Gegenüber und meiner Familie auch all das wünsche. Also, dass wir wieder ins Miteinander kommen. Und das heißt nicht, wir müssen immer einer Meinung sein, aber wir dürfen uns wieder akzeptieren und versuchen, den anderen zu verstehen und uns mit Leichtigkeit zu sehen, sich selber auch mal nicht so wichtig zu nehmen und trotzdem zu wissen: wir sind wichtig!
Hier geht es zum ganzen Interview in unserem Podcast #Folge 42.

„Seit mehr als 20 Jahren bringen die Humorbotschafter Momente der Freude zu Menschen in belastenden Lebenssituationen. Annika Corleis ist nun inzwischen seit 12 Jahren eine von ihnen. Die 16 professionellen Klinik- und Seniorenclowns geben kleinen Patientinnen und Patienten auf den Hamburger Kinderstationen „Spielräume“ zwischen notwendigen Behandlungen, werden einfühlsame Verbündete im Klinik-Alltag, im Kinderhospiz oder dem Schutzhaus. In Seniorenheimen geben sie der Vergangenheit Raum, hören und erzählen Geschichten, und wecken Erinnerungen. Miteinander zu lachen entlastet auch die Angehörigen sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege. Die Momente mit den Klinik-Clowns schenken ihnen eine kleine Auszeit und inspirieren zu einem humorvollen Umgang mit Alltagssituationen. Ermöglicht wird diese Arbeit durch Spenden.” (Zitiert von der Webseite)
Mehr dazu unter: www.klinik-clowns-hamburg.de,
Dachverband Clowns in Medizin und Pflege Deutschland e.V. und “team momentum”
Bild: © Philipp Riemann