Das Team von Obstkäppchen hat eine Mission: Gemeinsam werden hier Seniorinnen und Senioren unterstützt, die von Altersarmut und Alterseinsamkeit betroffen sind. Dies tun sie, indem sie sie zu festen Zeiten im Monat mit einer Tüte voller Lebensmittel bei einer gesunden Ernährungsweise unterstützen und gleichzeitig im Rahmen der Besuche Zeit mit ihnen verbringen. Altersarmut und Alterseinsamkeit sind keine seltenen Phänomene und stellen die Lebensrealität vieler Menschen dar. Deshalb ist es Zeit aktiv zu werden und unsere Seniorinnen und Senioren zu unterstützen!
Obwohl manche Menschen unserer Gesellschaft über 45 Jahre lang gearbeitet und in Rentenkassen eingezahlt haben, werden sie im Alter von der Altersarmut verschluckt. Sie sind auf die Grundsicherung des Staates angewiesen und müssen an allen Ecken und Enden sparen. Dies hat zur Konsequenz, dass oftmals auch eine gesunde Ernährung vernachlässigt werden muss. Das findet das Team von Obstkäppchen unfair! Deshalb ist ihre Vision, von Altersarmut betroffene Senioren unserer Gesellschaft bei einer gesunden Ernährungsweise zu unterstützen. Dieses Ziel möchten sie erreichen, indem sie ein- bis zweimal im Monat Tüten gefüllt mit gesunden Lebensmittel an die Tür bedürftiger Senioren liefern. Diese Tüten werden unter Anleitung eines Ernährungsberaters jeden Monat aufs Neue zusammengestellt, so dass der Inhalt ideal auf die Bedürfnisse von Senioren abgestimmt werden kann. Als Startup konzentrierten sie sich zunächst auf die von Altersarmut betroffenen Menschen des Rhein-Sieg-Kreises. Inzwischen haben sich die Standorte erweitert.
Die verwendeten Lebensmittel beziehen sie von Supermärkten und Bauern aus der Region, die sie durch Kooperationen und Spenden unterstützen. Die Anonymität ihrer Senioren wird großgeschrieben, da nicht alle Betroffenen ihre finanzielle Situation an die große Glocke hängen möchten, und somit der Besuch eines öffentlichen Hilfsangebots für sie nicht in Frage kommt. Deshalb liefern die ehrenamtlichen Obstkäppchen an festgelegten Terminen anonym und kostenlos die gefüllten Tüten direkt an die Tür der Senioren. So hoffen sie, dass die Damen und Herren im besten Alter merken, dass die Gesellschaft sie nicht vergessen hat. Sie liegen ihnen am Herzen. Carina Raddatz war zunächst Gründerin und Vorstand bei Obstkäppchen e.V., heute ist sie Geschäftsführerin der Obstkäppchen gUG. Wir durften ihr ein paar Fragen stellen.
Liebe Carina, wie bist du auf die Idee mit „Obstkäppchen” gekommen und dann daraus zunächst einen gemeinnützigen Verein, später eine gUG, zu machen?
Die Idee zu Obstkäppchen ist mir gekommen, als ich in der Kölner Innenstadt eine alte Dame dabei beobachtet habe, wie sie im Müll nach Pfandflaschen suchte – wahrscheinlich zur Aufbesserung ihrer Rente. Dieses Bild hat mich so mitgerissen und nachhaltig bewegt, so dass ich begonnen habe, mich mit Altersarmut in Deutschland zu befassen. Ich wollte einen Weg finden, wie man den Betroffenen helfen kann, habe zwei Freunden von meiner Idee erzählt und zusammen haben wir dann Obstkäppchen e.V. gegründet.
„Langfristig möchten wir bundesweit Menschen ermöglichen, sich aktiv für von Altersarmut betroffene Seniorinnen und Senioren einzusetzen, und etwas für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu tun. Wir möchten darauf aufmerksam machen, dass einige Menschen trotz einem Leben voller Arbeit im Alter von der Altersarmut verschluckt und vergessen werden.”
Was ist euer langfristiges Ziel? Worauf möchtet ihr aufmerksam machen und wen seht ihr hier vor allem in der Pflicht?
Langfristig möchten wir bundesweit Menschen ermöglichen, sich aktiv für von Altersarmut betroffene Seniorinnen und Senioren einzusetzen, und etwas für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu tun. Wir möchten darauf aufmerksam machen, dass einige Menschen trotz einem Leben voller Arbeit im Alter von der Altersarmut verschluckt und vergessen werden. Auch wenn dies nur durch die Politik geändert werden kann, können wir alle gemeinsam dem Ausmaß der Symptome entgegenwirken. Jeder von uns kann einen kleinen Beitrag dazu leisten und anderen Menschen Denkanstöße mitgeben.
Im Rahmen deines Studiums, sowie privat, hast du dich intensiv mit Menschenrechten, NGOs und Themen wie soziale Gerechtigkeit sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene beschäftigt. Was sind deine Gedanken dazu und wo besteht großer Handlungsbedarf?
Generell gibt es unzählige Themen, bei denen großer Handlungsbedarf besteht. Persönlich beschäftigen mich vor allem Kinder‑, Frauen- und Minderheitenrechte. Ich bin der Meinung, dass jeder Mensch etwas tun kann, um die Welt ein klein wenig besser zu machen. Dafür muss man gar nicht (nur) in andere Länder blicken, auch hier vor unserer eigenen Haustür gibt es einiges zu tun. Ich würde mir wünschen, dass wir als Gesellschaft mehr auf unsere Mitmenschen achten, und bei Problemen nicht einfach nur wegschauen. Wir müssen aktiver werden und uns für Leute engagieren, die unsere Unterstützung brauchen.

Bild: © Obstkäppchen
„Ich wünsche mir eine Veränderung im Umgang mit dem Thema Altersarmut, sowohl politisch wie auch privat. Bisher ist es eine Thematik, welche gerne gemieden und totgeschwiegen wird. Wir brauchen eine weitgehendere gesellschaftliche Diskussion, um das Bewusstsein dafür zu stärken, Lösungen zu finden, Vorsorge zu betreiben und die Betroffenen zu unterstützen.”
In welchen Bereichen wünschst du dir unbedingt eine schnelle Veränderung? Wie kann man diese Situation in deinen Augen langfristig verbessern?
Ich wünsche mir eine Veränderung im Umgang mit dem Thema Altersarmut, sowohl politisch wie auch privat. Bisher ist es eine Thematik, welche gerne gemieden und totgeschwiegen wird. Wir brauchen eine weitgehendere gesellschaftliche Diskussion, um das Bewusstsein dafür zu stärken, Lösungen zu finden, Vorsorge zu betreiben und die Betroffenen zu unterstützen.
Wie können sich die Senioreninnen und Senioren an euch wenden beziehungsweise mit euch in Kontakt treten? Welche Regionen deckt ihr ab?
Die Seniorinnen und Senioren werden durch das lokale Amt für soziale Angelegenheiten kontaktiert und mit Informationsmaterial über den Obstkäppchen e.V. versorgt. Bei Interesse können sie sich über ein mitgesendetes Formular direkt bei uns anmelden und werden ab dann jeden Monat von unseren ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besucht. Momentan verteilen wir Tüten in unserer gemeinsamen Heimatstadt Hennef (Raum Köln-Bonn), natürlich planen wir aber zukünftig in mehreren Regionen bundesweit aktiv zu sein.
Mit Obstkäppchen möchtest du das Verständnis für generationenübergreifenden Zusammenhalt stärken und gesellschaftliches Verantwortungsgefühl fördern. Was ist dein Ansatz dafür und was kann vielleicht sogar jeder von uns tun?
Mein Ansatz dafür ist, dass einzelne Geschichten und Schicksale transparent gemacht werden müssen – so sehen die Menschen, dass das Problem der Altersarmut sehr real ist. Diese Geschichten möchten wir durch die persönlichen Begegnungen von Obstkäppchen und Seniorinnen und Senioren weitergeben. Die Obstkäppchen geben diese Erkenntnisse dann an andere Personen weiter, entwickeln eine andere Sicht auf die Dinge, und reißen weitere Personen mit, sich aktiv für die Gesellschaft zu engagieren. Jeder von uns kann mit offenen Augen durch die Welt gehen, offen für die Probleme anderer sozialer Gruppen oder Generationen sein, und den Mitmenschen helfen. Manchmal reicht es schon, dem Nachbarn ein ernst gemeintes Lächeln zuzuwerfen, um den Tag zu versüßen.

Bild: © Obstkäppchen
Womit sind eure Tüten gefüllt und wer arbeitet noch mit im Hintergrund?
Unsere Tüten sind mit gesunden und ausgewogenen Lebensmitteln gefüllt, auch gibt es ab und zu etwas für den hohlen Zahn. Jeden Monat gibt es neben dem Tüteninhalt ein beigelegtes Rezept, so können sich die Seniorinnen und Senioren eine warme Mahlzeit aus den Zutaten kochen. Unser Ernährungsberater stellt den Inhalt zusammen, so dass dieser perfekt auf die Bedürfnisse der Seniorinnen und Senioren abgestimmt ist. Wir haben mittlerweile viele Obstkäppchen, die sich in wechselnder Besetzung beim Tütenpacken engagieren.
Wie kann man euch helfen und unterstützen?
Man kann uns auf verschiedenen Wegen unterstützen. Es hilft uns schon sehr, wenn man unsere Idee auf den sozialen Medien teilt, und uns somit eine größere Reichweite ermöglicht – so können Kooperationspartner et cetera erreicht werden. Natürlich kann man eine Tüte für eine/n Senior/in (oder zwei, oder drei) spenden. Man kann sich bei uns auf der Webseite auch nach den Standorten erkundigen.
Wie viele Seniorinnen und Senioren habt ihr seit Beginn eurer Arbeit mit eurem Engagement schon glücklich gemacht?
Im Dezember 2017 haben wir mit 20 Senioren und Seniorinnen gestartet, Stand Mai 2025 haben wir 10178 besucht und glücklich gemacht. 80 Prozent der durch das Amt kontaktierten Seniorinnen und Senioren haben sich bei uns angemeldet. Wir freuen uns darüber, diesen Personen mit unseren Tüten jeden Monat aufs Neue ein Lächeln ins Gesicht zaubern zu dürfen.
Video: Mit freundlicher Genehmigung von Obstkäppchen gUG

Carina Raddatz von Obstkäppchen gUG ist es wichtig, dass jede und jeder Einzelne in unserer Gesellschaft gesehen und wahrgenommen wird. Seniorinnen und Senioren, die ihr ganzes Leben lang etwas für die Gesellschaft getan haben, sollten während ihres Lebensabends weder von Armut noch von Einsamkeit betroffen sein. „Obstkäppchen“ öffnet daher im wahrsten Sinne des Wortes die Tür zu einem anderen Leben. Sie und die und Ehrenamtlichen haben hier die Chance auf Begegnung, Austausch und das Erleben von Gemeinschaft.
Mehr unter: www.obstkäppchen.de
Bild: © Obstkäppchen