Der ehemalige Kunstturner Samuel Koch ist seit seinem Unfall am 4. Dezember 2010 in der Sendung „Wetten, dass …?“ gelähmt und auf Hilfe angewiesen. Wo er es früher geliebt hat, seine Freiheit zu leben, berichtet er heute darüber, mit welchen Einschränkungen er nun leben muss, sowie mit welchen Gedanken und Gefühlen er zu kämpfen hat. Aber für ihn ging das Leben weiter und jetzt hat er auch in der Liebe sein größtes Glück mit der Schauspielerin Sarah Elena Timpe gefunden. Er sagt, er hat mit der Zeit geschafft, ein Gefühl für die wirklich essentiellen Dinge des Lebens zu entwickeln: „Ich suche mir jeden Tag schöne Erlebnisse: mal Gründe zum Lachen, mal tiefgehende Gespräche oder lohnende Herausforderungen. Nicht zuletzt durch das Schauspielstudium habe ich gelernt, nicht ständig zu fragen: ‚,Was kann ich nicht?”, sondern mich darauf zu konzentrieren: „Was kann ich?”. Wir durften mit ihm persönlich sprechen.
Lieber Samuel, wie meisterst du das Leben seit deinem Unfall?
Nicht allein! Das gilt gleich in vielerlei Hinsicht. Wofür würde es sich sonst zu leben lohnen, wenn nicht mit oder vor allem für andere Menschen?
„Ich brauche als Antriebskraft etwas, das größer und wichtiger ist als ich selbst.”
Woher hast du die Kraft genommen? Woher kommt jeden Tag deine Energie?
Das Wichtigste, beziehungsweise das Einzige, das mir nachhaltig Kraft gibt, mich antreibt, motiviert, immer wieder aufstehen lässt… ist eben genau das, was über mich hinausweist. Ich brauche als Antriebskraft etwas, das größer und wichtiger ist als ich selbst.
Früher warst du ja Kunstturner und hattest bestimmt andere Vorstellungen von deiner Zukunft. Wie hast du dir deine neuen Ziele definiert – und sie letztendlich dann auch erreicht?
Naja, wenn es denn sowas wie ein Ziel gibt, dann hoffe ich im kleinsten Sinne auf einen guten Schlaf und darauf, wieder aufzuwachen, auf ein gutes Frühstück und im größeren Sinne, dass ich Arbeit als relevanter Schauspieler, eine sinnvolle Beschäftigung und gute Begegnungen mit Menschen habe. Auch Abenteuer will ich erleben und ich möchte in der Lage sein, daraus zu lernen, wenn ich an Herausforderungen scheitern sollte. Und natürlich spielt auch die große Hoffnung auf physische Gesundheit mit, nicht nur, dass das bleibt, was vorhanden ist, sondern dass sich vielleicht meine Beweglichkeit wieder verbessert.
Du arbeitest viel mit dem Neurowissenschaftler Prof. Dr. Gerald Hüther zusammen. Was hast du dir von ihm und seinem Wissen angenommen? Womit arbeitest du? Wovon hast du am meisten profitiert?
Gerald Hüther hat die herrliche Fähigkeit, hochkomplizierte wissenschaftliche Zusammenhänge allgemeinverständlich und einfach auszudrücken. Ich bin mit dem Wunsch an ihn herangetreten, dass er mir einige offene Fragen beantwortet und aus seiner enorm weitsichtigen professionellen Warte beurteilt, ob das, was ich schreibe, Hand und Fuß hat. Erstaunt und erfreut hat mich, wie unprätentiös und unkompliziert er ist, und dass er so viel Lust dazu hatte, mich zu unterstützen, weil ihm meine Herangehensweise gefiel. Neue Erfahrungen bringen neue Vernetzungen im Hirn. Diesen theoretischen Satz habe ich mir gemerkt und finde es spannend, wie Menschen stark werden.
Du hast im Fernsehen mal gesagt: „Ich bin etwas wert, weil ich bin.“ und sprachst dabei von bedingungsloser Liebe. Wie war dein Weg dahin? Oder war das schon immer so?
Dafür sorgte vor allem mein Vater, dem es sehr wichtig war, dass meine Geschwister und ich ein gesundes, gutes Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein entwickeln. Immer wieder sagte er uns, auch einfach so aus dem Nichts heraus: „Eins plus!“ Selbst mitten in Streitgesprächen. Als ich einmal vollkommen geschockt, da nur Einsen und Zweien gewohnt, mit meiner ersten schlechten Note nach Hause kam – ich glaube, einer Fünf in Englisch, schenkte er mir eins der teuersten und modernsten Jo-Jos, die gerade auf dem Markt waren. Damit unterstrich er wieder mal, dass ich für ihn „Eins plus“ bin, und zwar als sein Sohn Samuel. Unabhängig von meinen Leistungen in der Englischarbeit. Mein Vater ist natürlich menschlich und hat auch irgendwo Fehler. Aber dieser Zug an ihm, bemüht mich als sein Kind wirklich bedingungslos zu lieben, der ist im Grunde „übermenschlich“, also göttlich. So stelle ich mir Gott vor: Er liebt mich, weil ich bin – mehr muss ich dazu nicht leisten oder tun.
„Ich für mich habe festgestellt, es lohnt sich, seinen Wohlfühlbereich und seine barrierefreien vier Wände zu verlassen! Auch wenn es Überwindung kostet und demütigend sein kann.”
In deinem Buch „Stehaufmensch“ geht es unter anderem um Resilienz. Was macht resiliente Menschen für dich vor allem aus? Was gibt Menschen denn nun wirklich die Kraft, immer wieder aufzustehen? Kann man Resilienz lernen?
Tatsächlich fühle ich mich manchmal mystisch überhöht und ich vermag auf solche Fragen keine allgemeingültigen Antworten zu geben. Häufig sind Ratschläge auch nur Schläge und ich habe die Erfahrung gemacht, dass was im Einzelfall hilft, so individuell ist wie die einzelnen Persönlichkeiten und ihre Schicksale selbst. Was mir geholfen hat, kann für einen anderen genau das Falsche sein. Deshalb ist StehaufMensch! auch kein Ratgeber. Ich für mich habe festgestellt, es lohnt sich, seinen Wohlfühlbereich und seine barrierefreien vier Wände zu verlassen! Auch wenn es Überwindung kostet und demütigend sein kann.
Welche Erfahrungen hast du beim Schauspiel und Theater gemacht? Wie wird es hier weitergehen?
Ich fand es absurd und naiv, das Schauspielstudium wieder aufzunehmen. Auf dem Lehrplan stand zum Beispiel Reiten, Fechten, Akrobatik, Tanzen – das alles fiel ja weg. Meine Schauspielkollegen und ein Professor als Mentor halfen mir zu erkennen, dass die Essenz des Schauspiels, Emotionen zu transportieren, immer noch möglich ist. Ich bin überrascht, welche Möglichkeiten es tatsächlich noch gibt.
Bild: © Conny Wenk
Was strebst du noch an? Was möchtest du noch bewegen?
Ich versuche etwas von der großen Anteilnahme, die ich erhalten habe, zurückzugeben. Wir haben ja auch den Verein „Samuel Koch und Freunde“ gegründet. Damit wollen wir Menschen beistehen, die anderen Menschen in Notlagen zur Seite stehen und sich dabei selbst verausgaben. Wir wünschen uns, dass diese Menschen wieder neuen Mut, Kraft und Hoffnung schöpfen können.
„Dafür habe ich die Frage zurückgegeben und die Erfahrungen und Erkenntnisse anderer Leute aus der Vergangenheit und Gegenwart angezapft, die Wichtiges zum Thema beitragen können. Um vor allem auch aus dem wirklichen Leben zu lernen und zu erfahren, was Menschen in schweren Zeiten geholfen oder sie gar gerettet hat.”
Themen deiner Arbeit sind unter anderem Hoffnung, Dankbarkeit, Demut oder auch Verantwortlichkeit und Sinn. Wie hast du diese für dich bestimmt?
Und es gibt noch weitere. Nachdem ich bereits unzählige Male gefragt wurde, woher ich die Kraft nehme, habe ich rund 20 solcher Begriffe aufgeschrieben. Dafür habe ich die Frage zurückgegeben und die Erfahrungen und Erkenntnisse anderer Leute aus der Vergangenheit und Gegenwart angezapft, die Wichtiges zum Thema beitragen können. Um vor allem auch aus dem wirklichen Leben zu lernen und zu erfahren, was Menschen in schweren Zeiten geholfen oder sie gar gerettet hat. Um ein möglichst umfassendes Bild zu bekommen und vor allem auch reichhaltige Lösungsansätze zu finden, war ich unter anderem im Bundeskriminalamt und im Bildungsministerium, im Gefängnis und im Hospiz… Ich habe Glücksforscher, Hirnforscher, Ärzte, Mörder, Waisenkinder, Suizidgefährdete, Topmanager, Schauspieler, Künstler, Todkranke, Politiker, Holocaust-Überlebende und Gisela von nebenan einbezogen. So sind nach und nach diese vielleicht nostalgisch klingenden Werte zusammen gekommen.
Du hast bisher u.a. die Deutsche Stiftung Querschnittlähmung (DSQ) sowie die internationale Rückenmarksforschung „wings for life“ unterstützt, aber auch regionale Projekte. Zusätzlich hältst du immer wieder Vorträge. Was erzählst du da den Zuhörern und Teilnehmern? Welche Erfahrungen teilst du mit ihnen?
Bis heute wage ich es nicht zu behaupten, dass der Unfall diesen oder jenen Sinn hat, doch mit meinen Vorträgen, besonders aber mit den dadurch resultierenden Begegnungen nach den Vorträgen, versuche ich dem Unfall etwas von seinem Unsinn zu nehmen, indem ich das Scheinwerferlicht, das ich zwangsläufig bekomme, auf Situationen lenke, die häufig wenig Beachtung finden.
“Stehaufmensch” — der Begriff passt auf kaum einen anderen so sehr wie auf Samuel Koch. Wer nach einem Schicksalsschlag wie dem Unfall bei “Wetten, dass..?” nicht den Lebensmut verliert, muss wohl das Geheimnis der Resilienz kennen — der inneren Widerstandsfähigkeit, die gerade in aller Munde ist. Vor dem Hintergrund seiner eigenen Erfahrungen und unzähligen Gesprächen mit Todkranken und Topmanagern, Flüchtlingen und Häftlingen wirft Samuel Koch spannende Fragen auf: Was gibt Menschen wirklich die Kraft, immer wieder aufzustehen? Kann man Resilienz lernen und wenn ja, braucht es dazu vielleicht andere Ansätze als bisher gedacht? Kompetente Unterstützung auf der Spurensuche bekommt Samuel Koch durch den bekannten Hirnforscher Gerald Hüther. Ein Buch, das inspiriert, die eigene “Stehaufkraft” zu finden!
Mehr dazu und seine neuen Bücher HIER. (Unbezahlte Werbung) und zu Samuel Koch unter: www.samuel-koch.com
Bild: © Verlag adeo
Das ganze Interview wurde in einer vorherigen Ausgabe des Magazins “Pure & Positive” veröffentlicht.