Alexander Herrmann ist Sternekoch, Entertainer, Hotelier und ein sehr sympathischer Franke. Er stammt aus einer traditionsreichen Hoteliersfamilie und unterhält, informiert und berührt seit Jahren viele Menschen über die unterschiedlichsten Kanäle. Mit uns hat er über sein positives Wirken gesprochen.
Was ist für Sie das Schönste und Positivste an Ihrer Arbeit?
Das Schönste und Positivste an meiner Arbeit ist die Möglichkeit, absolut kreativ sein und alles jedes Mal neu erfinden zu können – und all das inklusive sich selbst und dem gesamten Team. Es gibt ja im Grunde keinen Stillstand. Wenn man mal selber innehält und die letzten 20 Jahre betrachtet, weiß jeder von uns, wie sich alles verändert hat und diese stetige Veränderung ist auch Fluch und Belastung. Einerseits fehlt ein bisschen die Konstante, aber gleichzeitig kann man es auch als Chance für das eigene Leben sehen. Es gibt so wahnsinnig viele Möglichkeiten, immer wieder etwas zu machen, was aus der Komfortzone rausgeht, einem aber auch im beruflichen Alltag als sinnhaft und lebenswert erscheint. Manchmal sind Wechsel schleichende Prozesse, manchmal hat man größere Sprünge. Hin und wieder war ich mit unserer Arbeit auch ein bisschen voraus, was nicht immer gut ist. Man kann nämlich immer nur so gut sein, wie die Gesellschaft jetzt gerade ist, fühlt und abnimmt. Das sind keine rationalen sondern mehr unterbewusste Reaktionen und Wahrnehmungen, die man als Gast hat, und die muss man gut treffen. Die Spitzengastronomie ist ein Spiegelbild der Gesellschaft und das ist das Schöne, Tolle und Herausfordernde.
Was motiviert Sie als Sternekoch aber auch Entertainer jeden Tag aufs Neue?
Der Erfolg ist im Grunde die größte Triebfeder. Es ist ein Endorphin freigebender Moment im Körper, wenn man etwas Tolles kreiert hat. Losgelöst vom Teller muss man sagen, dass es nicht immer nur um den Kochprozess beziehungsweise den Genussprozess geht, sondern auch ein Team aufzubauen und sich auch daran zu erfreuen, wie großartig wir im Team sind. Das Kernteam, was gerade agiert, ist vor 15 Jahren erst richtig entstanden und es ist einfach brillant. Auch im Fernsehen bei Entertainmentmomenten kann das so sein, denn ich bin im Grunde sehr selbstkritisch und das ist nicht immer einfach. Auf der anderen Seite ist es schon auch immer schön, wenn man dann mit Sendungen auch Erfolg hat und gutes Feedback von Leuten bekommt, die einen nicht kennen. Es möchte doch jeder von uns eine Art Feedback bekommen und die Wichtigkeit für das, was man tut, von außen gespiegelt bekommen.
“Wahrscheinlich war der Wandel noch nie so groß wie in den letzten Jahren.”
Beobachten Sie Veränderungen im Kochverhalten der Menschen? Worauf wird mehr geachtet — Stichwort Tierwohl, Klimaschutz und gesunde Ernährung?
Wahrscheinlich war der Wandel noch nie so groß wie in den letzten Jahren. Vor allem wer vegane Produkte konsumiert, tut dies ja nicht nur, um sich gesünder zu ernähren, sondern auch, weil man moralisch argumentiert hinsichtlich des Umgangs mit dem Tier. Wer vegetarisch isst, beteiligt sich ja indirekt auch an der Fleischindustrie, weil Käse schließlich aus Milch gemacht wird. Damit eine Kuh Milch geben kann, muss sie einmal im Jahr kalben. Auf Biohöfen läuft es schon etwas anders, aber im normalen Verlauf wird das Kalb schnell geschlachtet und es gibt Kalbfleisch. So simpel aber gleichzeitig auch schwierig ist es und deshalb glaube ich, ist das für viele das Hauptargument, um vegan zu leben. Die Menschen denken zunehmend mehr darüber nach, was eine persönliche Entscheidung nach sich zieht. Hier erkenne ich schon einen Trend für etwas sehr Bewusstes. Ich persönlich finde die vegane Ernährung richtig und auch toll. Die mediterrane Küche ist da bereits ganz weit vorn.
“Man möchte ein Teil der Lösung sein. (…) Bei uns können sich die Gäste zurücklehnen und das positivste Gefühl auch leben.”
Allerdings trifft die Fleischersatzproduktion, wie Bierschinken aus Erbenproteinen herzustellen, nicht ganz auf meine Zustimmung. Ganz banal gesagt sind da so viele Ersatzstoffe drin, die bestimmt nicht gut für den Körper sind. Was mich aber in meinem Tun irgendwie auch berührt, sind die nachhaltigen Themen, denn man möchte ein Teil der Lösung sein. In unseren Restaurants haben wir genug Lebensmittel für regionale und saisonale Spezialitäten. Gäste dürfen bei uns zum Beispiel einen Blick in unsere Schatzkammer werfen, sind dann sehr überwältigt und essen mit noch mehr Freude. Sie haben für diesen Abend das Gefühl, loslassen zu können, weil sie ein Teil der Lösung sind. Heute wissen sie, dass sie einmal alles richtig machen, wenn sie das jetzt essen. In der Nachhaltigkeit bekommt man ja leider schnell das Gefühl, dass es nie ausreichend ist, was man tut. Wenn man mit dem E‑Auto gekommen ist, Second Hand Kleidung trägt und den halben Tag vegan isst, aber dann Sneakers von einer großen Sportmarke trägt, die ihre übrigen Schuhe in Afrika verbrennen, bekommt man den Eindruck, man hat nicht genug getan. Das ist natürlich gefährlich und kann fast der Einstieg in eine Depression sein. Alles, was gut ist, waren andere — und alles, was schlecht ist, war man selber. Bei uns können sich die Gäste zurücklehnen und das positivste Gefühl auch leben.
Bild: © Nils Hasenau
Sie sagen “Kochen ist die Seele auf den Teller zu bringen” und dass Ihre Tätigkeit ein Handwerk ist, das Sie nur mit Herz und Seele betreiben können. Was macht das mit Ihnen? Worauf achten Sie bei den Zutaten wie bspw. Regionalität o.ä.?
Bei den Zutaten geht es nicht nur um den Aspekt der Regionalität, weil sich hier schon die Frage stellt, wo sie beginnt und wo sie genau aufhört. Es ist mir ein bisschen zu einfach, lediglich darauf zu schauen. Regional bedeutet für mich etwas, was aus meinem Kulturkreis kommt. Saisonal ist für mich wichtiger und entscheidend, denn es bedeutet, dass dein Betrieb das verwertet, was saisonal reif ist, was wiederum ja nur wenige Wochen im Jahr der Fall ist. Darauf muss man vorbereitet sein und es auch umsetzen können. In unserem „Future Lab Anima“ ist das einerseits die besagte Problemlösung und andererseits durch Fermentierung auch neue Lebensmittel herzustellen. Diese neuen Produkte zu kreieren und zu erschaffen und damit seine eigene Geschmacksgewürzlinie in dieser Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit zu erschaffen, ist was mich außerdem motiviert. In dieser Dimension macht das nämlich kein anderer. Handwerklich wird hier wirklich ganz sauber gearbeitet. Wir wissen, was wir tun, und setzen nicht nur Prozesse in Gang. Das sind für mich jeden Tag aufs Neue sehr stolze Momente. Und in der Gemeinschaft, die wir geschaffen habe, konnte jeder wachsen und groß werden.
Was sind Geschichten und Menschen, die Sie aus Ihrer bisherigen erfolgreichen Laufbahn am meisten erinnern? Inwiefern hat das Ihre Karriere vielleicht auch geprägt?
Es war für mich ein Gewinn, dass ich damals als Fernsehkoch das VOX-Kochduell machen konnte und so an Bekanntheit gewonnen haben. Oberfranken ist sonst nicht so die große Welt (lacht). Das war schon eine Herausforderung. Die ersten zehn Jahre war es auch anstrengend, es wurde viel umgebaut, 2003 habe ich dann das Gourmetrestaurant gegründet, 2008 haben wir den ersten Stern bekommen und 2019 den zweiten. Viele Menschen, die vor 15 Jahren dazugekommen sind, sind heute zum Teil auch immer noch da — wie Tobias Bätz, der als Souschef und heute Geschäftsführer eine unfassbare Reise hingelegt hat. In der Gemeinschaft, die wir geschaffen haben, konnte jeder wachsen und groß werden. Dadurch, dass ich Menschen nicht an ihren Fehlern messe, sondern an dem, was sie können, macht das frei und sie schaffen es, plötzlich ein ganz anderes Selbstvertrauen aufzubauen. Es ist für mich einer der tollsten Momente, das erleben zu können. Davon profitieren wir im Ergebnis letztlich alle. Das klingt jetzt zwar alles so einfach, war es aber natürlich nicht. Wir reden von einem Weg, der fast 20 Jahre ging und wo es Höhen und Tiefen gab, keine Frage. Aber im Großen und Ganzen ist es rückblickend schon der Wahnsinn, welche außergewöhnlichen Persönlichkeiten an meiner Seite arbeiten. Wie sagt man so schön: “Wenn man mit dem Gesicht in die Vergangenheit blickt, dann schaut der Arsch in die Zukunft”, deswegen schaue ich nach links und rechts und meistens nach vorne (lacht).
“Kinder werden gut groß, wenn sie stolze Momente ihr Eigen nennen können, weil sie das von sich aus geschafft haben.”
Sie sagen, es ist Ihnen ein großes Anliegen, vor allem auch bei Kindern und Jugendlichen Begeisterung für Kochen und Genießen zu erzeugen, und zwar nicht nur in Bezug auf berufliche Perspektiven, sondern auch um eine Basis zu schaffen für Freude an gutem Essen und somit mehr Lebensqualität. Welche Erfahrungen haben Sie in diesen Projekten gemacht?
Grundsätzlich ist es ja so, dass ein Kind perfekt in der Familie mitwachsen kann, wenn es beim Kochen hilft. Selbst einem dreijährigen Kind kann ich ein Tafelmesser in die Hand geben, eine Gurke hinlegen und sagen es soll mal die Gurke in Scheiben schneiden — auch wenn das nicht perfekt wird, ist das egal. Mit Salz, Joghurt, Zitrone und Co wird etwas Leckeres daraus und zusätzlich kann man mit Kräutern experimentieren. Wenn man das dann auf den Tisch stellt, alle davon essen und sagen wie toll das ist, wächst das Kind über sich hinaus. Das ist vergleichbar mit einer selbstgebauten Burg im Sandkasten. Kinder werden gut groß, wenn sie stolze Momente ihr Eigen nennen können, weil sie das von sich aus geschafft haben. Ein stolzer Moment bedeutet, dass ich etwas überwinden muss. Ich muss mich selber übertreffen und wenn das von außen noch wahrgenommen wird, ist das das Größte und Beste überhaupt. Das ist etwas, was man beim Kochen wunderbar spielerisch machen kann. Und dann hat man in dieser Zeit, wo man vielleicht 30 Minuten zusammen kocht, ein Schnippchen geschlagen. Man verbringt Zeit mit seinem Kind, ertüchtigt es zum maximalen Selbstbewusstsein und gleichzeitig geht es um gesunde Ernährung, Stilistik und Lebensstil. Hier geht es um Werte, deswegen ist Kochen zu Hause mit Kindern und Eltern in meinen Augen ein Geschenk. Wenn man früh anfängt, kann ein regelmäßiger Prozess daraus werden, so werden sie regelmäßig mitmachen und durch diese Regelmäßigkeit entsteht Großes. Das sind positive Erfahrungen, die ich mit Kindern in diesem Bereich gemacht habe. Ich kenne es allerdings auch, dass eine Waffel und eine Zuckerschnitte für andere Kinder das perfekte Frühstück sind. Das ist die Schere, die man leider auch in der Gesellschaft hat.
Was ist Ihr ganz persönliches Lieblingsrezept?
In all meinen Jahren ist mir diese Frage natürlich schon häufig gestellt worden, daher beantworte ich sie ein bisschen anders. Für mich sind da mehrere Faktoren entscheidend. Es zählen die Gerichte selbst, mit wem und in welcher Situation man sie isst. Ich gebe zu, dass Brot und Pasta schon etwas Gutes sind. Ich bin also eher ein Kohlenhydratjunkie (lacht).
Was ist Ihnen außerdem wichtig?
Ich habe eine Autobiografie veröffentlicht, die es auch als Hörbuch gibt. Außerdem sind positive Dinge, die ich gerne mitgeben möchte, dass man sich und andere nicht an Fehlern messen sollte. Das heißt für einen selber auch mal alle Fünfe gerade sein zu lassen. Wir haben doch alle oft das Gefühl, dass wir, was gut ist, nicht auch mit Stolz sagen dürfen. Das ist bei uns in Deutschland leider gesellschaftlich etwas komisch. Auch wenn etwas mal nicht so gut war oder geklappt hat, ist auch das ein ganz normaler Weg. Es gibt keinen Erfolg ohne Misserfolge. Und diese Relaxtheit, dass diese Misserfolge der Weg zum Erfolg sind, dürfen wir mehr sehen und zulassen. Fast wie Yin und Yang. Ich finde, dass diese Form von Disziplin, etwas zu erreichen, anzugehen und dranzubleiben die größte Herausforderung ist. Das ist außerdem so ein Mindsetthema. Ich messe mich ja selber auch nicht an den Tagen, wo ich es nicht geschafft habe, zum Sport zu gehen. Ich freue mich über die Tage, an denen ich es geschafft habe, und morgen nehme ich es mir wieder vor. Wir sollten nicht gleich aufgeben, sondern uns selber eine gewisse Großzügigkeit mitgeben und nicht am Fehler messen. Das ist auch so, wenn man auf die Familie schaut. Das gibt es einfach nicht, dass überall alles gut läuft und das muss man ertragen können. Viel mehr sollten wir für die tollen Dinge und Sachen dankbar sein, die man erlebt und sieht. Ich bin zum Beispiel sehr dankbar, bei euch im Magazin dabei zu sein, weil mich das wirklich freut! In diesem Sinne schicke ich euch allen eine große Umarmung!